The Council – „Insel der Intrigen“

                                 Getestet und verfasst von General M 

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Mit dem Fall von Telltale Games schien auch das Genre der Adventures vorerst am Ende zu sein. Von den einst so erfolgreichen deutschen Studios hat man zuletzt auch keinerlei Nachschub erhalten, was also bleibt dem anspruchsvollen Rätselfan und Entdecker noch groß? Die Antwort lautet: The Council. Das von Big Bad Wolf Studios in Episodenform entwickelte und über das ganze Jahr veröffentlichte Spiel will dem Genre mit frischen Impulsen zu alter Stärke verhelfen. Versprochen wurde ein Spiel, in welchem die getroffenen Entscheidungen DEUTLICH spürbare Konsequenzen nach sich ziehen, zudem eine spannende Story mit okkultem Flair. Klingt nach Spaß. Oder?

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In besten Kreisen

Wir schreiben das Jahr 1793. Mit dem anstehenden 19. Jahrhundert kämpfen die traditionsbewussten Monarchen zunehmend um den Erhalt ihrer Herrschaft. Es ist eine Zeit stetiger Veränderung, in der die Geschicke der Welt von wenigen Mächtigen entscheidend bestimmt und gelenkt werden. Zu einer solch zukunftsträchtigen Versammlung hat nun der geheimnisvolle und steinreiche Lord William Mortimer geladen. Zahlreiche illustre Gäste haben sich auf dessen abgelegener Insel vor der englischen Küste eingefunden, um im Verborgenen die Zukunft zu formen. Unter den geladenen Gästen befinden sich sowohl der erste Präsident der Vereinigten Staaten, nämlich George Washington, sowie der junge Napoleon Bonaparte und andere illustre Persönlichkeiten. Selbst der Vatikan hat einen hochrangigen Abgesandten geschickt. 

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Und dann ist da natürlich noch Louis de Richet, in dessen Rolle wir die Ereignisse von The Council erleben. Der ist allerdings nur angereist, um auf der Insel nach seiner Mutter Sarah zu suchen, die als hochrangiges Mitglied einer okkulten Geheimgesellschaft ebenfalls zu Mortimer´s Stammgästen zählt, nun aber ausgerechnet in dessen luxuriösem Palast verschwunden ist. Während der Hausherr allerdings durch Abwesenheit zu glänzen scheint, versammelt sich der edle Besuch längst zu allerlei Ränkespielen. Klar ist, dass irgendeiner der Gäste mehr zum Verschwinden von Louis Mutter weiß, nur reden will keiner so recht. Und das ist nur das geringste Problem des jungen Franzosen, der bei seinen Nachforschungen auf ein uraltes, bestens gehütetes Geheimnis stößt, welches die Grundordnung der bekannten Welt für immer durcheinander bringen könnte…

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Mit The Council wollen die Entwickler alles besser machen, was dem mittlerweile geschlossenen Telltale Studio zuletzt immer mehr misslang: Eine spannende Story bieten und dabei Entscheidungen verlangen, die tatsächlich zu jedem Zeitpunkt spürbare Konsequenzen nach sich ziehen und die außerdem großen Einfluss auf das Ende haben sollen. So ganz perfekt gelungen ist dieses Vorhaben allerdings nicht. Zwar macht das Spiel auf erzählerischer Ebene vieles richtig und liefert tatsächlich eine packende Story rund um das Okkulte, die für viele Überraschungen sorgt, sich dabei gleichzeitig aber auch in vielen unnötigen Längen und schier endlosen Dialogen verfängt und dafür viel Spannungspotenzial opfert. Zudem wirkt die letzte Episode überraschend kurz und lustlos abgefrühstückt, trotz tatsächlich spürbarer Auswirkungen all meiner getroffenen Entscheidungen ließ mich das Ende etwas enttäuscht zurück. Eines der größten Probleme des Spiels ist letztendlich sein viel zu stark schwankendes Tempo. Nach der sehr umfangreichen ersten Episode, die mich auch inhaltlich überzeugen konnte, war es danach eher ein ständiges Auf und Ab. Mal unglaublich spannend, mal unglaublich zäh, dann wieder zu langsam und später wieder viel zu überhastet. Und doch hatte ich dank der mit viel erzählerischer Tiefe versehenden Charaktere einigen Spaß am Erkunden des prunkvollen Palasts – der zahlreichen Anachronismen zum Trotz. Und dank seiner vielen vom Spieler bestimmten Ausgänge lohnt sich trotz Schwächen auch ein zweiter und dritter Durchgang. 

Die Kunst der Überzeugung

Dass einen das Spiel trotz unausgegorenen Pacings so bei Laune hält, liegt zu großen Teilen an den Rollenspielelementen von The Council. Ja, richtig gehört, ein Adventure mit Rollenspielelementen! Und das funktioniert sogar ziemlich gut, denn letztendlich sind es ja Louis Handlungen, die den Spielfluss und die Entwicklung der Geschichte maßgeblich prägen. Da man sich auf der Suche nach der verschwundenen Mutti über kurz oder lang Unterstützung aus den Reihen der zu Anfang von Misstrauen gegenüber dem Neuling behafteten Gesellschaft sichern muss, sollte man sich stets gut überlegen, wessen Freundschaft man gewinnen und wessen Feindschaft man dafür möglicherweise riskieren will. Auf diese Weise definieren sich schnell die verschiedenen Interessensgruppen unter Mortimer´s Gästen, die im Verlauf des Spiels immer stärker an Bedeutung gewinnen. Falls Louis beispielsweise über die erste Hälfte öfter mal mit George Washington aneinander gerät, zeigt sich dieser später in dringenden Momenten wenig hilfsbereit und zwingt Louis so, auf deutlich komplexeren Pfaden zum Ziel zu gelangen. Umgekehrt kann man aber auch in alle anderen Richtungen auf gleiche Probleme stoßen. 

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Wie gut Louis mit den Anwesenden zurecht kommt, entscheiden am Ende eben jene Rollenspielmechaniken. Denn gleich zu Spielbeginn kann sich der Spieler zwischen einer von insgesamt drei verschiedenen Spezialisierungen samt zugehöriger Perks entscheiden: Diplomaten sind Meister der Etikette und stets gut informiert über alle Neuigkeiten in politischen Kreisen, können aber ebenso mühelos Fremdsprachen lesen, alte Texte entziffern und anderen Menschen gut zureden. Experten des Okkulten sind dagegen eher Männer der Wissenschaft, hochbelesen und mit dem nötigen Verständnis ausgestattet, auch komplexeste Vorgänge rational herleiten zu können. Aus unerfindlichen Gründen sind sie gleichzeitig auch Meister im Knacken von Schlössern. Und zu guter letzt darf auch der Detektiv nicht fehlen, der besser als alle anderen dazu in der Lage ist, seine Umgebung wahrzunehmen und das Verhalten der Menschen um sich herum zu deuten. Nicht die kleinste Spur entgeht ihm, kein Hinweis bleibt bedeutungslos. Je nach getroffener Wahl wird dadurch bereits der Anfang entscheidend beeinflusst, denn manche Charaktere zeigen sich immun gegen themenspezifische Einflussnahmen wie Politik, Manipulation oder Ablenkung, sind dafür aber anfällig für Etikette, Okkultismus und Überredung – oder umgekehrt. Oder komplett anders. Es liegt am Spieler, diese Schwächen und Immunitäten aufzudecken und diese dann nach Wunsch schamlos auszunutzen. Ob ehrliche Haut oder intriganter Erpresser – wie Louis sich verhält, entscheidet nur ihr alleine. 

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Trial and Error, also ewiges Neustarten einer Konversation, bis man die perfekten Antworten herausgefunden hat, ist aber wenig empfehlenswert. Denn zum einen bietet The Council ein viel immersiveres Erlebnis, wenn man spontan nach seinem Gefühl handelt und sich dann auch mit den möglichen Folgen arrangiert, zum anderen lösen sich versehentlich herbeigeführte Sackgassen oft später auf alternative Weise wieder auf. Dann solltet ihr dank immer neuer Fertigkeitenpunkte und Weiterentwicklung eurer Talente ohnehin kaum noch auf Schwierigkeiten stoßen. Die Talente erweisen sich aber auch auf andere Weise nützlich. Geübte Schlossknacker können sich müheloser Zugang zu versperrten Truhen und Bereichen verschaffen, für die man sonst umständlich nach Schlüsseln suchen muss. Wissenschaftler erhalten deutlich mehr Hinweise beim Lösen der zahlreichen Rätsel und Meister des Wortes können sich auch aus den kompromittierendste Situationen erfolgreich herausreden. Gleichzeitig helfen die jeweiligen Fertigkeiten Louis dabei, die Welt von The Council und deren historische Hintergründe besser zu verstehen. Dabei ergeben sich oft praktische Informationen, die man dann hemmungslos als Überzeugungsargumente gegen stärkste Wiederstände einsetzen kann. Aber selbst, wer sich auf ein Fachgebiet spezialisiert, hat immer genügend Möglichkeiten, im Spiel weiter voran zu schreiten. Dadurch entsteht eine unvorhersehbare Dynamik, die dem sonst eher konventionellen Genre tatsächlich viel frischen Wind einhaucht!

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Dennoch sollte man sparsam im Umfang mit den Fähigkeiten sein, denn jeder Einsatz kostet Ausdauerpunkte. Wie viele genau, entscheidet euer Fertigkeitenlevel. Auf der ersten Stufe wird die Fertigkeit überhaupt erst nutzbar, auf Stufe 2 wird der Einsatz günstiger und auf der dritten und letzten Stufe sogar komplett kostenlos. Den Rang kann man aber auch auf andere Weise steigern. Erfüllt Louis besondere Aufgaben, erhält er augenblicklich permanente Boni. Auch das Lesen von Büchern bringt zum Ende eines Kapitels neue Erkenntnisse. Es lohnt sich also umso mehr, nach den überall versteckten Schinken Ausschau zu halten.  Gelegentlich geratet ihr in sogenannte Konfrontationen mit anderen Charakteren. Hier müsst ihr dann unter Zeitdruck die richtige Antwort wählen, anderenfalls kann die Sache für Louis teils böse enden. Wer hier zu viele Fehler macht, muss einen komplett neuen Versuch wagen, was besonders deswegen frustrierend ist, weil man bereits gesehene Ereignisse nicht überspringen kann. So kann es vorkommen, dass man immer wieder die gleichen Dialoge führt, nur um dann irgendwann endlich eine erfolgreichen Ausgang herbeizuführen. Hilfen gibt es aber auch hier, denn dank den überall im Anwesen versteckten Hilfsmitteln wie Gelee Royal und Goldelixier füllt ihr nicht nur verbrauchte Ausdauer wieder auf, sondern könnt eure Fertigkeiten auch einmalig kostenlos einsetzen oder gar die Schwächen eures Gegners vorhersehen. Besonders zum Ende hin werden die kleinen Ampullen zum nützlichen Helfer, weswegen man stets die Augen nach ihnen offen halten sollte. Sammelobjekte wie Münzen geben am Kapitelende Bonuserfahrung. Doch sehr viele der storyrelevanten Gegenstände wollten selbst am Ende keinerlei Nutzen offenbaren. 

Zwischen Prunk, Protz und Problemen

Grafisch hat The Council tatsächlich so seine Momente, die auf dem PC aber deutlich besser zur Geltung kommen als auf den Konsolen. Die lösen nämlich generell nur in 1080p auf, ganz gleich, welches System ihr nutzt. Da hat der PC dank nativer 4K – Unterstützung und höherer Bildrate deutlich die Nase vorne und zeigt die kunstbehangenen Korridore und opulenten Flure deutlich hübscher. Ein Grafikwunder ist das Spiel aber eher nicht, denn trotz manch schöner Lichteffekte und vielen stimmigen Umgebungen mangelt es den Charakteren an zeitgemäßer Mimik. Detailarmen Texturen begegnet man ebenfalls alle Nase lang und manchmal hat man das Gefühl, dass bestimmte Areale nur deswegen so elendig dunkel ausgefallen sind, um genau diese Probleme irgendwie kaschieren zu können.

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Dazu gesellen sich neben den recht schwachen Animationen eine ganze Reihe Darstellungsfehler, zum Beispiel bei Händen und Ärmeln. In einem Gespräch war Louis dann plötzlich auch einfach mal komplett aus dem Bild verschwunden. Gelegentlich lässt einen auch die Kamera mal im Stich. Das sind alles eher kleine Macken, die aber in ihrer Gesamtheit doch präsent wahrnehmbar sind und den Spielfluss stören können. Zudem ist auf den Konsolen auffälliges Kantenflimmern als Dauergast mit von der Partie. 

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Auch der Ton ist relativ gewöhnungsbedürftig, denn die ausschließlich englischen Sprecher sind nicht immer gut gewählt. Dass hinter der Stimme von Napoleon beispielsweise kein Franzose steckt, merkt man sofort. Und auch der restliche Cast hat immer mal Schwierigkeiten mit der Betonung. Richtige Profis waren hier wohl nicht am Werk, von allen Sprechern überzeugen noch am ehesten die von Held Louis und den beiden seltsamen Aristokraten Mortimer und Gregory. Der Rest ist eher durchwachsen, was auch für den Soundtrack gilt. Der besteht nämlich zu großen Teilen aus Pianostücken und zeigt sich besonders in spannenden Situationen eher unpassend. Dafür geht die Bedienung gut von der Hand, wobei wir auch am PC zur Nutzung eines Gamepads raten, denn dadurch gestaltet sich alleine die Menüführung deutlich einfacher. 

Fazit und Wertung

ava5„The Council gelingt es tatsächlich, trotz vieler kleiner und wenigen großen Schwächen frischen Wind ins angestaubte Adventuregenre zu bringen. Die Story kann den erzählerisch starken Einstieg leider nur bedingt auf gleichem Niveau aufrecht erhalten, besonders das Ende wirkt nach vielen Längen dann auch umso mehr überhastet. Dafür sind mir viele Charaktere ans Herz gewachsen, allen voran der interessante Protagonist. Und auch die Rollenspielelemente sorgen für viel Abwechslung und vor allem für zahlreiche Lösungswege, weshalb sich kaum ein Spieldurchgang wie der andere anfühlt. Dahingehend haben die Entwickler ihr Versprechen gehalten, denn durch die vielen verschiedenen Lösungsansätze spielt sich The Council um ein vielfaches dynamischer als jedes bekannte Telltale – Spiel. In Sachen Grafik bleibt das Spiel aber ebenso nur Mittelmaß wie beim Ton. Angesichts des trotzdem interessanten Ansatzes bleibt dennoch zu hoffen, dass in Zukunft mehr Spiele dieser Art gemacht werden. Die sollten dann aber inhaltlich und optisch etwas runder gestaltet werden.“ 

Pay-2-Win/Mikrotransaktionen: The Council ist ein reiner Einzelspielertitel und bietet keinerlei Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile zu erkaufen. Eine Abwertung nehmen wir daher nicht vor. 

PRO:

+ Wendungsreiche Geschichte mit vielen unterschiedlichen Pfaden
+ Unverbrauchtes Setting
+ Teils hübsche Umgebungen, die mit guter Ausleuchtung punkten
+ Einfaches, aber doch höchst effektives Charaktersystem 
+ Viele Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen
+ Vielschichtige Charaktere
+ Getroffene Entscheidungen bieten spürbare Konsequenzen…
+ …dadurch stark erhöhter Wiederspielwert
+ Stellenweise angenehm fordernde Rätsel
+ Praktische Charakternotizen

+ Guter Umfang
+ Zugängliche Bedienung (Gamepad)
+ Sauber lokalisierte Untertitel

CONTRA:

– Nur wenige optische Highlights
– Steife Mimiken
– Unzeitgemäße Animationen
– Viele detailarme Texturen
– Darstellungsfehler und kleinere Bugs trüben das Spielgeschehen
– Omnipräsentetes Kantenflimmern (Konsolen)
– Teils hanebüchene erzählerische Twists
– Stark schwankendes Erzähltempo
– Überhastetes Ende
– Eher schwache Sprecher
– Gelegentlich abgehackte Dialoge

– Abwechslungsarmer Soundtrack
– Bereits gesehene Dialoge lassen sich nicht überspringen
– Viele Items ohne wirklichen Storynutzen
– Zahlreiche Anachronismen

                 
                                              GESAMTWERTUNG:   
6.5/10 

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