DVD: „Leanders letzte Reise“

                                                Getestet und verfasst von General M

                                 Quelle Bildmaterial: „Leanders letzte Reise, TOBIS, DVD“

81ByoYmsFdL. SL1200 Wie gut Generationenkino funktioniert, bewies Til Schweiger seinerzeit eindrucksvoll mit der warmherzigen Familienkomödie „Honig im Kopf“. Der im letzten Jahr unter der Regie von Nick Baker Monteys entstandene Kinofilm „Leanders letzte Reise“ erzählt ebenfalls eine Geschichte über Generationen, ist dabei aber eher Drama statt Komödie und handelt von der letzten Suche eines alten Mannes inmitten der Wirren des Russland-Ukraine-Konflikts im Jahr 2014, welcher bis heute andauert und somit ein zeitgeschichtlich höchst aktuelles Thema als Rahmenhandlung gewählt hat, ebenso aber auch von Sehnsüchten, Vergangenheitsbewältigung und Schuldgefühlen handelt. Also ein höchst interessanter Mix, welchem wir uns in diesem Review gespannt angenommen haben. 

Schuld und Sühne

Eduard Leander (In uralter Maske: Jürgen Prochnow, „Judge Dredd“) ist 92, Patriarch über Kinder und Kindeskinder und hat gerade seine Frau zu Grabe getragen. In einer Familie, in der niemand mehr so richtig miteinander zu reden scheint, gilt der mürrische Kauz als besonders schweigsam, besonders grantig und stößt so ziemlich jedem Familienmitglied vor den Kopf. Als dieser Herr Leander sich dann plötzlich scheinbar ohne Grund in einen Zug Richtung Ukraine begibt, in der gerade heftige Gefechte zwischen Nationalisten und Separatisten stattfinden, alarmiert Tochter Uli (Suzanne von Borsody, „Die kleine Hexe“) in letzter Sekunde ihre entfremdete Enkeltochter Adele (Petra Schmidt-Schaller, „Eine gute Mutter“). Die versucht zwar noch halbherzig, den scheinbar betagten Senior wieder aus dem Zug zu bekommen, aber zu spät: Der Zug setzt sich in Bewegung, Adele wird zum unfreiwilligen Reisepartner ihres Großvaters. 

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           Eduard Leander will unbedingt in die Ukraine. Enkelin Adele reist unfreiwllig mit. 

Wirklich viel wissen beide nicht voneinander, erst im weiteren Verlauf der Geschichte öffnen sich beide ihrem Gegenüber. Leander, im zweiten Weltkrieg als deutscher Soldat in der Ukraine stationiert, will unbedingt seine ehemalige große Liebe wiederfinden und kämpft gleichzeitig mit der Last schwerer Schuld längst vergangener Tage. Zum Glück sind die beiden nicht ganz allein unterwegs im immer gefährlicheren Krisengebiet. Der lebenslustige Lew (Tambet Tuisk, „Tschiller: Off Duty“) steht Großvater und Enkelin tatkräftig zur Seite…

Die Rezension

Zugegeben, ein wenig hölzern und langweilig beginnt der Film ja doch, entfaltet dann aber rasend schnell sein wahres Potenzial im Rahmen einer berührenden Geschichte, deren Qualität ganz eindeutig von den toll gefilmten Bildern und den spielfreudigen Darstellern profitiert. Jürgen Prochnow miemt den grantigen Rentner, der von seiner eigenen Vergangenheit verfolgt wird, souverän und doch packend, aber auch Petra Schmidt-Schaller als rebellische Enkeltochter Adele sowie Tambet Tuisk überzeugen in ihren Rollen voll und ganz und harmonieren wunderbar miteinander. 

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                 Petra Schmidt-Schaller überzeugt als anpassungsunwillige Rebellin mit Herz. 

Gut recherchiert und dementsprechend eindrucksvoll inszeniert ist die Rahmenkulisse des Ukraine – Konflikts, welche zwar nie so weit vertieft wird, dass er von der eigentlichen Geschichte ablenkt, doch aber sehr wohl immer präsent ist und sich dabei mit vielen wichtigen Fragen, Ursachen und Konsequenzen dieser Geschehnisse auseinandersetzt, Vor allem der Charakter des Lew fungiert hier als wichtiges Bindeglied. „Man müsse sich entscheiden“, so ein Soldat zu ihm, „ob man Russe oder Ukrainer ist“. Lew möchte gerne beides sein, aber der Zwang, sich für eine Seite entscheiden zu müssen ist auch etwas, dass Leander nur zu gut kennt. Diese Verbindung von Generationen und Geschichten hat mir extrem gut gefallen und hat dafür gesorgt, dass ich über die gesamte Spieldauer von gut 103 Minuten nie gelangweilt war oder das Gefühl hatte, Momente übertriebener Rühseligkeit zu erleben. „Leanders letzte Reise“ funktioniert für mich auf vielen Ebenen, sowohl als Familiendrama als auch als ein wenig als Dokumentation und Roadmovie. Man genießt jeden Moment an der Seite der sich konsequent in angenehmen Tempo entwickelnden Figuren und deren Zusammenspiel. So sehr, dass man Ende als Zuschauer womöglich das Gefühl hat, doch auch mal wieder einfach seine Großeltern anrufen oder sie spontan zu besuchen, ob es nun Generationenkonflikte gibt oder nicht. Denn so ein gewisses Grundverständnis ist meistens immer vorhanden. Man muss nur gelegentlich den Mut aufbringen, danach suchen zu wollen. 

Die DVD

Abermals muss ich bedauern, dass der Film keine HD oder UHD – Auswertung erfahren hat. Verdient hätten es die tollen Panoramen und intensiven Nahaufnahmen allemal. Zwar bietet das veraltete Medium im Rahmen seiner Möglichkeiten immer noch eine gute Bildschärfe, auch Farben und Kontraste stimmen, es wäre aber deutlich mehr machbar gewesen. Besonders hinsichtlich der Schwarzwerte ordnet sich die DVD allenfalls im Mittelfeld ein, was besonders in den dunklen Szenen mitunter sattes Schwarz in etwas milchiges Grau verwandelt. Dafür sind glücklicherweise keinerlei störende Artefakte oder Ghosting auszumachen. 

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         Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt, der Film ist wunderbares Gefühlskino. 

Beim Ton bleibt es bei der DVD – typischen Dolby Digital 5.1 – Spur, welche wie zu erwarten bei einer Deutschen Produktion auch lediglich in Deutscher Sprache auf dem Medium angeboten wird, mal abgesehen von der obligatorischen Hörfilmfassung für Hörgeschädigte. Diese bietet gut verständliche Dialoge, ist aber im Vergleich zu aktuellen Tonformaten besonders im Raumklang etwas schwachbrüstig. Dafür enthält die DVD noch knapp 40 Minuten Extras, welche sich auf ein Featurette, Interviews mit Cast und Crew und eine B-Roll verteilen. Auch eine Bildergalerie und den Trailer zum Film hat man mit auf die Scheibe gepresst. 

Fazit 

ava2„´Leanders letzte Reise´ ist eine einfühlsam erzählte Generationengeschichte im Rahmen eines höchstaktuellen, noch heute andauernden Konflikts, welcher sich beinahe direkt vor unserer Haustür abspielt. Wie unterschiedlich verschiedene Generationen mit solchen Dingen umgehen, ist nur eines von vielen Themen, die der Film einem zu vermitteln versucht. Und in nicht einem dieser Aspekte zeigt der Film nennenswerte Schwächen, sondern schafft es eindrucksvoll, alles unter einen Hut zu bringen. Jürgen Prochnow brilliert als mürrischer alter Mann, der nicht nur nach seiner großen Liebe sucht, sondern auch seit nunmehr über 70 Jahren von einer großen Schuld angetrieben wird, der er sich früher oder später stellen muss. Aber auch der restliche Cast spielt grandios und nachvollziehbar, gleichzeitig ist es Regisseur Montey gelungen, all das in tolle Bilder zu verpacken. Ein wunderbarer Film also, der jedoch in technischer Hinsicht in jedem Fall eine würdigere Umsetzung verdient hätte, als eine schnöde DVD.“ 

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