Hitman™ – Episode 1: Paris

Die düstere Welt des namenlosen Attentäters, der lediglich unter seinem Codenamen 47 bekannt ist, zog mich bereits bei Erscheinen des ersten Teils in seinen Bann. Obgleich ich damals noch viel zu jung dafür war. Aber gerade das Verbotene hat ja immer seinen Reiz. Da schreckte mich natürlich auch nicht die Tatsache ab, dass der erste Teil umgehend auf dem Index landete. Die damals fantastische Grafik, die Möglichkeit, seine Ziele in einer offenen Welt mit vielen verschiedenen Möglichkeiten um die Ecke zu bringen, all das machte die fummelige Steuerung locker wett. Hitman – Codename 47 war zur damaligen Zeit also eine kleine Revolution, zumal die besten Missionswertungen nur dann verliehen wurden, wenn man sich wie ein Geist durch die Areale bewegen konnte. Wer stattdessen einfach die Pistolen zückte und jeden Gegner über den Haufen ballerte, wurde entsprechend abgestraft. Das Konzept ging auf – das Spiel mauserte sich zu einem Achtungserfolg, der bis 2016 vier Fortsetzungen nach sich zog und trotz vieler Verbesserungen seinem von Spielern geliebten Grundprinzip des lautlosen und möglichst unauffälligen Tötens dabei immer treu geblieben ist.  

Seit dem 11. März steht nun der neueste Ableger in den Regalen. Nun, mehr oder weniger zumindest. Denn im Gegensatz zu allen Vorgängern, erscheint Hitman vorerst ausschließlich digital in Episodenform und wird erst Anfang 2017 in einer vollständigen Ladenversion für PC, XBOX One und PlayStation 4 erhältlich sein, dann zum entsprechenden Vollpreis. Entwickler IO Interactive und Publisher Square Enix versprechen über den Zeitraum von sieben Monaten alle vier Wochen ein neues Kapitel zu veröffentlichen. Das sogenannte Starter Pack, welches die beiden Tutorial – Missionen aus der Beta und den ersten Schauplatz Paris enthält, gibt es jeweils für knapp 14€, alle weiteren Episoden werden mit circa 10€ zu Buche schlagen. So gelangt man am Ende ebenfalls etwas über den Preis eines aktuellen Titels, kann aber natürlich auch sofort das komplette Paket erwerben und dabei wieder einen Zehner sparen. Hach, verwirrend. 

Wir haben Agent 47 bei seinem Ausflug nach Paris ausführlich über die Schulter geschaut und klären, ob der Glatzkopf auch in Episodenform noch immer der Meister seines Fachs ist, oder ob er sich vielleicht doch langsam zur Ruhe setzen sollte. Als Basis für den Test diente die Complete Edition auf XBOX One. Da das Spiel zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig ist, werden wir lediglich eine Wertungstendenz abgeben, die sich mit den folgenden Episoden jederzeit ändern kann.

Willkommen zurück, 47!

Gleich zu Beginn muss eine Sache gesagt werden: Menschen ohne Geduld, die dazu über einen nervösen Abzugsfinger verfügen, sollten sich ein anderes Genre suchen. Hitman verlangt Gelassenheit, überlegtes Planen und taktisches Vorgehen. Das war schon immer so und genau so soll es auch sein. Das ist die Weise, wie Hitman gespielt werden soll. Wem das zu hart erscheint: Rocket League ist jedes Wochenende im Angebot. 

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Erfahrene Agenten werden sich in der Welt von Hitman schnell heimisch fühlen. Wie auch bei den Vorgänger haben die Jungs und Mädchen von IO Interactive erneut einen großen Spielplatz für Attentäter erschaffen, der eine Unmenge von Möglichkeiten bietet, eine Mission erfolgreich abzuschließen. Das merkt man direkt zu Beginn im Tutorial, bei dem man in die Haut eines noch unerfahrenen und jungen 47 schlüpft, der sich seine Sporen unter der altbekannten Leitung seines Kontakts Diana Burnwood erst verdienen muss. Die Mission führt uns in provorischer Kulisse einer Luxusyacht schrittweise an die verschiedenen Elemente des Spiels heran. Das Ziel: Einen Kunstdieb elimieren. Dieser bewegt sich durch die Menge erlesener geladener Gäste und hat zusätzlich noch eine ganze Menge Bodyguards an seiner Seite. Im Grunde also eine unmögliche Mission. Unmöglich? Nicht für 47. 

Die richtige Tarnung

In unserem Aufzug gelangen wir gar nicht erst aufs Boot. Die Wachen am Eingang lassen uns nicht durch und würden Zuwiderhandlung dieser Anweisung sofort mit Waffengewalt beantworten. Eine Tarnung muss her. Also schleichen wir uns über ein Fenster in ein nahegelegenes Lagerhaus und setzen einen einsamen Techniker außer Gefecht. Natürlich können wir wählen, ob wir den Techniker lediglich betäuben möchten, oder aber ihm gleich das Genick brechen. Doch Obacht! Das Töten von Zivilisten und Personen, die nicht als Ziel markiert sind, hat massive Auswirkungen auf die Abschlusswertung. Also begnügen wir uns mit dem Betäubungsgriff, ziehen den Körper anschließend in eine nahe Toilette und schnappen uns seine Arbeitskleidung. Damit gelangen wir über den Frachzugang mühelos ins Schiff. Allerdings ist eine gute Verkleidung kein Garant für Unsichtbarkeit. Denn der Supervisor der Techniker ist durchaus in der Lage, unsere Verkleidung zu durchschauen, was auch für alle andere Verkleidungen gilt. Also gehen wir unauffällig an ihm vorbei, sobald er uns den Rücken zudreht. 

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Soweit, so gut. Als Techniker gelangen wir zwar aufs Schiff und können uns auf dem Unterdeck frei bewegen, gelangen aber nicht aufs Oberdeck, wo sich unser Ziel aufhält. Zum Glück steht in der Küche gerade ein Mitglied des Schiffspersonals am Herd und kocht Suppe. Niemand ist zu sehen, die perfekte Gelegenheit. Eine weitere Betäubung später tauschen wir die Techniker – Kleidung mit der Personaluniform und deponieren den bewusstlosen Körper in einer nahegelegenen Kühltruhe. Ohnehin ist es wichtig, niemals Leichen oder Bewusstlose in der Gegend liegen zu lassen. Die Wachen und das Personal würden umgehend Alarm schlagen, sollten sie bei ihren Wachgängen auf sie treffen. Damit wäre nicht nur die Tarnung aufgeflogen, sondern auch die Chance auf einen lautlosen und perfekten Abschluss.  

Die richtige Taktik

Mit der Personaluniform haben wir endlich Zugang aufs Oberdeck. Allerdings können wir nicht einfach mit gezogener Pistole auf das Ziel zugehen. Die Reihe bot seit jeher viele kreative Möglichkeiten für eine effektive Eliminierung. Auch der neueste Ableger bleibt dem Prinzip treu. Da ist zum Beispiel das Essen, in welchem der Koch gerade noch herumgerührt hat. Hätten wir nur etwas Gift im Inventar, könnten wir dem Gericht eine pikante Note verleihen. Leider haben wir keines. Wenigstens noch nicht. Denn ein erfolgreicher Missionsabschluss schaltet automatisch neue Herausforderungen und Items frei, ferner neue Verkleidungen und Spawn – Points,  welche den Wiederspielwert immens erhöhen. So kann man stets neue Taktiken ausprobieren, die oftmals unter ganz anderen Ausgangspunkten entweder scheitern, oder funktionieren. So ist Gift später ebenso möglich, wie das Platzieren einer ferngezündeten Mine unter dem Schreibtisch des Ziels. Für den Moment jedoch begnügen wir uns damit, dem Ziel möglichst unauffällig zu folgen und abzuwarten, bis sich eine günstige Gelegenheit für einen Schuss ergibt. Zum Glück begibt sich der Kunstdieb wenig später in sein Büro, um dort einen Kontakt zu treffen. Die perfekte Gelegenheit! Wir schleichen in einem unauffälligen Moment durch ein offenes Fenster im Büro, warten, bis der Kontakt dem Ziel den Rücken zudreht und töten das Ziel mit einem präzisen Kopfschuss durch die schallgedämpfte Pistole. Geschafft. Niemand hat was bemerkt. Auch wenn die Wache beinahe misstrausisch wurde, als sie uns kurz dabei beobachtet hat, wie wir durch das Fenster geklettert sind. Denn eine gute Verkleidung ist nie eine Entschuldigung für merkwürdiges Verhalten. Leider kommen wir nun nicht einfach durch die Hauptreppe vom Schiff. So verlassen wir das Einsatzgebiet erneut durch den Frachtraum und schließen die Mission am Fluchtpunkt erfolgreich ab. 

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Das Erfolgsgefühl über die gewählte Taktik hält sich dabei jedoch in Grenzen. Schließlich hat das gut strukturierte Tutorial uns durch jeden Schritt geführt. Jetzt sollen wir es erneut versuchen, dieses Mal mit einer eigenen Taktik. Das Spiel lässt uns von der Leine und hier beginnt das Experimentieren. Platzieren wir die Mine? Verkleiden wir uns als Wachmann? Oder schlüpfen wir lieber direkt in die Haut des Kontakts? Möglichkeiten über Möglichkeiten. Und jede ist es wert, ausprobiert zu werden. Am Ende der Mission ist man stolz darauf, wieder lautlos abgeschlossen zu haben. Das typische Hitman – Gefühl ist wieder da. Jetzt geht’s nach Paris!

Tödliches Mode – Business 

Wieder in der Gegenwart begegnen wir einem Agent 47, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt ist und weiterhin Aufträge für die Agency erledigt. Die Story bleibt wenigstens im Rahmen der ersten Episode größenteils im Dunkeln. Irgendwer scheint eine Menge über die Vergangenheit von 47, der ja im Rahmen eines Klonprojekts erschaffen wurde, zu wissen. Wer, was, warum? Die Antworten auf diese Fragen bleiben vorerst noch aus. Es ist jedoch zu hoffen, dass das Spiel im Verlauf der kommenden Episoden aus allem eine spannende Geschichte stricken wird und nicht einfach nur von Mission zu Mission führt. Für den Anfang erwarten uns jedoch gleich zwei Ziele. Die Leiterin eines Spionagerings und ihr Komplize, ein ehemaliger russischer Oligarch, der sich mittlerweile einen Namen im Mode – Geschäft gemacht hat und zu einer exklusiven Modenschau in luxuriösen Ambiete nach Paris lädt. Die perfekte Gelegenheit, beide Ziele um die Ecke zu bringen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Es wimmelt nur so von Sicherheitskräften und Gästen. 

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Ab hier obliegt es dann endgültig dem Spieler, auf welche Weise er die Mission zu einem erfolgreichen Abschluss bringen will. Zwar gibt es immer einen eher einfachen Weg, welchen das Spiel zur Unterstützung vorgibt, der wahre Profi jedoch wählt seine eigene Taktik. Dabei bietet die Erkundung des weitläufigen und toll in Szene gesetzten Areals eine Menge Gelegenheiten. Beim Belauschen von Gesprächen erfahren wir beispielsweise, wann die Zielpersonen wo sein werden und können das Vorgehen entsprechend planen. Dabei sind die verschiedenen Möglichlichkeiten allesamt sehr abwechslungsreich gestaltet. Und durch die faire Speicherfunktion können wir notfalls immer einen neuen Ansatz ausprobieren, sollten wir mal scheitern. Das müssen wir dann ohnehin, denn 47 hält nur wenige Treffer aus. Sich notfalls den Weg freizuschießen, ist niemals eine Alternative. Zum Glück sehen wir einem der Männermodels erschreckend ähnlich. Und das weibliche Ziel könnte sich unter den richtigen Umständen zu einer privaten Audienz überreden lassen…

In Sachen Abwechslung und kreativen Möglichkeiten zeigen die Entwickler, dass Agent 47 nichts von seinem Anspruch und seiner Motivation verloren hat. Im Gegenteil! Gerade die Treue zum Grundkonzept macht den Reiz des Spiels aus. Wo andere Serien sich mit der Zeit immer mehr vom Grundkonzept entfernen, um ein Spiel auch Einsteigern und grundlegend einem größeren Publikum zugänglich machen, richtet sich Hitman an den Taktiker und serviert diesem genau das, was er von der Reihe erwartet. Dank des guten Tutorials finden allerdings auch Einsteiger ihren Weg in die Welt von Agent 47. Lobenswert. 

Ach, das ist von 2016?!

Während das Gameplay also extrem gut umgesetzt wurde, zeigt sich der größte Makel des Spiels in der technischen Umsetzung. Innerhalb technischer Parameter kommt fast der Eindruck auf, dass sich die Entwickler nur deswegen zu einem Release in Episodenform entschieden haben, weil das Spiel einfach nicht zeitig fertig geworden ist. Während das 2012 erschienene Hitman: Absolution dank Glacier Engine sogar auf den betagten Konsolen noch einen ausgezeichneten Eindruck machen konnte, wirkt der neue Teil stellenweise wie ein grafischer Rückschritt, der auf den aktuellen Konsolen schlechter aussieht als das bald vier Jahre alte Absolution auf PlayStation 3 und XBOX 360. Ewig lange Ladezeiten, matschige und detailarme Texturen und detailarme Charaktere sorgen teilweise für Entsetzen in der sonst technisch absolut vorbildlichen Geschichte der Reihe. Hinzu kommt teilweise deutliches Kantenflimmern, Ruckler und spürbare Einbrüche der Framerate. Natürlich kann ich hier nur für die getestete XBOX One – Version sprechen, laut vielen Berichten im Netz soll die PlayStation 4 – Version jedoch mit gleichen Problemen zu kämpfen haben. Zumeist wird nicht mal die angestrebte Framerate von 30 Bildern pro Sekunde erreicht. Die PC – Version, die allerdings AMD – exklusiv von DirectX 12 profitiert, soll problemloser, aber ebenfalls nicht problemlos laufen. Es ist zu hoffen, dass wenigstens in Sachen Performance in Form von Patches zügig nachgelegt wird. Anderenfalls würde sich das Spiel, sobald es Anfang 2017 in seiner Komplettform auch in den Händlerregalen steht, zu einem noch größeren Technikdesaster entwickeln, als es schon momentan den Eindruck macht. Doch man muss auch hier ein kleines Lob aussprechen, denn die Beleuchtung ist ausgesprochen stimmig und die belebten Areale sind atmosphärisch und abwechslungsreich gestaltet. 

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Ein weiteres Manko stellt die Vertonung dar. Seit dem zweiten Teil glänzte die Reihe durch eine exzellente Deutsche Synchronisation, in der Torsten Michaelis Agent 47 seine markante Stimme lieh, die Filmfans unter anderem als Feststimme von Wesley Snipes und Sean Bean kennen. Hitman verlässt sich dagegen ausschließlich auf die englische Originalvertonung und liefert lediglich Untertitel. Zwar ist die Originale Fassung ebenfalls sehr gelungen, als langjähriger Fan der Serie hatte ich mich jedoch auf ein Wiedersehen mit der bekannten Stimme sehr gefreut. Stattdessen laufen permanent störende Untertitel durchs Bild. Natürlich bin ich der Sprache mächtig, sehr gut sogar. Trotzdem bleibt eine gewisse Enttäuschung zurück, da Square Enix neben Ubisoft bisher immer ein Paradebeispiel für eine qualitativ hochwertige Deutsche Fassung abgab. Und auch auf die gewohnte, atmosphärische Musik von Komponist Jesper Kyd muss dieses Mal leider verzichtet werden. 

Dafür geht die Steuerung mit Gamepad außerordentlich gut von der Hand und ermöglicht eine präzise und zugängliche Bedienung. 

Fazit

ava „Die Reihe ist ihren Wurzeln treu geblieben und zeigt auch 2016, dass Setting und Gameplay nicht nur zeitlos sind, sondern auch heute noch immer noch ungebrochen Spaß machen. Die vielen gebotenen Möglichkeiten, der immens hohe Wiederspielwert und die vielen Herausforderungen sorgen für einen tollen Einstieg ins neue Hitman. Die enttäuschende Technik und viele Performance – Probleme trüben das sonst lobenswerte Gesamtkonzept allerdings immens. Auch die Abwesenheit einer Deutschen Sprachfassung wird sehr vermisst. Aber ich freue mich auf die kommenden Episoden. Ich bin eben ein geborener Killer.“


PRO:

+ Weitläufiges, atmosphärisches Pariser Areal
+ Bietet zahlreiche Möglichkeiten 
+ Spürbarer Seriencharme
+ Schwarzer Humor
+ Faires Speichersystem
+ Für Einsteiger und Profis geeignet
+ Gut strukturiertes Tutorial
+ Herausforderungen sorgen für hohen Wiederspielwert
+ Gut umgesetzte Steuerung mit Gamepad
+ Erfordert taktisches und geduldiges Vorgehen

CONTRA: 

– Keine Deutsche Sprachfassung
– Geschichte (noch) nicht wirklich vorhanden
– Extrem lange Ladezeiten
– Framerate – Einbrüche
– Teilweise starkes Kantenflimmern
– Ruckler 
– Ab und an kleinere K.I. – Probleme
– Belangloser Score

                         TENDENZIELLE GESAMTWERTUNG:    81%

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