Fist of the North Star: Lost Paradise – „Omae Wa Mou Shindeiru!“

                                  Getestet und verfasst von General M 

                                Seit dem 2. Oktober 2018 exklusiv erhältlich für PlayStation 4

81rao73eufL. SL1500 Seit nunmehr 25 Jahren begeistert Fist of the North Star Fans auf der ganzen Welt. Ob nun in seiner Grundform als Manga, oder aber als Anime und sogar in Form eines Kinofilms. Mit Lost Paradise bekommt Titelheld Kenshiro nun erstmals auch ein vollwertiges Videospiel im Rahmen der aktuellen Konsolengeneration präsentiert, welches seit Anfang Oktober exklusiv für die PlayStation 4 im Laden steht. Als gänzlich eigenständiges Abenteuer konzipiert, welches keinerlei Kenntnisse über die bisherigen Abenteuer voraussetzt, sollen Einsteiger ebenso angesprochen werden wie Profis. Aber auch Fans der Yakuza – Reihe werden sich hier sofort daheim fühlen – kein Wunder, entstammt das Spiel doch dem gleichen Team, welches sich auch für die letzten Abenteuer des Kazuma Kiryu verantwortlich zeigt. 

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Endzeit

Nach einem verheerenden Atomkrieg sind die Ozeane von einst kaum noch mehr als endlose Sandwüsten. Die Überlebenden haben sich inmitten der weiten Ödnis neue Heime geschaffen und geraten untereinander immer wieder in Konflikte um die letzten wertvollen Ressourcen der verwüsteten Erde. Hier begegnen wir auch Kenshiro, dem letzten Erben einer legendären Kampfkunst namens Hokotu Shinken, der auf der Suche nach seiner großen Liebe Yuria das Ödland durchstreift. Die wurde ihm einst von seinem ehemaligen Gefährten Shin geraubt, der es sich nun in seiner Festung gemütlich gemacht hat, bis Kenshiro zum finalen Showdown auftaucht.

Lost Paradise Featured Stare

Zwar kann dieser Shin besiegen, erfährt anschließend jedoch, dass Yuria längst nicht mehr vor Ort ist und wahrscheinlich längst das Zeitliche gesegnet hat. Unwillig, das einfach so zu akzeptieren, geht Kenshiro daraufhin jedem Hinweis nach, in der Hoffnung, Yuria doch noch lebendig in seine Arme schließen zu können oder zumindest Gewissheit über ihren Tod zu erlangen. Einer dieser Hinweise führt ihn in die Stadt Eden, in der es unbegrenzt Wasser und Elektrizität gibt und die folglich als Anlaufpunkt zahlreicher Gestalten dient, die inmitten der Ödnis ihr Glück machen wollen – auf diese oder jene Art und Weise.

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Zwischen zahlreichen Lokalitäten begegnet Kenshiro nicht nur den zahlreichen, teils skurrilen Einwohnern von Eden, sondern bekommt es zusätzlich mit einer Vielzahl feindlich gesinnter Elemente zu tun, denen der Fremde samt seiner Nachforschungen so gar nicht in den Kram passt. Und obwohl die Herzensdame tatsächlich vor Ort zu sein scheint, ist sie zumindest vorerst selbst für den erfahrenen Kampfkunstmeister unerreichbar. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass er nicht der einzige ist, der sich auf der Suche nach Yuria befindet…

Stadtgespräche

Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad benötigt man um die 20 Stunden, bis man das Ende der Hauptgeschichte erreicht hat. Dazwischen erwartet euch eine klasse erzählte Story, welche gelegentlich auch Bezug zum Manga nimmt und sich vor allem deren Charakteren bedient. Aber wie bereits erwähnt, Vorwissen ist nicht nötig, um Lost Paradise genießen zu können, selbst wenn man dadurch so manche Referenz ein wenig besser verstehen kann. Der frische erzählerische Ansatz funktioniert und mischt gekonnt alt und neu miteinander. Dabei erinnert das Setting durchaus an Spiele wie Mad Max oder RAGE und bietet eine entsprechend dystopische Welt, in die der Spieler nach Herzenslust eintauchen kann. Man merkt, dass hier die Yakuza – Macher am Werk waren, denn spielmechanisch ist Lost Paradise beinahe identisch dazu ausgefallen und bietet neben der Hauptgeschichte zahlreiche Nebenaktivitäten, denen sich Kenshiro mit stetigem Fortschritt mehr und mehr widmen darf. Neben der Verwaltung eines eigenen Nachtclubs kann man sich auch als Barkeeper oder Doktor verdingen, oder sich hinter dem Steuer seines Schlittens im Autorennen versuchen. Der dient auch als praktische Transportmöglichkeit durch die sandigen Weiten der postapokalyptischen Welt und lässt sich mit wenig Aufwand auch ordentlich aufmotzen (die nötigen Kleinteile vorausgesetzt). 

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An vielen Ecken warten zudem Missionsgeber, die euch mit weiteren Nebenaufgaben versorgen. Die bieten allerdings nie den absurden Witz der Yakuza – Reihe und zeigen sich wie die meisten Missionen im Spiel eher repetiv im Ablauf, sind aber trotzdem wert, erledigt zu werden. Nicht selten warten am Ende nützliche Belohnungen auf euch. Wer wirklich jeden Winkel im Spiel erkunden will und keine der optionalen Aufgaben auslässt, kann wenigstens nochmal satte 30 Stunden und mehr zur regulären Spielzeit draufrechnen. 

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Auch die Stadt Eden erinnert in ihrem Aufbau sehr an das fiktive Kamurocho der Kiryu – Saga. In Geschäften lassen sich Heilitems und Co. erwerben und natürlich lauert an fast jeder Ecke eine Ansammlung von Abschaum, denen man mithilfe des Hokotu Shinken kräftig einheizen kann. All das erreicht zwar zu keinem Zeitpunkt wirklich die Tiefe und Vielseitigkeit des großen Bruders, punktet aber trotzdem durch die insgesamt hohe Zugänglichkeit und lässt kein zentral wichtiges Element vermissen. Kurzum, wer Yakuza mag und sich mit dem Endzeitsetting von Lost Paradise anfreunden kann, wird sich hier sofort wunderbar zurecht finden. Und für Liebhaber von Fist of the North Star wird hier ohnehin eine der besten spielerischen Umsetzungen überhaupt geboten, die das Genre zwar nicht revolutioniert, dafür aber trotzdem sehr solide abliefert. 

Omae Wa Mou Shindeiru!

Nicht minder zugänglich ausgefallen ist das Kampfsystem, mit dessen Umsetzung die Qualität einer Fist of the North Star – Umsetzung letztlich steht oder fällt, dominiert das Hokotu Shinken doch jeden Aspekt der Handlung. Auch hier hat Yakuza seinen Eindruck hinterlassen, denn die Kämpfe gestalten sich kaum anders als dort. Zwar kann man hier nicht zwischen verschiedenen Kampfstilen wechseln, letzendlich ist das aber auch gar nicht nötig. Denn Kenshiros Technik ist derart mächtig und überlegen, dass die Unterhaltungskomponente hier wesentlich mehr im Vordergrund steht als die Taktik. Mit einfachen Tastenkombinationen erwehrt ihr euch den nahezu ausschließlich in großer Stückzahl auftretenden Feinden, gelegentlich streut ihr mächtige Abschlussmoves ein, die einfach nur herrlich überzeichnet dargestellt werden und die nicht selten dafür sorgen, dass die Gegner einfach in tausend Fetzen zerplatzen. Die herrlich übertriebene Gewaltdarstellung des Mangas hat man hier wunderbar eingefangen. 

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Wenn sich um euch herum ganze Herden von Gegnern in blutige Wolken auflösen, lässt einen das mit einem sehr befriedigenden Gefühl zurück, zumal die jeweiligen Moves auch optisch toll in Szene gesetzt worden sind. Dafür muss man allerdings Abstriche in Sachen Abwechslung hinnehmen. Die Gegner verhalten sich nicht sonderlich intelligent und unterscheiden sich auch optisch nur geringfügig voneinander. Lediglich im schweren Modus empfiehlt es sich, immer einen ordentlichen Vorrat an Heilmitteln im Gepäck zu haben, da die Feinde hier zwar nicht klüger agieren, dafür aber deutlich härter austeilen. Besonders die teils kniffligen Bosskämpfe sind hier nochmal ein ganzes Stück anspruchsvoller ausgefallen und erfordern wenigstens ein bisschen Planung und das Studieren der jeweiligen Angriffsschemata. Hier profitiert man besonders vom Einsatz der Burst – Fähigkeit, die sich unkompliziert aktivieren lässt, sobald ihr mit regulären Attacken genug Heat aufgebaut habt. Dem folgenden Kampfrausch ist spätestens dann kaum noch ein Gegner gewachsen.

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Gewonnene Kämpfe belohnen euch mit Erfahrungspunkten, mit denen sich im Rahmen der insgesamt vier Talentbäume Attribute wie Angriffskraft, Abwehr und Co. verbessern lassen können. Im weiteren Spielverlauf gelangt ihr zudem in den Besitz von etwas mehr als zwei Dutzend Amuletten, die alle besonders mächtige Fertigkeiten bieten. Insgesamt vier dieser Amulette lassen sich gleichzeitig anlegen, die jeweiligen Abklingzeiten sind aber derart lang ausgefallen, dass die meisten Kämpfe bereits längst entschieden sind, ehe man diese überhaupt zum Einsatz bringen kann. Wer sich also nicht anschickt, die Platin – Trophäe zu erlangen, kann darauf auch gut verzichten. Da sich die Kämpfe angenehm dynamisch und einsteigerfreundlich spielen, muss man glücklicherweise auch kein Genreprofi sein, um diese erfolgreich zu meistern. Wer es etwas anspruchsvoller mag, kann in den Optionen jederzeit die Kombohilfen abschalten. 

Comiclook mit kleinen Schwächen

Lost Paradise bietet optisch alle Vor- und Nachteile, die ein Spiel mit Cell Shading – Look für gewöhnlich verfügt. Die grundlegende Umsetzung passt sehr gut zur Vorlage und sorgt für den passenden Look. Dafür muss man aber auch auf übermäßig detaillierte Texturen verzichten, der Minimalismus steht wie immer im Vordergrund. Da man hier nicht auf die aktuell in Yakuza 6 erstmals zum Einsatz gebrachte Dragon Engine zugegriffen hat, sondern sich für deren Vorgängermodell entschlossen hat, wirkt das Geschehen zwar gelegentlich ein bisschen hinter dem aktuellen Zeitgeist zurück, dafür bietet Lost Paradise native 1080p bei flüssigen 60 FPS pro Sekunde – zumindest während des regulären Gameplays. Denn wie auch Yakuza schaltet Lost Paradise während der Zwischensequenzen in einen 30 FPS – Modus um, der dafür aber auch mehr Effekte mobilisiert und den Skriptsequenzen mehr visuellen Glanz verleiht. Der einzige daraus resultierende Nachteil besteht darin, dass man den Sprung von 60 zu 30 Bildern und umgekehrt deutlich spürt. Angesichts der hübschen Sequenzen kann damit aber durchaus leben. Denn auf der anderen Seite bricht das Geschehen selbst bei vollem Bildschirm nie ein. Zudem konnten wir im Test keinerlei Abstürze oder störende Bugs ausmachen – Lost Paradise spielt sich diesbezüglich wunderbar sauber. 

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Wie bereits erwähnt kommt das Spiel nicht ganz an die optische Vielseitigkeit eines Yakuza heran. Zwar hat Eden durchaus eigenen Charme, ist dafür aber auch wesentlich monotoner ausgefallen. Abseits der Stadt, in der sich ein Großteil der Handlung abspielt, gibt es abseits weitläufiger Wüstengebiete nur sehr wenig zu sehen und zu entdecken. Die harten Konturen der Charaktere sind zudem sehr anfällig für leichtes Flimmern, auch die Objekte im Hintergrund wie Gebäude und Co. flackern deutlich wahrnehmbar vor sich hin. All das bewegt sich aber noch auf erträglichem Level. Anders dagegen die häufigen Ladezeiten, welche besonders die Schnellreise zur Geduldsprobe werden lassen. Die PlayStation 4 PRO bietet hier übrigens keinen Vorteil zur regulären Standardmodellen.

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Yakuza – Veteranen, die das Spiel am liebsten auf Japanisch erleben, dürfen sich hier übrigens auf viele bekannte Stimmen freuen. Der englische Ton weiß ebenfalls zu überzeugen und klingt wunderbar animelastig und bewegt sich somit fast an der Grenze des Testosteronoverkills. Das passt hier wie die Faust auf´s Auge. Literally. Leider pendelt das Spiel immer wieder zwischen vertonten und nicht vertonten Dialogen hin und her. Die Nebenmissionen bestehen komplett aus Text, auch das kennt man aus älteren Yakuza – Ablegern noch sehr gut. Deutsche Sprachausgabe gibt es nicht, auch die Lokalisierung in Form von Untertiteln ist hierzulande ausschließlich auf Englisch verfügbar. Entsprechende Sprachkenntnisse werden also vorausgesetzt.  Der rockige Soundtrack untermalt das Spielgeschehen sehr angenehm. Hier gibt es nichts zu meckern. 

Fazit und Wertung

ava4„Man muss wirklich kein Fist of the North Star – Experte sein, um mit dem darauf basierenden Lost Paradise seinen Spaß zu haben. Dank einsteigerfreundlichem Neuansatz kommen auch Anfänger voll auf ihre Kosten. Dabei ist das Spiel kein einfacher Yakuza – Klon, obwohl dessen Einflüsse zu jedem Zeitpunkt überdeutlich spürbar sind, sondern besitzt durchaus eigenen Charme. Neben einer umfangreichen Hauptgeschichte warten zahlreiche Nebenmissionen und Aktivitäten auf den Spieler, zudem sind die Kämpfe unkompliziert, aber überaus effektvoll in Szene gesetzt und erfordern kaum Eingewöhnungszeit. Wer zugängliche Over the Top – Action in einem dystopischen Comicsetting samt passendem Look sucht, wird hier bestens bedient. Die Vielseitigkeit des großen Bruders oder gar große Neuerungen im Genre sucht man allerdings vergeblich.“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Fist of the North Star: Lost Paradise ist ein reiner Einzelspielertitel und verfügt weder über gegen Echtgeld erwerbliche spielerische Vorteile, noch über störende Lootbox – Mechaniken. Eine Abwertung findet dementsprechend nicht statt. 

PRO: 

+ Gut erzählte Geschichte mit zahlreichen inszenatorischen Highlights…
+ …die zudem dank alternativem Storyansatz sehr einsteigerfreundlich ausgefallen ist
+ Insgesamt hübsche Cell Shading – Optik, die gut zur Vorlage passt
+ Brachiale, herrlich überzogene Kämpfe
+ Epische Finisher
+ Coole Bossfights

+ Zugängliches Kampfsystem mit optional zuschaltbaren Hilfen
+ Hervorragende japanische und englische Sprecher
+ Extrem solider Gesamtumfang
+ Übersichtliche Skilltrees

+ Stabile 60 Frames außerhalb der Zwischensequenzen 
+ Zahlreiche unterhaltsame Nebenaktivitäten
+ Saubere (englische) Untertitel
+ Passender Soundtrack, der das Geschehen jederzeit prima untermalt
+ Drei gut ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
+ Intuitive Bedienung

CONTRA:

– Inhaltlich eher Yakuza Light…
– …welches spielmechanisch kaum neue Ideen zum Bekannten hinzufügt

– Oftmals sehr repetiver Quest- und Kampfverlauf
– Aufgrund viel zu langer Cooldowns kaum brauchbare Amulettfertigkeiten
– Abseits von Eden gibt es nur wenig zu entdecken
– Geringe Schauplatzvielfalt

– Gegner unterscheiden sich nur optisch minimal voneinander…
– …und haben hauptsächlich Kanonenfuttercharakter
– Kantenflimmern und flackendere Hintergrundelemente
– Permanenter Wechsel zwischen vertonten und nicht vertonten Dialogen

– Begrenzte Inventarplätze
– Kaum nutzbringende, nur wenig gewichtige Crafting – Komponente
– Häufiges Nachladen
– Keine deutschen Untertitel

                                                   GESAMTWERTUNG:     73%

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