Die Rezension
Was Regisseur Lynch hier abgeliefert hat, ist an der Oberfläche nur mit Adjektiven wie verstörend, vielschichtig, schockierend und surreal zu bezeichnen. Darunter befindet sich jedoch ein vielseitig interpretierbares Werk, welches bis heute Gegenstand zahlreicher Studien ist. Bei seiner Premiere von den Kritikern als geschmacklose Erfahrung abgelehnt, gehört Eraserhead in der Moderne zu den wichtigsten Vertretern des filmisch inszenierten surrealen Minimalismus, dem man sich nicht ohne weiteres annehmen sollte. Man weiß nämlich nie so recht, was Wirklichkeit ist und was lediglich Fantasie. Welche Bedeutung hat der geheimnisvolle Mann an den Hebeln? Welche Symbolik haftet dem missgestalteten Kind an?
Was man mit Gewissheit weiß ist, dass die industrielle Gegend um Henry Spencer die eigenen Lebensumstände eines jungen David Lynch wiederspiegelt, der selbst in ähnlicher Umgebung aufgewachsen ist. Die wohl ggrößte Herausforderung aber liegt in der Interpretation des Henry selbst. Sexuell verunsichert, einsam, naiv und völlig überfordert mit allem um sich herum, am meisten aber mit sich selbst, ist die Figur heute ebenso kaum zu erfassen wie das eigentliche Genre des Films. Denn „Eraserhead“ ist vieles. Ein bisschen Horror, ein bisschen Science-Fiction, aber ganz Kunst, die einen depressiv, nachdenklich und unruhig im Sessel zurücklässt. Eben ganz und gar David Lynch. Und trotz seiner schwierigen Zugänglichkeit eine wichtige Inspirationsquelle für Regisseure wie beispielsweise Stanley Kubrick. Als Teil eines Kinoabends denkbar ungeeignet, ist „Eraserhead“ als wichtiger Beitrag zur Filmgeschichte aber einen Blick für alle wert, die sich entweder bewusst mit den subtilen Motiven des Films auseinandersetzen und diese für sich selbst interpretieren möchten, oder die nach einem guten Weg suchen, jede Form von Frohsinn wenigstens für 90 Minuten im Keim zu ersticken.
Die Blu-Ray
Ich habe ja bereits im Vorwort angekündigt, dass die Besprechung dieser Veröffentlichung zu den bisher schwierigsten überhaupt gehört. Das liegt nicht nur am Inhalt des Films, sondern auch an der Technik der neuen Blu-Ray, der eine nicht minder schwere Ausgangssituation zugrunde liegt als der Entstehung des Films. Aufgrund des selbst für die Siebziger extrem geringen Produktionsbudgets entstand der Film nicht nur in Schwarz-Weiß, sondern wurde vor allem hauptsächlich auf Filmresten zahlreicher Quellen gedreht. Das Ergebnis ist in seiner Originalform ein dunkler, dunkler Film, der oft nur das allernötigste erkennen lässt. Um dem ein wenig entgegensteuern zu können, hat man bei vielen bisher erhältlichen Veröffentlichung weltweit stark an der Helligkeitsschraube gedreht, mit dem lästigen Nebeneffekt, dass sich sämtliche Schwarztöne in ein milchiges Grau verwandelten. Die Neuabtastung vom Originalnegativ leidet unter dieser Problematik nicht, erfordert aber ein hervorragend kalibriertes, hochwertiges Ausgabegerät, um den Film so wiederzugeben, wie es eben sein sollte. Die Vorteile liegen aber klar auf der Hand, denn das wesentlich dunklere, von vielen Schmutzpartikeln und Co. bereinigte Bild kaschiert so auch viele ungewollte Produktionsfehler, darunter beispielsweise unsaubere Übergänge zwischen den Matte Paintings im Background und den agierenden Charakteren im Vordergrund. Im Rahmen der Produktionsgeschichte (und nur in diesem Rahmen bewertbar!) stellt die neue Veröffentlichung aber die bisher beste dar und verdient klar den Vorzug gegenüber jeder alten DVD oder Blu-Ray.
Viel gesprochen wird im Film übrigens nicht. Wahrscheinlich hat man sich auch deswegen nie dazu durchringen können, dem Film eine Deutsche Synchronisation zu spendieren. Stattdessen lebt der Film von seiner eindringlichen musikalischen Untermalung, für deren Komposition David Lynch ebenfalls höchstpersönlich verantwortlich ist. Und die ist von so universeller Art, dass sie überall auf der Welt verstanden werden kann. Selbst mit sehr geringen Englischkenntnissen braucht man sich also nicht davor fürchten, „Eraserhead“ ausschließlich mit Originaltonspur präsentiert zu bekommen. Und die klingt dank ihrer Aufbereitung auch besser und klarer als je zuvor, wenngleich man hier aber ebenfalls keinen Vergleich zu anderen Titeln ziehen darf. Statt das vorhandene Material unnötig zu einer DTS – Spur aufzublasen, belässt man es hier beim einfachen, aber stilistisch durchaus zum Rest passenden Stereoton. Wer auf Extras steht, wird mit dieser Veröffentlichung übrigens nicht enttäuscht. Zwar hat es lediglich ein Feature auf die Disc geschafft, dieses ist mit 86 Minuten Laufzeit aber fast so umfangreich ausgefallen wie der Film selbst und stellt eine beeindruckende Retrospektive zum Film dar. Leider aber nur in SD, schließlich ist besagte Dokumentation 2001 entstanden und damit weit vor den ersten HD – Umsetzungen.
„Wow. Ich glaube, seit ich betrunken zehn Folgen Glücksbärchis geguckt habe, habe ich nicht mehr so einen Brainfuck erlebt. David Lynch´s Kultklassiker bietet einen auf so vielen Leveln verstörenden und gleichzeitig doch stets faszinierenden Blick in die Gedankenwelt eines komplizierten Filmkünstlers, dass einen diese Erfahrung auch Tage danach noch verfolgt. Mit billigsten Mitteln gelang es, eine wegweisende künstlerische Erfahrung zu erschaffen, die einem aufstrebenden Regisseur nicht nur eine bedeutsame Karriere in Hollywood ermöglichen sollte, sondern Fans anspruchsvoller Filmerfahrungen auch einen kleinen Magnus Opum bescherte. Die neue Blu-Ray holt dabei aus dem bescheidenen Ausgangsmaterial alles heraus, was möglich ist. Das Ergebnis ist selbst für einen Schwarz-Weiß – Film nicht schön, konserviert dabei aber trotzdem eine lange, schwierige Geschichte zum Entstehungsprozess eines der seltsamsten und doch eindrucksvollsten Filme, mit denen ich es je zu tun hatte.“
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