Willy Morgan and the Curse of Bone Town – „Guybrush lässt grüßen“

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                                                        Getestet und verfasst von General M 

main art willy with logo mediumDie Neunziger Jahre gelten als die absolute Glanzzeit klassischer Point and Click – Adventures. Ob Indiana Jones and the Fate of Atlantis, Day of the Tentacle oder natürlich Monkey Island: Denkt man an die besten Adventures aller Zeiten, denkt man auch automatisch an LucasArts. Leider existiert die Erfolgsschmiede schon längst nicht mehr, und weil der neue Mutterkonzern Disney nichts anderes mehr im Sinn zu haben scheint als Marvel und Star Wars, steht es um würdige Fortsetzungen der legendären Reihen mittlerweile ziemlich schlecht. Nun will das kleine Studio Imaginarylab aus Italien zeigen, dass die glorreichen Zeiten des Genres noch nicht zuende sind. Der Kandidat: Willy Morgan and the Curse of Bone Town

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Á la Karte

Zehn Jahre nach dem Verschwinden seines Vaters staunt der junge Entdeckerspross Willy Morgan nicht schlecht, als plötzlich ein Brief von Papa persönlich in der Post landet. Die geheimnisvolle Anweisung: „Gehe so schnell du kannst ins Gasthaus von Bone Town, Zimmer 09. Aber vertraue niemandem!“ Gesagt, getan. Immerhin liegt das alte, in der Zeit stehengebliebene Piratennest nur wenige Kilometer entfernt. Tatsächlich gelingt es dem unscheinbaren Bücherwurm, sich mit einigen Tricks Zugang zum besagten Raum zu verschaffen. Schnell wird klar, dass Willy´s Vater nicht nur einem legendären Seeräuberschatz auf der Spur gewesen ist, sondern sich dabei auch einigen Ärger mit einer unbekannten Verbrecherorganisation eingeheimst hat. Im Verlauf der mit leider gerade mal fünf Stunden extrem knapp bemessenen Spieldauer jagen wir verschwundenen Kartenteilen nach, lösen allerlei Rätsel und bestaunen eine Vielzahl von Regenrinnen. 

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Dabei wird schnell klar, welche Inspiration Willy Morgan and the Curse of Bone Town zugrunde liegt. Verweise an die Klassiker von LucasArts findet man quasi an jeder Ecke. Locations wie die lokale Bücherei wirken sicher nicht ganz zufällig wie ein fast identisches Abbild der Schmökerstube aus Monkey Island 2: Le Chuck´s Revenge. Selbst eine Vielzahl der Achievements nehmen direkten Bezug auf die ganz Großen. Bei den zahlreichen Tributen hat das Spiel aber immer wieder Schwierigkeiten, ein Gefühl von Eigenständigkeit zu entwickeln. Und letztendlich wundert man sich nicht selten darüber, wie ein Fünfzehnjähriger so ganz ohne Mühen in einem Gasthaus einchecken und sich im lokalen Waffenladen austoben kann. Kann man all diese Ungereimtheiten jedoch verdrängen, erwartet einen ein angenehm klassisches Spielgefühl wie in den guten alten Zeiten, dem es jedoch vor allem inhaltlich nie so recht gelingen will, adäquat an seine wesentlich umfangreicheren und kreativeren Vorbilder anzuknüpfen, an die das Spiel auch über zwei Jahrzehnte später qualitativ nie herangelangt. Dafür mangelt es zu sehr an eigenen Ideen. Willy Morgan ist, so sehr er sich auch müht, weder ein Guybrush Threepwood, noch ein Indiana Jones, ja nicht einmal ein Hoagie. 

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Gerade erfahrene Knobler werden kaum Mühe haben, sich durch die zahlreichen Rätsel zu arbeiten, was auch darunter daran liegt, dass der Lösungsweg meistens sehr offensichtlich ist. Wer die Umgebung gründlich absucht und sich durch sämtliche verfügbaren Dialoge mit den Einheimischen klickt, hat mit ziemlicher Gewissheit nicht mit Hürden zu kämpfen. Weiter vereinfacht wird dieser Umstand dadurch, dass sich bestimmte Gebiete erst dann betreten lassen, wenn es für die Handlung wirklich notwendig ist. So kann man sich in Bone Town fast gar nicht verirren. Schade ist, dass sich die auftretenden Akteure, so klischeehaft sie manchmal auch sein mögen, auf ein absolutes Minimum beschränken. Auf den Straßen der mit viel Liebe zum Detail erschaffenen Piratenstadt herrscht komplett tote Hose, während in den Gebäuden selbst nie mehr als ein magerer NPC auf Interaktion wartet. Willy Morgan and the Curse of Bone Town agiert nach dem Motto: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“ und lässt dadurch viel Potenzial auf der Strecke. Allem voran mangelt es einfach an einer eigenen Identität. 

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Trotzdem werden Nostalgiker und Kenner der geistigen Vorbilder ihren Spaß mit dem Abenteuer haben. Alle übrigens Genrefans dürfen sich ebenfalls auf einen kurzweiligen Schatzsuchertrip freuen, der trotz aller aufgezählten Schwächen inhaltlich nie konstruiert wirkt, das Rad aber eben auch nicht neu erfindet. Für knapp zwanzig Euro bekommt man zudem gute englische Sprecher samt sauber lokalisierter Untertitel serviert, auch der Humor kommt nicht zu kurz. Alles in allem muss man aber sagen, dass man mit den Originalen immer noch besser fährt. Wirklich bereut habe ich den Ausflug nach Bone Town aber zu keinem Zeitpunkt. 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Willy Morgan and the Curse of Bone Town ist ein traditionelles, von den Kultklassikern der Neunziger inspiriertes Adventure geworden, welches bei allem gezollten Tribut an Monkey Island und Co. aber Mühe hat, eigene Wege zu beschreiten. Es mangelt einfach an erinnerungswürdigen Charakteren á la Haggis McMutton, Murray und Co., auch die Rätsel könnten fordernder sein. Optisch überzeugt der Titel da schon mehr. Nur ist das einfach nicht genug, um die gewaltigen Fußstapfen der legendären Vorbilder ausfüllen zu können. Dennoch, die gerade mal zwanzig Euro Verkaufspreis sind nicht schlecht investiert, denn wer wie die Macher eine solche Liebe zu guten, alten Spielen beweist, verdient locker eine zweite Chance. Ich persönlich hoffe jedenfalls, dass dies nicht das letzte Adventure ist, dass seinen Weg aus Italien in den Rest der Welt findet. Dann aber bitte mit mehr eigenen Ideen!“ 

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PRO:

+ Liebevoll in Szene gesetzte Spielumgebungen
+ Zahlreiche Querverweise auf klassische LucasArts-Titel
+ Viele gelungene Gags
+ Gute englische Sprecher
+ Sauber lokalisierte Untertitel
+ Passender Soundtrack
+ Jederzeit zuschaltbare Interaktionshilfen
+ Zugängliche, angenehm traditionelle Mausbedienung

CONTRA:

– Nur sehr wenige eigene Ideen
– Arg kurz bemessene Spielzeit
– Immer wieder Logiklöcher

– Uninteressanter Protagonist…
– …und kaum erinnerungswürdige Nebenfiguren

– Bone Town könnte bevölkerter sein…
– …und öffnet sich erst nach und nach dem Spieler

– Spielerisch nie wirklich fordernd

                                              GESAMTWERTUNG:     6.0/10

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