UFC 4 – „Weniger und mehr“

UFC 4 Standard Edition

                                                      Getestet und verfasst von General M 

816Ok8eSkQL. SL1500 Obgleich manche von euch gegenwärtig wohl immer noch bei Höchsttemperaturen schwitzen, neigt sich der Sommer allmählich seinem kalendarischen Ende zu. Das merkt man nicht nur an den immer häufiger auftretenden Regenschauern und Gewittern, sondern auch beim Blick in die Händlerregale. Mehr und mehr machen sich dort die neuen Ableger bekannter Sportspiele breit und locken wie immer mit kleinen Veränderungen zum großen Preis. Eine Ausnahme bildet EA Sport´s UFC-Reihe, die lediglich alle zwei Jahre auf ein neues Level gehievt wird. Ob die verantwortlichen Entwickler das Extra an Zeit gut genutzt haben, oder ob die Serie mit UFC 4 ebenso stagniert wie das übliche Portfolio? Zeit für einen Besuch im Octagon! 

         Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der PlayStation 4 PRO aufgenommen.

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Wie Legenden entstehen

Kernstück von UFC 4 stellt auch in diesem Jahr erneut der Karrieremodus dar, in welchem ihr euren ganz persönlichen Fighter an die Spitze der Liga führt. Den könnt ihr euch wahlweise im Editor nach ganz persönlichen visuellen Vorlieben zusammenbasteln, oder aber mit einer der vorgegebenen Modelle ohne große Verschnaufpausen durchstarten. Wer hier aber eine Story á la Journey erwartet, wird enttäuscht. Im Mittelpunkt steht ausschließlich der Wettkampf und die Vorbereitung darauf. Zwar könnt ihr euch via Social Media gelegentlich mal einen Schlagabtausch mit anderen Fightern liefern, richtige Rivalitäten aufbauen kann man damit aber nicht. Stattdessen regeln Freund- und Feindschaften lediglich den Preis für das Erlernen der Fertigkeiten anderer Kämpfer. Hier hätte man definitiv mehr machen können. Sobald ihr euch für einen Gegner entschieden und ein Datum für den Kampf festgelegt habt, geht es ans Training. Wie ihr euren Charakter formt, bzw. spezialisiert, ist dabei ganz euch überlassen. Allerdings steht euch nur eine begrenzte Zahl von Trainingseinheiten zur Verfügung, die man entsprechend der Stärken und Schwächen des kommenden Kontrahenten möglichst optimal nutzen sollte. 

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Dabei eignet sich der Karrieremodus in diesem Jahr besonders für Einsteiger, denn die ersten Stunden fungieren mehr oder weniger als Tutorial, in welchem ihr umfangreich von einem Coach begleitet werdet. Die grundlegende Lernkurve ist dabei sehr angenehm geraten und nimmt sich viel Zeit zum Vermitteln sämtlicher essentieller Spielmechaniken. Lediglich beim Balancing der verfügbaren Grundschwierigkeitsgrade haben es die Entwickler ein wenig übertrieben. Während der leichte Modus nur ganz selten sowas wie eine Herausforderung bietet, entpuppt sich UFC 4 bereits eine Stufe höher als stellenweise überzogen knackige Challenge, die sich schon nicht mehr für Anfänger eignet. Als solcher hat man dementsprechend lediglich die Wahl zwischen fast durchgehend effektivem Tastenhämmern oder frustanfälligen Gefechten. Zwar kann man verlorene Fights problemlos neu starten, aber zehn Mal den gleichen Kampf verlieren, weil das Balancing nicht mitspielt, macht die Sache natürlich auch nicht viel besser. Das gilt natürlich auch für sämtliche Partien abseits der Karriere.

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Alles in allem erwartet euch mit dem Karrieremodus aber auch ohne treibende Geschichte eine gelungene Komponente, die sich große Mühe gibt, eine waschechte Karriere im Octagon mit allen dazugehörenden Risiken im Zeitraffer zu simulieren. Kassiert ihr nämlich während eines Kampfes zu viel Prügel und zieht euch dadurch eine Verletzung zu, wirkt sich das auch auf die Trainingsfertigkeiten eures Charakters aus. Andererseits kann ein Kämpfer nur ein gewisses Maß an Verletzungen aushalten, ehe die Karriere im schlimmsten Fall zu einem vorläufigen Ende findet. Jeweils fünf Leistungsstufen sind pro Attribut maximal möglich, die sich aber nicht ausschließlich über einfaches Training, sondern auch durch die regelmäßige Anwendung selbst stetig verbessert werden. UFC 4 unterstützt damit einerseits euren bevorzugten Spielstil, lässt euch aber nach gewonnen Kämpfen noch ein paar Erfahrungspunkte in sonst selten genutzte Bereiche investieren. So lässt sich mit der Zeit entweder ein hochspezialisierter Kämpfer heranzüchten, oder aber mindestens ein brauchbarer Allrounder. Weil das alleine für mehr dringend benötigte Tiefe sorgt, bekommt man im Rahmen der Reihe hier den bisher besten Karrieremodus geboten – trotz komplett fehlender Story und dazugehörigen Charakteren.

Satte Auswahl

UFC 4 liefert leider nicht das umfangreiche Roster seines Vorgängers, bleibt aber dennoch ein Behemoth in Sachen Auswahl. Stolze 232 Kämpfer enthält das Spiel, nur 20 davon sind Neuzugänge, während 58 ersatzlos aus dem Spiel geflogen sind. Und das ist definitiv ein herber Einschnitt. Was bleibt, ist immer noch ein überaus prominenter Kader, dem man schnell ansieht, dass nicht alle die bleiben durften auch eine visuelle Überarbeitung erfahren haben. Vergleicht man nämlich beispielsweise den im letzten Ableger ohnehin schon nicht gerade gelungen umgesetzten Conor McGregor mit der Version von 2020, merkt man schnell, dass man es hier immer noch mit dem exakt gleichen Charaktermodell zu tun hat, während die meisten Einzüge ebenfalls einfach kopiert worden sind. Neuzugänge wie Alexander Volkanovski oder Weili Zhang wirken durch die Bank grafisch deutlich attraktiver. Generell agiert UFC 4 etwas zu sehr auf dem visuellen Niveau seines zwei Jahre alten Vorgängers. Abseits einer Handvoll neuer Animationen und etwas sauberer Übergänge hat sich im Grunde nichts geändert. Für einen im Sportsbereich relativ großzügig bemessenen Entwicklungszeitraum ist das einfach viel zu wenig. Was bleibt, sieht dank Frostbite Engine immer noch gut aus, haut aber niemanden mehr wirklich vom Hocker. 

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Selbst bei den Modi hat sich nicht allzu viel getan. Die größte Überraschung in diesem Jahr ist der Wegfall des für den Publisher üblicherweise extrem gewinnträchtigen Ultimate Team Modus. Warum man genau darauf verzichtet hat, ist nicht wirklich ersichtlich. Allerdings vermute ich, dass anders als bei erfolgreichen Echtgeldgräbern wie FIFA und Co. hier aufgrund der wesentlich kleineren Zielgruppe wahrscheinlich nicht genug Profit mit der Komponente erzielt werden konnte, um eine Weiterführung lohnenswert zu machen. Der Wertung tut das in jedem Fall gut, denn dadurch ist UFC 4 seit Jahren der erste Titel aus der Sportsreihe von Electronic Arts, dem wir deswegen nicht mindestens fünf Punkte für Pay-2-Win abziehen müssen. Mikrotransaktionen gibt es aber dennoch, nämlich für kosmetische Inhalte. Die sind nicht nur gnadenlos überteuert, sondern aufgrund der Tatsache, dass man alles auch über regulären Gameplay freischalten kann, völlig überflüssig. Geblieben ist dafür der unterhaltsame Arenamodus, der das Spiel prompt in einen Mix aus TEKKEN und Bloodsport verwandelt, inklusive Healthbars und allem, was sonst noch dazugehört. Im sauber umgesetzten Mehrspielermodus dürft ihr euch abermals mit Spielern aus aller Welt messen und euch auf Wunsch auf den Ranglisten nach oben arbeiten, während ihr Offline eigene Turniere erstellt oder einfach schnelle Partien zwischendurch absolviert. Nicht uninteressant wäre es, für den nächsten Ableger auch mal in die Rolle eines Managers zu schlüpfen. Aber was letztendlich geboten wird, sollte einen trotzdem für viele Stunden ausreichend beschäftigen. 

Was ist neu?

Wer Jahr für Jahr wieder siebzig Tacken für ein FIFA auf den Tisch legt und sich am Ende doch wieder beschwert, dass sich viel zu wenig getan hat, könnte mit UFC 4 ein ähnliches Happening erleben. Der ganz große Wurf, bzw. ein massiver Overhaul aller bekannten spielerischen Mechaniken bleibt auch in diesem Jahr aus. Was sich abseits der kleineren (aber wohl willkommenen) Verbesserungen in der Karriere noch am ehesten als Schritt nach vorne wahrnehmen lässt, ist das überarbeitete Grappling. Transitions sind nun viel einfacher und intuitiver ausführbar, was Einsteigern abermals unter die Arme greift…und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Eine einfache Bewegung des Sticks in die gewünschte Richtung genügt. Wirklich geschmeidig sind viele der Übergänge im Clinch aber immer noch nicht. Das will den Machern in der virtuellen Umsetzung auch weiterhin nicht so ganz gelingen. Dafür gehen Kombinationen aus Schlägen und Griffen nun sauberer ineinander über, gleichzeitig kann jetzt endlich auch aus der Bewegung heraus attackiert werden, was für noch nahtlosere Kämpfe sorgt. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, der aber immer noch viele Wünsche offenlässt.

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Die große Baustelle bleibt der Kampf am Boden. Gelegentliche Animationsaussetzer und mangelnder Input über den gegenwärtig dort stattfindenen Schlagabtausch haben schon den Vorgänger geplagt, dazu gesellen sich nun allerdings auch noch Probleme bei der Übersicht. Je nachdem, wo man sich im Octagon im Gegner verharkt (oder der Gegner in uns), ärgert die Kamera einen immer mal wieder gerne mit absoluter Orientierungslosigkeit. Und weil sich die Bedienung dann auch noch an diesen Perspektiven orientiert, muss man trotz anders angezeigter Hinweise plötzlich spiegelverkehrt denken und dann auch die entgegengesetzte Taste drücken. Das geht gar nicht. Das überarbeitete HUD ist an sich sehr gelungen, überschneidet sich farblich aber immer wieder mit dem Bodenbelag des Octagons, weshalb manche Eingabeaufforderung nur schwer, manchmal aber sogar gar nicht sichtbar sind. Optionen zur farblichen Anpassung sucht man leider vergeblich. Und selbst das klassische Ground and Pound will immer noch keine echte Wucht vermitteln. Way to go, EA Canada! 

Auf der Suche nach der Atmosphäre

Das volle Lizenzpaket eines Unternehmens zu besitzen ist nicht nur werbewirksam, sondern für viele Fans auch Grundvoraussetzung für ein Maximum an Authentizität. Man erwartet nicht nur bekannte Gesichter, sondern auch eine dazu passende Umgebung. Darin besteht ja gerade der Reiz eines Videospiels, in bekanntem Setting umzusetzen, was man so in der realen Programmierung (noch) nicht geboten bekommt. Auch in diesem Aspekt hat UFC 4 großen Nachholbedarf. Gerade einmal drei Ringrichter und mehr als lasch in Szene gesetzte Breaks tun ihren Teil dazu, dass man nie so richtig das Gefühl hat, Teil einer möglichst realitätsnahen Umsetzung echter Fights zu sein. Gleiches gilt für die eigentlichen Events, von denen sich einer wie der andere anfühlt. In einem waschechten PPV´s zu partizipieren, möglicherweise sogar im Hauptkampf anzutreten, mit allem Drum und Dran, dieses Gefühl bleibt einem UFC 4 leider komplett schuldig. 

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Dieses Jahr hat es außerdem einen Wechsel bei den Kommentatoren gegeben. Weil Joe Rogan keine Lust auf einen Besuch in der Aufnahmekabine hatte (was wirklich ein ziemlicher Dick Move ist), übernimmt nun kurzerhand Daniel Cormier zusammen mit Urgestein Jon Avnik das Kommentieren der Matches. Die grundlegende Harmonie stimmt zwar, allerdings passt das gesprochene Wort öfter mal nicht zum tatsächlichen Geschehen im Octagon oder wiederholt sich schlicht zu häufig. Ein Problem, an dem gegenwärtig gefühlt jeder Sportstitel zu knabbern hat. Scheint wohl schwierig umsetzbar zu sein, beraubt dem Spiel aber zusätzlich ordentlich an Atmosphäre. Diesbezüglich, ganz gleich wohin man auch blickt, ist UFC 4 leider nichts halbes und auch nichts ganzes, sondern scheitert vielerorts bereits an simplen Basics. Spaß macht das Gekloppe aber immer noch. Nur dass man diese zahlreichen Kinderkrankheiten einfach nicht in den Griff kriegt und auch die Lizenz atmosphärisch nicht optimal auszunutzen weiß, ärgert mich besonders nach den zwei Jahren Entwicklungszeit umso mehr. 

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Besitzer einer erweiterten Konsole können in diesem Jahr zwischen einem Performance- sowie einem Grafikmodus wählen. Weil bei so einem Spiel Timing vor Optik geht, empfehlen wir den Fokus auf möglichst geschmeidige Bildraten, zumal UFC 4 auch im Grafikmodus absolut keine Schönheit mehr ist und dies durch die höhere Auflösung nur noch deutlicher gemacht wird. Auf den regulären Konsolen bekommt man dagegen dasselbe Erlebnis des Vorgängers geboten. Die gute Nachricht, zumindest für Besitzer einer XBOX One ist, dass das Spiel voll abwärtskompatibel zur kommenden Series X ist, während es bei der PlayStation 4 zumindest keinerlei gedruckte Hinweise auf ein ähnliches Feature für die PlayStation 5 gibt. Hier kann man wohl nur abwarten. Gegenwärtig leiden sämtliche Versionen auf allen Plattformen unter gelegentlichen Einbrüchen bei bestimmten Kamerawechseln, abseits davon gibt´s aber nichts zu meckern. Ein gelungener, allerdings sehr raplastiger Soundtrack, aufgeräumte Menüs und eine gelungene Bedienung über beide Controller sollten ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stelle ich mir die Frage, was die Entwickler in den zwei Jahren seit dem Vorgänger mit der vielen Zeit angestellt haben. Zwar liefert UFC 4 mehr simulativen Tiefgang in der Karriere, verzichtet dafür aber komplett auf narrative Elemente oder gar eine richtige Story. Einsteiger freuen sich über den einfacheren Zugang zum Gameplay, Veteranen dagegen verzweifeln am unausgegorenen Balancing der Schwierigkeitsgrade. Das Roster ist immer noch extrem umfangreich, aber dennoch ein ordentliches Stück kleiner als jenes in UFC 3. Visuell hat sich viel zu wenig getan, vieles wurde einfach via Copy and Paste in das Sequel eingefügt. Und für den gestrichenen Ultimate Team Modus gibt es keinerlei Ersatz. Obwohl die Fights immer noch eine Menge Spaß machen und teilweise flüssiger vonstatten gehen als je zuvor, vermisst man die passende Atmosphäre drumherum. Richtige UFC-Stimmung kommt einfach nicht auf. Es bleibt abzuwarten, ob das im fünften Anlauf besser werden wird. So jedoch ist UFC 4 leider nicht viel mehr als ein viel zu inkonsequentes Update zum Vollpreis.“ 

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PRO:

+ Trotz Einbußen immer noch extrem umfangreiches Roster
+ Einsteigerfreundlicher Karrieremodus mit mehr Tiefgang
+ Gelungene, realitätsnahe umgesetzte Trainingskomponente
+ Verletzungen haben Auswirkungen auf Effektivität und Karrieredauer
+ Bevorzugter Spielstil wird aktiv belohnt
+ Insgesamt weiterhin sehr komplexes wie intuitives Gameplay…
+ …mit guten Verbesserungen bei Transitions und Fluidität
+ Guter Charaktereditor
+ Facettenreiche Modi, die für jeden Geschmack etwas bieten
+ Sauber funktionierende Mehrspielerkomponente
+ Im Kern gut agierende Kommentatoren (Aber…!)
+ Passender Soundtrack
+ Gute, intuitive Bedienung

CONTRA:

– Visuell nicht mehr auf der Höhe der Zeit
– Viel Copy and Paste bei Einzügen und Bewegungen
– Lizenzpaket wird vor allem atmosphärisch nicht gut genug ausgenutzt…
– …echtes UFC-Feeling kommt fast nie auf
– Ultimate Team ersatzlos gestrichen
– Viele Kämpfer des Vorgängers fehlen
– Auf einfacher Schwierigkeit zu leicht, auf normaler Schwierigkeit bereits zu schwer
– Nervige Kameraaussetzer haben negativen Einfluss auf das Spielgeschehen
– Kommentatoren wiederholen sich zu oft und analysieren häufig falsch
– Interface versumpft farblich bedingt oft in der Spielumgebung
– Bodenkämpfe bleiben eine große Baustelle mit viel Verbesserungsbedarf
– Gelegentlich auftretende Animationsprobleme

                                               GESAMTWERTUNG:    7.4/10

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