Two Point Hospital™ – „Schwester! Zange! Schlüpfer!“

                                                  Getestet und verfasst von General M 

                                   Ab sofort exklusiv für PC via Digital Download erhältlich

packshot 6a5d686cd7114f5cb5c1b8eeb8160ec2Wir schreiben die Neunziger. Wild ging es zu auf dem Spielemarkt, der sich dank immer besserer Hardwarekapazitäten und kreativen Entwicklern so rasend schnell entwickelte, dass die hiesigen Behörden mit dem Indizieren gar nicht mehr nachgekommen sind. Denn wie wir ja alle wissen ist alles Neue potenziell gefährlich. Doch es gab aus Ausnahmen, denn das Jahrzehnt war nicht nur geprägt von DOOM und Co., sondern auch von zahlreichen Aufbausimulationen. Während Maxis (ehe es von Electronic Arts kaputtgemacht wurde) mit SimCity und Co. die Kontrolle über ganze Städte ermöglichte, kümmerten sich die Leute von Bullfrog (ehe sie von Electronic Arts kaputtgemacht wurden) um eher spezifische Themen. Mit Theme Hospital entstand einer DER Klassiker des Genres, erschaffen und produziert von Mark Webley und designt Gary Carr. Und eben diese haben unter ihrem neuen Namen Two Point Studios nun abgeliefert, worauf Fans sehnlichst gewartet haben – Two Point Hospital stellt den geistigen Nachfolger von Theme Hospital dar und will mit ordentlich nostalgischem Charme und moderner Grafik überzeugen. Gelingt dieses Vorhaben, oder wartet hier bereits der Exitus an der Rezeption?

Alltagsbeschwerden

Wer kennt das nicht? Eines Morgens wird man wach und stellt fest, dass irgendetwas nicht stimmt. Ob nun unauffällige Leiden wie WC – Warzen oder gar komplexere Probleme wie die Tatsache, dass sich statt dem Kopf plötzlich eine gewaltige Glühbirne auf den Schultern wiederfindet. So oder so, der Gang zum Arzt ist unausweichlich. Ein Job für das Two Point Hospital! Hier wartet fachkundige Beratung und im besten Fall auch eine erfolgreiche Behandlung. Klar, gelegentlich gibt es Tote, die dann als Geister die anderen Patienten terrorisieren, aber das gehört wohl zum Klinikalltag dazu. Als Baumeister und oberster Verwalter mehrerer Krankenhäuser kann unser Anliegen daher in drei einfachen Zielen zusammengefasst werden. 1. Dafür zu sorgen, dass die Patienten unsere Hallen gesund und lebendig verlassen. 2. Sowohl Patienten als auch Personal mit einem Höchstmaß an Zufriedenheit zu versehen. 3. Möglichst viel Kohle scheffeln und unser Haus gleichermaßen bekannt wie beliebt zu machen.
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Um den zahlreichen Wehwehchen Herr zu werden, braucht es daher nicht nur jede Menge spezifischer Therapiemöglichkeiten, sondern auch entsprechend kompetentes Personal. Denn ein Krankenhaus ist immer nur so gut wie seine Mitarbeiter. Und die lassen sich je nach Qualifikation fürstlich für ihre Dienste entlohnen. Klar, man kann natürlich auf Onkel Dagobert machen und nur die billigsten Kräfte einstellen. Das könnte am Monatsende für ein deutliches Plus in den Geschäftsbilanzen sorgen. König Knauser sollte aber gewarnt sein, denn wer zu sehr auf Sparbrötchen macht, findet sein Personal häufig eher an Snackautomaten, Toiletten oder Pausenraum, anstatt bei der Patientenhilfe. Und deren Zufriedenheit bestimmt maßgeblich auch den Zulauf der Kranken in unsere Kliniken. Lange Wartezeiten, wenig kompetente Beratungen oder gar die falsche Therapie/Medikation sorgen dafür, dass der Ruf unserer Einrichtung blitzschnell in den Keller geht. In einer Welt ohne lästige gesetzliche Krankenversicherungen bedeutet das logischerweise den Todesstoß für das Unternehmen. 

Dr. House wäre begeistert

Um den Zustrom von Patienten überhaupt erst bewältigen zu können, benötigen wir zu Anfang erstmal eine Rezeption. Die nimmt die Patienten auf und schickt sie zum Allgemeinmediziner. Der entscheidet dann über die weitere Behandlung und schickt den Kranken weiter zur nächsten Etappe seiner Gesundungsreise. Das kann bei einfachen WC – Warzen ein schneller Gang zur hausinternen Apotheke sein, oder aber auch einen längeren stationären Aufenthalt bedeuten. Je weiter man voranschreitet, desto mehr neue Krankheiten tauchen auf. Nicht selten bedeutet das, dass wir uns auch um die passenden Behandlungsräume kümmern müssen. Was simpel anfängt, endet schnell darin, dass sich auch Psychiater, Kardiologen und Co. zu unserem Personal gesellen. 

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Je besser unser Ruf, desto mehr neue Patienten wollen dann bei uns behandelt werden – ein Arzt allein kann den Ansturm kaum bewältigen. Sind die hiesigen Kapazitäten ausgeschöpft, lässt sich bequem anbauen. Die entsprechenden Grundstücke sind vorgegeben und kosten je nach Größe auch unterschiedlich viel Geld. So entsteht aus einem kleinen Krankenhaus schnell ein großer Komplex, der bis unter´s Dach voll mit Kranken ist. Dass sich sowohl Maschinen und auch das Ambiente schnell abnutzen, ist da natürlich klar. Deshalb sollte man stets auch eine Truppe kompetenter Hausmeister einstellen. Die kümmern sich nicht nur um die Pflanzen und leeren die Müllcontainer aus, sondern können auch Wartungsarbeiten und Upgrades an den Maschinen vornehmen, sofern sie denn entsprechend geschult sind. Praktisch: Ist mal Not am Mann, wird automatisch verfügbares Personal zum jeweiligen Katastrophenort gerufen. Das gilt für die ganze Belegschaft. So muss man nicht zwingend umständlich Arbeiter am jeweiligen Ort platzieren, sondern kann sich meist darauf verlassen, dass Ärzte und Co. sich automatisch zu unbesetzten Praxen begeben. Da die Situation gerne mal unübersichtlich wird, eine praktische Hilfe.

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Während wir damit beschäftigt sind, unserem Krankenhaus eine 3 Sterne – Bewertung zu verleihen und ebenfalls auf möglichst viele Auszeichnungen bei den Jahresawards hinarbeiten, gibt es aber auch abseits der regulären Patientenbetreuung einiges zu tun. So schaut in regelmäßigen Abständen ein Mitarbeiter vom Gesundheitsamt penibel nach den Zuständen vor Ort und prüft Sauberkeit und Gerätefunktion mit Akribie. Gute Bewertungen bieten oft Ruf- und Geldboni, schlechte Bewertungen dagegen ziehen ordentlich Ruf ab. Dazwischen warten allerlei zufällige optionale Herausforderungen. Gelegentlich kommt es zu Epidemien spezifischer Krankheiten, denen oft ein Schwall von Patienten folgt, die allesamt im Rahmen eines bestimmten Zeitlimits erfolgreich behandelt werden müssen. Dazu gesellen sich auch Mitarbeiterwünsche. Etwas mehr Grün hier, eine Klimaanlage dort…all diese Accessoires dienen nicht nur der Mitarbeiterzufriedenheit, sondern steigern auch den Prestigewert der jeweiligen Abteilung. Denn je hübscher wir uns einrichten, desto zufriedener sind Personal und Patienten. Erstere arbeiten dann effizienter und haben mehr Energie, letztere hauen auch bei längeren Wartezeiten nicht gleich ab. Haben wir uns gut geschlagen und unserem gegenwärtigen Krankenhaus den dritten Stern verschafft, können wir uns einem neuen Krankenhaus zuwenden, wo auch neue Herausforderungen warten. Das Prinzip funktioniert diesbezüglich fast exakt wie jenes von Jurassic World: Evolution. Schade ist aber, dass die Herausforderungen kaum abwechslungsreich gestaltet sind, sondern immer wieder sehr ähnlich zusammengesetzt werden. Und hat man sich erstmal um die Errichtung aller spezifischen Praxen gekümmert, kann man oft nur noch abwarten, zusehen und den Dingen ihren Lauf lassen. Das ist zwar eine Zeitlang durchaus faszinierend, die teilweise langen Interaktionspausen können aber schnell nerven, verdammen sie den Spieler doch zu einer passiven Figur, ehe wirklich wieder etwas passiert. Daran ändert auch der Turbo – Modus nur wenig. Den anfänglichen Herausforderungen folgen so später kaum noch fordernde Aufgaben. 

Sterben kann so lustig sein

Es muss nicht immer gleich das teuerste Fachpersonal sein, um Patienten glücklich und gesund zu machen. Wer sich seine Sporen über Zeit bei uns verdient hat, kann zur nächsten Kompetenz- und Gehaltsstufe befördert werden und wird damit kräftig aufgewertet. Gehälter lassen sich zwar grundsätzlich frei bestimmen, aber selbst unterbezahlte Kräfte arbeiten oft noch annehmbar. Hier hätte ich mir gewünscht, dass sich der finanzielle Aspekt spürbarer auf die Leistung auswirkt, als im Spiel tatsächlich vorhanden. Ohnehin lässt sich unter der Oberfläche nur wenig manuell verwalten. Getränke- und Snackautomaten arbeiten mit vordefinierten, nicht änderbaren Preisen. Auch die Behandlungskosten lassen sich nicht spezifisch festlegen. Hier verschenkt Two Points Hospital einiges an Potenzial. Die chronische Automatisierung nahezu aller Vorgänge ist zwar für Einsteiger eine gute Sache, fordert aber Simulationsprofis selbst in späteren Leveln kaum ausreichend. 

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Den Spielwitz des geistigen Vorfahren haben die Entwickler aber dafür fantastisch eingefangen. Alleine die absurden Krankheiten sorgen für jede Menge Lacher. Wenn sich die Bewohner einer ganzen Stadt plötzlich allesamt für Rockstars halten und im Freddie Mercury – Gedenklook bei unseren Psychiatern vorstellig werden, macht es einfach nur einen Heidenspaß, das Geschehen zu beobachten. Dank zahlreicher Zoomstufen können wir ganz nahe dabei sein, wenn der Psychiater versucht, dem Möchtegernsänger seine Dämonen auszutreiben oder der geschulte Hausmeister/Geisterjäger sich mit dem Staubsauger daran macht, die Plagegeister der Verstorbenen zu wissenschaftlichen Zwecken einzufangen. Die Animationen sind gleichermaßen detailverliebt wie sie nostalgischen Charme versprühen. So sehr, dass Kenner der Vorlage sich wohl sofort zuhause fühlen, aber auch Neueinsteiger nie Schwierigkeiten haben, sich im Verwaltungstrubel zurecht zu finden. Dafür sorgen übrigens auch die übersichtlich gestalteten Menüs und die unaufdringlichen, aber trotzdem sehr hilfreichen Tutorials. 

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Für den nostalgischen Charme sorgt zumindest in Sachen Technik die Unity – Engine. Die zaubert nun zwar wirklich keine Grafikwunder auf den Bildschirm, sorgt aber dafür für eine tolle Balance auf knuffigem Comiclook und hübschem Krankenhausambiente. Dazu begleitet uns permanent das (nur englischsprachige) Lokalradio mit seinen sanften Tönen in Fahrstuhlmusikqualität, gelegentlich erfolgen (ebenfalls nur englischsprachige) Lautsprecherdurchsagen á la „Achtung, liebe Patienten: Wir möchten Sie nochmals daran erinnern, dass das Sterben auf den Gängen untersagt ist.“ Grandios. Schade, dass im Spiel sonst kaum gesprochen wird, sondern lediglich der Trubel der Menge wahrnehmbar ist. Die Deutsche Lokalisierung in Sachen Text ist aber sehr gelungen ausgefallen und schafft es, den fast überall präsenten Wortwitz auch in unsere Sprache zu übertragen. Etwas mehr Abwechslung bei der musikalischen Untermalung wäre aber wünschenswert gewesen. 

Fazit und Wertung

House karakter„Verflixt, macht dieses Spiel süchtig! Zwar leidet Two Point Hospital unter ein paar kleinen bis mittelstarken Mankos, wie beispielsweise gelegentlichem Leerlauf und nur sehr begrenzten Möglichkeiten für Feineinstellungen, insgesamt saugt einen das einfache, aber dann schnell immer komplexere Spielgeschehen aber völlig in seinen Bann und sorgt damit sogar dafür, dass man das Geschehen ebenso wie die Zeit um sich herum schnell vollkommen vergisst. Der geistige Nachfolger von Theme Hospital schafft es, mit unglaublich viel Witz, Zugänglichkeit und immer neuen Krankenheiten im Rahmen knuddeliger Optik mit hohem Nostalgiefaktor unwahrscheinlich gut, gleichermaßen zu motivieren wie zu unterhalten. Es tut unglaublich gut, dieses Genre wieder in der Moderne begrüßen zu dürfen. Two Point Hospital macht seine Sache so gut, dass ich sehr hoffe, in Zukunft mehr solcher Spiele erleben zu dürfen. Zwischen ideenlosen Fortsetzungen, repetiven Neuaufgüssen und zunehmendem Abzockwahn ist das genau die Medizin, die wir brauchen.“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Two Point Hospital ist ein reiner Einzelspielertitel und bietet keine durch Echtgeld freischaltbaren Vorteile oder Lootbox – Mechaniken. Neue Gegenstände werden durch das Meistern von Meilensteinen mehr als fair ausgeschütterter Ingame – Währung freigeschaltet. Eine Abwertung findet daher nicht statt. 

PRO:

+ Putzige Grafik, die den Spagat zwischen Nostalgie und Moderne gut meistert
+ Witzige Animationen
+ Tolle Krankenhausatmosphäre
+ Angenehm einsteigerfreundliches Gameplay mit hohem Suchtfaktor

+ Kreative Krankheiten und ungewöhnliche Behandlungsmethoden sorgen für tollen Witz
+ Unkompliziertes Bauen
+ Hohe Designfreiheit
+ Übersichtliche Personalverwaltung
+ Zufällige Challenges sorgen für zusätzliche Motivation
+ Zugängliche Bedienung
+ Angenehme Lernkurve
+ Personal agiert angenehm autonom

+ Unaufdringliche Tutorials
+ Gelungene Deutsche Lokalisierung (zahlreiche andere Textsprachen frei anwählbar)
+ Jederzeit freies Speichern möglich

CONTRA:

– Veteranen werden erst sehr spät wirklich gefordert
– Außerhalb der Gehaltsverwaltung kaum Individualisierungsmöglichkeiten
– Unzufriedene Mitarbeiter arbeiten oftmals noch zu effizient
– Gelegentliche Leerlaufphasen ohne nötige Spielerinteraktion
– Herausforderungen wiederholen sich schnell und bieten nur wenig Abwechslung

                 
                                                    GESAMTWERTUNG:
     90%

                 MRAHUMOR     MRDESIGN

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