The Witcher III: Blood and Wine™ – Blutroter Märchentraum

                                     Getestet und verfasst von General M

Farewell, Geralt!

Manchmal begegnet man völlig unvorbereitet einem Spiel, welches einen dann über Tage, ja sogar Wochen fesselt. Man möchte den Controller, die Maus oder die Tastatur gar nicht mehr beiseite legen, alles entdecken und nichts verpassen. Man baut eine Bindung zu den Charakteren auf und durchlebt aufregende und spannende Abenteuer, während man sich aufgrund des innigen Wunsches, dass das Spiel nie enden möge, vor ebenjenem Ende fürchtet. The Witcher III ist so ein Spiel gewesen. Ich kann gar nicht sagen, wie viel Zeit ich in das Spiel investiert habe und mit welcher Begeisterung und Faszination ich in seine Welt eingetaucht bin. Das polnische Entwicklerteam von CD Projekt RED hat nichts anderes als ein Meisterwerk abgeliefert, darin waren und sind sich Spieler und Presse gleichermaßen einig. Und entgegen gängiger Praxis lieferte man anschließend neue Inhalte nach, die aber auf jeder Plattform allesamt kostenlos blieben. Dennoch kündigte man seinerzeit für knapp 30€ auch einen Expansion Pass an, der größere Inhalte ins Spiel integrieren sollte. Natürlich waren die Erwartungen nach dem grandiosen Hauptspiel entsprechend groß. Dem gelungenen, aber eher kleinen Zusatzinhalt „Blood and Stone“ folgt nun die zweite (und letzte) Erweiterung und trägt den Titel „Blood and Wine“. Warum Geralts offiziell letztes Abenteuer in vieler Hinsicht neue Maßstäbe in Sachen Erweiterungspolitik setzt, klärt unser Review. Sämtliche Screenshots stammen aus der bis an den Rand maximierten PC – Version. 

CSI: Toussaint

Wer schon mal ein Gläschen Toussaint Rot zu sich genommen hat, der laut Begleittext zu den besten Weinen überhaupt gehört, wird bereits um den Namen wissen. Mit der zweiten Expansion darf man auch erstmals selbst Fuß in das malerische Königreich setzen. Auf besonderen Wunsch der Herzogin Anna Henrietta soll der Hexer einer mysteriösen Bestie habhaft werden, an der sämtliches Wachpersonal des Königreiches bisher gescheitert ist. Tatsächlich ist die Jagd nach dem Monster nur der Auftakt zu einer knapp 30 Stunden langen Kampagne voller Nebenquests und spannenden Geschichten, die mehr und mehr einen tieferen Blick unter die blühende, bunte Fassade der malerischen Landschaft und deren Herren wirft. 

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Zu Beginn war und bin ich nahezu geblendet von der Schönheit Toussaints, die sich so angenehm vom düsteren und dreckigen Norden unterscheidet. Fast möchte man meinen, man ist in einen klassischen Disney – Film eingetaucht. Grüne Wiesen, bunte Blumen…so tief möchte man in jeden einzelnen Moment eintauchen, dass man gar nicht mehr weg möchte. Inmitten dieser wunderschönen Umgebung befindet sich die nicht minder prächtige Hauptstadt Beauclair, samt Schloss und prächtigem Luxus. Die Ritter sind ganz alte Schule, traditionsverbunden und gekleidet in prächtig verzierte Goldrüstungen. Doch wie erwähnt ist eben bei all dem Glanz längst nicht alles so, wie es zu Anfang scheint…

Blood and Wine spielt sich dabei wie ein spannend inszenierter Krimi, der in sehr angenehmen Tempo erzählt wird. Spurensuche, Schlussfolgerungen…all das kennt man von den Hexeraufträgen des Hauptspiels. Doch die Erweiterung bietet so vieles mehr, als lediglich mehr vom alten. Dazu trägt nicht nur die angemessen große Welt der Erweiterung bei, sondern auch die vielen neuen Rüstungen und Waffen, auch für Liebhaber von Gwint gibt es neue Nüsse zu knacken und neue Karten für das Deck zu gewinnen. Auch das Housing findet erstmals seinen Weg in die Reihe. Das eigene Weingut dient dabei als komfortabler Schlafplatz, der auch einige Buffs verleiht, fügt sich aber eher wie ein kleines (aber feines) Gimmick ins Spiel ein, da man ausschließlich Geld in den Ausbau investieren kann, aber mit der Bewirtschaftung des Weinguts etc. nicht in Berührung kommt. 

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Dank der sorgfältigen Pflege seitens der Entwickler hat sich auch außerhalb des zentralen Spielgeschehens einiges geändert. Zum einen wurde das Inventar besser strukturiert und kategorisiert, was einen dankbar besseren Überblick über die mitgeführten Gegenstände gibt. Zum anderen hat man den Zugriff auf lesbare Dokumente und Bücher deutlich vereinfacht, mit spürbar mehr Komfort im Ergebnis. All diese und andere Features wie das übliche Bugfixing gibt es im Rahmen von Patch 1.21 aber auch gratis für jedermann. Um in den Genuss dieser Verbesserungen zu gelangen, ist also keine Erweiterung erforderlich! 

Oh zauberhaftes Toussaint

So schön Toussaint auch ist, so gefährlich ist es auch. Daher sollten interessierte Hexer gar nicht erst auf die Idee kommen, dien neuen Inhalt unter Level 34 und ohne entsprechend starke Ausrüstung zu starten. Direkt zu Beginn bekommt man es neben einer Horde Banditen nämlich auch mit einem der vielen neuen und extrem starken Bossgegner zu tun. Der Golyath teilt nicht nur übel aus, er erfordert auch geschicktes Ausweichen und den gewohnt klugen Einsatz von Zeichen und Tränken. Besonders auf höheren Schwierigkeitsstufen beißt man sonst schneller ins saftig grüne Gras, als einem lieb ist. 

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Im Rahmen der Kampagne kann man sein Können übrigens auch in einem Ritterturnier auf die Probe stellen. Hier tritt man gegen die tapfersten Recken aus allen Reichen in diversen Wettkämpfen an, was verteufelt viel Spaß macht. So präsentiert sich Blood and Wine als eine ausgewogene, brillant inszenierte und toll erzählte Mischung aus den besten Elementen seines Hauptspiels, treibt diese qualitativ jedoch noch weiter Richtung Perfektion. Besonders cool ist dabei auch die nur in der Erweiterung verfügbare Möglichkeit, sich eigene (und sehr mächtige) Mutagene herzustellen, die mit zahlreichen positiven Effekten aufwarten. 

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Und dann ist da eben noch Toussaint selbst – ein wundervolles Reich, durch den ein Spaziergang sich anfühlt wie ein Urlaub in der Toskana. Die Entwickler haben nochmal alles aus der Engine rausgeholt und präsentieren grafisch einen der schönsten Titel, die man aktuell auf dem PC spielen kann, sofern man über entsprechend hochwertige Hardware verfügt. Denn The Witcher 3 ist und bleibt ein extrem hardwarehungriges Spiel, bietet dafür auf dem PC einen mehr als satten Qualitätsunterschied zu den Konsolen, die stellenweise spürbar ihre Probleme mit der neuen Erweiterung haben, da die dort verbaute Technik einfach hier und da mit dem Gezeigten überfordert ist. Dennoch macht Geralts letztes Abenteuer auch dort viel Spaß, deutlich längere Ladezeiten, halbierte Framerates und viele weitere Abstriche in Sachen Präsentation müssen dafür aber dennoch in Kauf genommen werden. 

Ein Paradebeispiel für andere Entwickler

Wer sich Blood and Wine zu Gemüte führen möchte, muss momentan zwischen 17 und 20€ dafür hinblättern, was angesichts des mehr als angemessenen Umfangs der Erweiterung absolut fair ist. Findige Sucher können sogar den gesamten Expansion Pass bereits zu diesem Preis erhalten. Es ist schon beeindruckend, was die Entwickler für das relativ wenige Geld bieten. Ich könnte unzähliche Beispiele für Titel anführen, die für mehr Geld viel, viel, VIEL weniger bieten und dem Spieler zusätzlich durch Mikrotransaktionen jedweden Cent aus der Tasche ziehen, den sie kriegen können. Die Erweiterungen im Rahmen des Expansion Pass tragen den Titel Erweiterung völlig zurecht. Sie sind mehr als nur DLC’s, sondern bieten exakt die gleiche Qualität, die sonst eigentlich nur Blizzard bietet. Dafür gilt den Polen mein voller Respekt. 

Fazit

ava „Wow. Mit Blood and Wine hat der Entwickler sein Meisterstück abgeliefert und es geschafft, das ohnehin schon grandiose Hauptspiel in Sachen Inszenierung, inhaltlicher und optischer Präsentation nochmals zu übertrumpfen. Zum mehr als fairen Preis erhält man ein fantastisches, wenigstens 30 Stunden langes Abenteuer voller wunderbar erzählter Geschichten, neuen Herausforderungen und unzählichen sinnvollen Verbesserungen. Geralt wird mir fehlen. Sehr sogar. Es gab in den letzten Jahren wenige Spiele, in die ich so fasziniert eintauchen wollte. Toussaint macht mir den Abschied daher nur noch viel, viel schwerer. Wer auch nur ansatzweise Interesse am RPG – Genre aufbringen kann, darf an The Witcher III: Blood and Sand einfach nicht vorbeigehen!“

PRO:

+ Wunderschön inszeniertes Toussaint
+ Nahezu makelloses Art – Design
+ Spannende Hauptquest
+ 30 Stunden lange Kampagne
+ Zahlreiche Nebenmissionen
+ Mutagene in Selbstherstellung und eigenes Weingut
+ Viele neue, sinnvolle Verbesserungen 
+ Mehr als fairer Preis

CONTRA:

– Konsolenfassung mit grafischen Abstrichen und Performance – Problemen
– Neue Gwint – Gegner sind mit Starter – Sets nahezu unbezwingbar
– Weingut eher hübsches Beiwerk als zentrale Komponente