Project CARS 3 – „Ein Fall für den ADAC.“

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                                                     Getestet und verfasst von General M

51DC tCp1aLWenn einer urplötzlichen Ankündigung auch noch ein blitzschneller Release nacheilt, lässt das oft auf zwei Möglichkeiten schließen: Entweder eine verdammt gute Vorbereitung oder irgendetwas ist gewaltig faul an der Sache. Bei Project CARS 3, dem neuesten Ableger der längst zu Größen wie Forza Motorsport, Gran Turismo und Co. konkurrenzfähigen Rennsportreihe, haben wir es leider mit letzterem zu tun. Statt waschechter Simulation bewegt sich die Reihe nun urplötzlich in Richtung Arcade, grafisch sieht das Spiel sogar schlechter aus als sein Vorgänger. Lediglich der gewohnt hohe Umfang und gute Ideen im kompetiven Wettkampf retten das Spiel vor dem Totalschaden. Was ist passiert? 

                       Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf dem PC aufgenommen. 

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Kraftakt Karriere 

Dass sich zumindest auf den ersten Blick einiges bei Project CARS 3 getan hat, merkt man schon anhand des komplett überarbeiteten Karrieremodus, obwohl die allgemeine Inszenierung immer noch zu wünschen übrig lässt. Statt dem wilden Durcheinander des Vorgängers hinsichtlich der zu bewältigenden Events geht es nun wesentlich geordneter zu. Statt querfeldein durch die unterschiedlichen (Spezial-)Events und Invitationals zu brettern, sind Höchstgeschwindigkeitsveranstaltungen aller Art erst zugänglich, nachdem man sich mit etwas einfacher gestrickten Straßenkreuzern warmgemacht hat. Über zweihundert Fahrzeuge aller nur erdenklichen Klassen und Hersteller bietet Project CARS 3 von Anfang an, das nötige Kleingeld dazu muss man sich aber natürlich erst verdienen. Mit der Zeit vergrößert sich euer Fuhrpark aber fast wie von selbst, denn mit neuen Klassen werden auch neue Fahrzeuge vorausgesetzt. Dank der gewohnt umfangreichen Anpassungsoptionen genügt es manchmal aber auch einfach, ein bereits im Besitz befindliches Fahrzeug nachzurüsten, um den für eine Qualifaktion nötigen PIR-Wert zu erreichen. 

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Wo wir gerade von Qualifikation reden: Vollwertige Rennwochenenden wie noch im Vorgänger gibt es nicht mehr. Kein freies Training, kein Qualifying. Stattdessen befördert euch das Spiel meistens einfach in das Mittelfeld der zahlreichen K.I.-Fahrer, frei nach dem Motto „Mach das Beste aus dem, was dir gegeben ist“. Und genau damit beginnen die Probleme. Der arcadige Ansatz macht es angesichts fehlender Trainingsmöglichkeiten quasi unmöglich, frisch aufgemotze Fahrzeuge auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. Stattdessen muss man auf gut Glück einen kompletten Event absolvieren, um herauszufinden, ob die getätigten Einstellungen überhaupt Erfolg versprechen. Im Worst Case geht es anschließend zurück in die Werkstatt und das Ganze nochmal von vorne. Dabei geht es in den Events gar nicht so sehr um Sieg nach Platzierung, sondern viel mehr um die Erfüllung von vorgegebenen Zielen, die von bestimmten Rundenzeiten bis zu einem Mindestmaß sauberer Überholungen reichen. Dafür gibt´s dann Punkte, mit denen sich Folgeevents freischalten lassen. Alternativ kauft man sich einfach mit Credits ein. 

Frustfaktor Fahrerintelligenz

Das alles wäre gar nicht so schlimm, gäbe es da nicht zwei ganz entscheidende Ärgernisse: Zum einen tretet ihr gegen eine K.I. an, die euch komplett unabhängig von der gewählten Schwierigkeit oder aktivierten Fahrhilfen immer wieder in die Seite brettert, beim Schalten eindeutig bevorteilt wird und selbst auf Geraden nur selten nachvollziehbar agiert, zum anderen mangelt es dem Spiel an einer anständigen Rückspulfunktion, wie sie mittlerweile sämtliche halbwegs brauchbaren Arcaderacer am Markt besitzen. Kommt beides zusammen, gibt es keine Alternative zum Etappenreset, nur um nach der damit verbundenen Wartezeit beim erneuten Versuch selbst bei größter Vorsicht wieder von den Feindfahrern aus der Kurve gedrängt zu werden, weil diese ihre Ideallinie einfach nicht verlassen wollen und dafür stur jede Kollision in Kauf nehmen, selbst aber keinerlei Konsequenzen aus diesem Verhalten zu befürchten haben. Und das wie bereits erwähnt auch dann, wenn ihr das Aggressionspotenzial der Gegner auf ein absolutes Minimum reduziert. Greifbare Unterschiede zwischen den verschiedenen Stufen sind kaum auszumachen. Es wird gerammt, bis die Oma weint. 

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Dabei sind Kurven meistens die einzige Chance, einen Gegner zu überholen, denn während diese auf Geraden unnatürlich schnell und damit quasi uneinholbar sind, kommen sie in Kurven für einen Moment fast komplett zum Stillstand. Das man diese Probleme nur mit deutlich überlegendenen Fahrzeugen in den Griff bekommt, kann nicht Sinn der Sache sein. Denn was nützen PIR-Werte, wenn man auf gleichem Niveau konsequent unfair vom Spiel bzw. dessen virtuellen Kontrahenten behandelt wird und nur dann Erfolg hat, wenn man selbst mit unfairen Mitteln an den Start geht und ein Fahrzeug auf GT-Niveau gegen Straßenkreuzer antreten lässt? Auf den Konsolen ist dieser ganze Unsinn noch eine Spur extremer wahrnehmbar als auf dem PC. Dort halten die Fahrzeuge mehr Abstand voneinander und verhalten sich insgesamt nachvollziehbarer, wirklich immer fair geht es aber auch auf dem Rechenknecht nicht zu. Sollte etwa tatsächlich die Hardware dafür verantwortlich sein, dass auf den Konsolen so viel dümmer gefahren wird? Irgendwie unwahrscheinlich. 

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Aber selbst ohne gegnerische Fahrer ist Project CARS 3 alles andere als eine frustbefreite Fortsetzung geworden. Mit der neuen Onlinekomponente „Rivalen“ dürft ihr euch in drei verschiedenen Modi um eine gute Platzierung auf der Weltrangliste bemühen. In Breakout gilt es, über die Strecke verteilte Kisten zu zerstören, die meisten Punkte bringen dabei aber möglichst hohes Tempo und ein nahtloses Verketten. Hot Lap stellt euch dagegen vor die Aufgabe, eine Runde so schnell wie möglich ohne Kollisionen zu beenden. Ganz ähnlich funktioniert auch Pacesetter, nur dass hier aus insgesamt drei Runden eine durchschnittliche Zeit errechnet wird. Jeder Modus läuft als eigenständige Division mit separater Rangliste. Je höher ihr euch zum Ende der Woche platziert, desto höher die Belohnung. Alles mit regelmäßiger wechselnder Rotation. Klingt auf dem Papier kurzweilig und motivierend, ist in der Praxis aber nicht minder nervig umgesetzt als alles andere auch. Ein kurzes Tranchieren der Leitplanke oder minimales Überschreiten der Streckenbeschränkungen und eure Rundenzeiten werden für ungültig erklärt. Dann bleibt abermals nur noch der Neustart. Nein, Danke. 

Kritikpunkt Kulisse

Doch nicht nur in Sachen Gameplay bewegt sich das Spiel gefühlt zwei Schritte zurück, auch technisch macht der direkte Vorgänger von 2017 im direkten Vergleich einen runderen Eindruck. Die mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Engine, übrigens eine Eigenentwicklung des Studios, kann es längst nicht mehr mit einem F1 2020 oder dem ewigen Arcade-Dauerbrenner Forza Horizon 4 aufnehmen. Dafür hat sich an der Technik von Project CARS 3 einfach viel zu wenig getan. Die allermeisten voll lizensierten Fahrzeuge und Strecken (immerhin über fünfzig Stück mit zahlreichen Variationen), so löblich deren jeweiliger Umfang auch sein mag, wurden einfach direkt aus dem Vorgänger übernommen. Genauso die belanglose musikalische Untermalung in den Menüs. Schäden bleiben weiterhin oberflächlicher Natur und lassen sich wenn überhaupt nur nach harten Kollisionen erzeugen. Während man auf dem PC immerhin noch das grafisches Niveau von vor drei Jahren erreicht, sieht es über sämtliche Konsolen diesbezüglich schon ganz anders aus.

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Wettereffekte (besonders Regen) und Reflektionen verkommen zum hässlichen, detailarmen Pixelmatsch. Sämtliche Plattformen leiden zudem auflösungsunabhängig unter Kantenflimmern, wovon die Konsolen abermals am stärksten betroffen sind. Darunter leidet die allgemeine Bildqualität teilweise so sehr, dass selbst Armaturen in der Cockpitperspektive nicht mehr leserlich sind. Auf dem PC wird noch nicht einmal eine Option zur Kantenglättung angeboten! Und dann ist da noch das leidige Dilemma mit der Performance. Gerade Spiele mit Fokus auf schnelles Reagieren sind vollständig abhängig von einer geschmeidigen Bildrate. Wo die Standardmodelle nahezu durchgehend 60 Frames bei 1080p schaffen, geraten die erweiterten Modelle trotz zwei verschiedener Modi einmal mehr ins Straucheln. Im Performancemodus leiden XBOX One X und PlayStation 4 PRO unter teils heftigem Tearing, während es im Auflösungsmodus immer wieder zu Bildrateneinbrüchen kommt. HDR, mittlerweile längst Standard beim Gaming, sucht man ebenfalls vergeblich.

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Ferner zeigen sich sämtliche Konsolenversionen überraschend absturzanfällig. Was die Macher hier abgeliefert haben, ist eine mittlere Katastrophe, miserabel optimiert und grafisch grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß. Auf dem PC bekommt man gegenwärtig die mit Abstand schönste und stabilste Fassung des Spiels geboten. Lediglich im optionsarmen Fotomodus brach dort bei unserem Test die Bildrate so sehr ein, dass man sich nur noch unter starkem Ruckeln durch die Szenerie bewegen konnte, welche aufgrund kaum regulierbarer Unschärfeeffekte so oder so nicht für schöne Bilder taugt. Aber selbst dort, mit allen Reglern auf Maximum und in nativem 4K, zeigt sich überdeutlich, dass Project CARS 3 den Mitbewerbern im Feld trotz der irgendwie immer noch tollen Wetter- und Helligkeitsübergänge visuell nicht mehr gewachsen ist. 

Kernkomponente Komfort

Was mit an der Reihe seit jeher gut gefallen hat, ist die außerordentlich hohe Anzahl an Einsteigerhilfen. Vier grundlegende Schwierigkeitsgrade sind von Anfang an verfügbar, wobei man mit voller Fahrunterstützung kaum noch mehr tun muss als das Gaspedal durchzudrücken. Das nimmt dem Spiel zwar beinahe sämtlichen Spaß, bietet aber gerade Einsteigern unbezahlbare Hilfen, auf welche erfahrene Rennfahrer ebenso wie Vollblutprofis genauso gut verzichten können. Abseits aller Presets darf man sich auch basierend auf zahlreichen Optionen ein passendes Rennsporterlebnis konfigurieren. Von Traktion über Bremshilfen bis zur Kurvenunterstützung wird hier alles geboten, um sich nach persönlichem Ermessen mit der Zeit von immer mehr Stützrädern zu befreien, oder sich andererseits im Notfall welche anzuschrauben. 

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Am besten gelingt die Bedienung mit einem anständigen Gamepad. Zwar unterstützt das Spiel auch eine Vielzahl von Lenkrädern, damit fährt es sich aber ohne Hilfen wesentlich schwerer – obwohl viele Simulationselemente des Vorgängers ersatzlos gestrichen worden sind. Die Boliden reagieren viel empfindlicher auf Eingaben, die über den Controller bei gleichem Herausforderungsgrad einfach geschmeidiger von der Hand gehen. Die bessere Vibrationsfunktion gibt es obendrauf.  Da merkt man den Pfad hin zu mehr Arcade. Für Besitzer von teurem Rennequipment ist das natürlich ein Schlag ins Gesicht. So richtig unangenehm wird´s dann mit Maus und Tastatur. Auf beides sollte man am PC nur dann zurückgreifen, wenn man sich im Anschluss um die zwei Wochen für den Aufenthalt in einer Nervenklinik freimachen kann. Der Controller ist auch hier die allerbeste Wahl. 

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Online wird übrigens nicht differenziert, welches Eingabegerät ihr verwendet. Dafür werden besonders aggressive Crashdummies erneut aussortiert und dürfen nur noch mit ihresgleichen fahren, was mir schon seit den Anfängen der Reihe sehr gut gefallen hat. Also passt immer schön auf, dass ihr euch an die Anstandsregeln der Straße haltet. Ach, bevor ich es vergesse, eine letzte Sache noch: Wo zum Teufel ist eigentlich die Rallycrosskomponente des Vorgängers abgeblieben? Verzeiht das Geschimpfe. Aber Project CARS 3 ist letztendlich einfach ein Spiel geworden, dass einen mit so vielen unbeantworteten Fragen zurücklässt. 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Wenn man eine bisher komplett auf Simulation ausgelegte Reihe urplötzlich (und ohne Hinweis als Teil der Hauptreihe) in ein Arcadekorsett zwingt, kann dabei kaum etwas Gutes entstehen. Genau so verhält es sich leider auch im Falle von Project CARS 3. Mechanisch massiv entschlackt, richtet sich der neueste Ableger mehr denn je dank stellenweise deutlich vereinfachtem Gameplay eher an Einsteiger als an Rennsportveteranen, deren Equipment gleichzeitig völlig obsolet wird, weil das Spiel eindeutig die Bedienung via Controller bevorteilt. Der immense (aber fast komplett aus dem Vorgänger recyclete) Umfang bei Fahrzeugen und Strecken, eine gewaltige Palette an frei konfigurierbaren Optionen und nicht zuletzt die gelungene Onlinekomponente retten das Flickwerk aus zahlreichen Versatzelementen gerade noch vor dem Totalschaden. Unfaire K.I., ein besonders auf den Konsolen sichtbarer technischer Rückschritt, grafische Stagnation und eine abermals belanglos inszenierte Karriere werfen riesige Krater auf die Straßen einer einst so glorreichen Simulation. Dann lieber beim um Welten besseren Vorgänger bleiben. Alles was der aktuelle Ableger gut macht, stammt sowieso direkt von dort. Und das ist letztendlich so prägend für Project CARS 3, wo man die größten Mankos ausgerechnet in den Neuerungen findet.“ 

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PRO: 

+ Gewaltiger, voll lizensierter Fuhrpark
+ Satte Motorensounds
+ Über fünfzig Strecken mit zahlreichen Variationen
+ Aufgeräumter Karrieremodus
+ Tonnenweise optionaler, frei konfigurierbarer Fahrhilfen
+ Umfangreiches Tuning…
+ …und hohe kreative Freiheit bei der optischen Anpassung
+ Motivierende Onlinekomponente
+ Chaoten dürfen im Mehrspielermodus nur unter ihresgleichen fahren
+ Gute Bedienung via Gamepad

CONTRA:

– Findet keine eigene Identität zwischen Simulation und Arcade
– Technisch mittelschwer (PC) bis massiv (Konsolen) veraltet
– Performanceprobleme und Abstürze (Konsolen)
– Teils lange Ladezeiten
– Schwere Leistungseinbrüche im Fotomodus…
– …der zudem viel zu wenige Optionen bietet
– Extrem viel Recycling
– Unfair agierende, viel zu aggressive K.I. …
– …der man nur mit wesentlich stärkeren Fahrzeugen beikommen kann
– Schon kleinste Streckenabweichungen oder Kollisionen negieren aktuelle Rundenzeit
– Keine Rückspulfunktion
– Rennwochenenden samt Qualifying und freiem Training ersatzlos gestrichen…
– …ebenso die Rallycross-Komponente des Vorgängers
– Karriere weiterhin belanglos inszeniert
– Kein richtiger Soundtrack
– Ausschließlich englischsprachiger Fahrerfunk
– Mit Lenkrad deutlich schwieriger zu meistern…
– …mit Tastatur sogar nahezu unmöglich

 
                            GESAMTWERTUNG:     
6.6/10 (PC)
                                                                    5.7/10 (Konsolen)

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