MediEvil – „Wer die Toten stört…“

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                                                       Getestet und verfasst von General M

81gqs S LJL. SL1500 Remaster und Remakes haben miteinander gemeinsam, dass ich mich beim Testen immer furchtbar alt fühle. Bei MediEvil ist es besonders schlimm, schließlich fiel der Release des Originals für die PlayStation One mit dem Jahr 1998 in eine Zeit, wo der kleine General bereits zehn Lenze auf dem Buckel hatte und gerade seine Leidenschaft für Gaming und Mädchen entdeckte (in genau dieser Reihenfolge).  Das Spiel um den untoten Sir Daniel Fortesque war aber anders als meine damaligen Bemühungen, beim weiblichen Geschlecht zu landen, ein großer Erfolg. 2000 folgte eine Fortsetzung, dann wurde es ruhig um die Reihe. Ob das Remaster des Erstlings eine Eintagsfliege darstellt oder das Fundament für mehr, klärt unser Test. 

                     Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der PlayStation 4 PRO erstellt. 

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Von Pech und zweiten Chancen

Wir Menschen liegen ja Legenden. Angefangen beim Aufdruck, dass Tütensuppen- und Saucen über keinerlei Geschmacksverstärker verfügen, über die Landung von Außerirdischen auf unserem Planeten oder Politikern, die nach derben Wahlschlappen trotzdem strahlend vor dem Publikum stehen und von klar erteilten Regierungsaufträgen faseln gibt es eigentlich nichts, was man nicht als Mär verkaufen kann, an die irgendwo irgendwer glauben will. In eine etwas andere Richtung schlägt da schon die Geschichte um den legendären Ritter Sir Daniel Fortesque, der die königliche Armee von Gallowmere im Jahre 1286 tapfer gegen die anrückenden Truppen des fiesen Zauberers Zarok angeführt hat und schließlich siegreich seinen erlittenen Wunden erlag. 

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Das Problem ist nur: Die ganze Geschichte ist frei erfunden, denn Sir Daniel bekam den ersten abgeschossenen Pfeil mitten ins Auge und biss ins Gras, bevor die Schlacht erst richtig begann. Und so tot wie geglaubt ist Zarok auch nicht, denn hundert Jahre später kehrt die gehörnte Blasshaut zurück, um einmal mehr nach der Macht über Gallowmere zu greifen. Gelingen soll das mit einer ganzen Armee Untoter. Der dafür ausgesprochene Wiederbelebungszauber funktioniert auch, bringt allerdings neben zahlreichen willigen Diener aus dem Totenreich auch den unglücklichen Sir Daniel wieder zurück auf die Erde. 

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Der bekommt nun endlich die Chance, der Held zu sein, zu dem ihn die Legenden seit jeher verklärt haben (selbst Tote haben scheinbar ein Ego) und greift sich kurzerhand Schwert und Schild, um Zaron und seine Untertanen endgültig zu vernichten. Zum Glück braucht man für so ein Unterfangen weder Unterkiefer noch zwei Augen, sondern nur ein bisschen Chuzpe. Die Qualifikationen sind also gerade so vorhanden. Und die Belohnung kann sich sehen lassen, denn nur wahre Helden dürfen in die sagenumwobene Halle der Helden aufsteigen und dort entspannt die letzte Ruhe verbringen…

(Fast) Alles so wie früher

Wer das Original auf der ersten PlayStation kennt, wird sich im Remake des beliebten Klassikers sofort heimisch fühlen. Am grundlegenden Levelaufbau hat sich nichts geändert, sämtliche Schlüsselobjekte finden sich weiterhin dort, wo sie schon immer auf´s Einsammeln gewartet haben. Generell scheint es das zentrale Anliegen von Entwickler Other Ocean gewesen zu sein, den Klassiker so ursprungsgetreu wie nur möglich in die Gegenwart zu übertragen, das aber natürlich im Mantel einer zeitgemäßeren Technik. Weiterhin vorhanden sind die gelegentlich zu lösenden Rätsel und auch die Nebenaufgaben sind inhaltlich ebenfalls identisch zum Original. Wer übrigens alle 19 verlorenen Seelen einsammelt, darf via Hauptmenü den kompletten, unangetasteten Klassiker als tollen Bonus anwählen. Auch als Remake ist MediEvil kein einfaches Spiel und verfügt über eine teilweise extrem fiese Lernkurve, auch in Hinsicht auf die Bosskämpfe. So richtig unfair fühlt sich das Gameplay aber nie an, einen Spaziergang darf man aber dennoch nicht erwarten.

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Gekämpft wird neben Schwert und Schild auch mit Armbrust, Keule und Co., manches Equipment bleibt aber lediglich jenen vorbehalten, die besonders gut in einem Level abgeschnitten haben und ausreichend Gegner erledigt haben. Erst dann rückt das Spiel nämlich einen goldenen Kelch raus, der dann in der Halle der Helden gegen neue Belohnungen eingetauscht werden kann. Ja, so hat man das früher tatsächlich gemacht – ganz ohne Echtgeld, sondern nur durch simples Spielen. Da lässt es sich absolut verschmerzen, gelegentlich zum Einsammeln der freigeschalteten Kelche auch nochmal komplett an den Anfang eines Levels zurückkehren zu müssen. Außerdem gibt es viele versteckte Passagen, die man sowieso erst später und mit der richtigen Ausrüstung freilegen kann. Manche Objekte wie Wurfdolche verbrauchen sich übrigens und müssen im Shop regelmäßig aufgefüllt werden. Die passende Währung, nämlich Goldmünzen, lassen sich aber ebenso wie schlichter Nachschub an Munition überall finden, wenn man gründlich genug danach Ausschau hält.

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Puristen werden also ihre helle Freude am Remake haben, ein paar Änderungen hier und da hätten aber vor allem dem angestaubten Gameplay nicht geschadet. Gerade das Kampfsystem fällt deutlich aus der Zeit. Trefferfeedback gibt es nämlich nur in Form von kurz aufblinkenden Gegnern, was bei ein-zwei Feinden zwar noch nicht zum Problem wird, spätestens aber bei größeren Ansammlungen zum unübersichtlichen, keineswegs frustfreien Erlebnis gerät. Heilung ist nur an bestimmten Punkten möglich, sind aber erst sämtliche Lebensflaschen verbraucht und man gibt erneut den Löffel ab, heißt es Game Over und das ganze Level nochmal von vorne. So Sachen wie Kontrollpunkte gab es früher eben noch nicht und auch das Remake verzichtet darauf. Und auch die Kameraführung ist weiterhin nicht optimal und versperrt einem trotz Verbesserungen immer mal wieder unschön die Sicht. 

Kunterbuntes Mittelalter

Die drastischsten Veränderungen gibt es also unter dem Strich wirklich eher beim Grafikgerüst, welches für das Remake grundlegend neu entwickelt wurde. Das Ergebnis sieht immer noch aus wie MediEvil, nur eben in deutlich schönerer, zeitgemäßerer Form. Punkten kann die Technik besonders mit liebevoll animierten Charakteren, die in den schön in Szene gesetzten Zwischensequenzen optisch wirklich was hermachen. Das alte Grau ist einem trotz weiterhin düsterem Setting farbenfrohen Anstrich gewichen. Begleitet wird das alles von einem atmosphärischen Soundtrack, der für das Remake komplett neu von einem Orchester eingespielt wurde und in seinen besten Momenten wie ein klassischer Danny Elfman – Score im Rahmen eines Films von Tim Burton spielt. Und wie ein solcher sieht MediEvil sicher nicht ganz zufällig aus.  Spielerisch geht die Sache gut von der Hand, die Bedienung ist angenehm zugänglich geraten und nutzt im Grunde das gleiche Eingabeschema wie schon das Original. 

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So ganz ohne Kritik stehen die technischen Aspekte aber nicht da, und das obwohl das Spiel exklusiv für die PlayStation 4 entwickelt worden ist. Denn ob reguläres oder erweitertes Modell, die Bildrate leidet immer mal wieder unter kleineren bis merklichen Einbrüchen in der Bildrate, wobei die PlayStation 4 PRO aber im direkten Vergleich sauberer performt. Entgegen aller Versprechungen wird auf der PRO übrigens kein natives 4K geboten, sondern dank dynamischer Skalierung nur Werte zwischen 1080p und 1440p, während das Basismodell sich zwischen 900p und 1080p einpendelt. Das ist sehr schade, denn dadurch sind die Unterschiede zwischen den Modellen eher gering ausgefallen. Eine kleine Kelle mehr Schärfe gibt es auf der PRO, das war es aber auch schon. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich zuletzt einen so mittelprächtig optimierten Exklusivtitel gespielt habe. Da wäre sicher deutlich mehr machbar gewesen.

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60 Frames werden jeweils für geschmeidiges Gameplay angestrebt, wirklich nahe dran ist aber auch hier nur die PlayStation 4 PRO. Auf dem Basismodell muss man dagegen mit deutlich heftigeren Einbrüchen leben, in den besten Momenten pendelt sich die Bildrate dort im oberen Vierzigerbereich ein, kann aber auch grundlos unter 30 Frames pro Sekunde fallen, was spätestens dann zu extremen Slowdowns führt.  Support für HDR bieten aber Plattformen, was unter Nutzung eines passenden Fernsehers die Farben dank kräftigerer Kontraste nochmal etwas intensiviert. Ein guter Ersatz für die schwache Performance ist das aber ebenso wenig wie der mit mit knapp 30€ eher klein ausgefallene Preis für das Spiel, vor allem wenn man bedenkt, was bildschöne Exclusives wie Spider-Man und Days Gone zuletzt aus jeweiligen Systemen herausgekitzelt haben (vom kommenden The Last of Us II mal ganz abgesehen). Dagegen fällt MediEvil ziemlich unschön auf. 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„MediEvil zählt unbestritten zu den großen Klassikern einer Ära, die vor allem und über sämtliche seinerzeit verfügbaren Plattformen hitverdächtige Action-Adventures quasi am Fließband ausgespuckt hat. Als solches wird das Spiel nicht zu Unrecht auch heute noch von vielen Fans verehrt. Mit dem Remake hat man sich aber angesichts der stark schwankenden Performance und trotz kleinerer Modernisierungen zahlreichen verbliebenen Altlasten beim Gameplay nicht wirklich einen Gefallen getan. Spielerisch bleibt nämlich alles wie bisher und obwohl MediEvil nie schöner ausgesehen und ebenso nie besser geklungen hat, ist die Neuauflage wahrscheinlich hauptsächlich für Nostalgiker und Fans des Originals interessant, könnte es aber bei Neueinsteigern und chronischen Modernisten eher schwer haben.“

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PRO: 

+ Grafisch gelungene Modernisierung des Klassikers
+ Gelungener Mix aus kunterbunten und düsteren Elementen
+ Toll in Szene gesetzte Zwischensequenzen
+ Angenehm fordernd wie in guten alten Zeiten
+ Sinnvoll integrierte Rätselpassagen
+ Viel zu entdecken 
+ Originalspiel als Bonus freischaltbar
+ Gemessen am Preis anständiger Gesamtumfang
+ Gute deutsche Sprecher
+ Atmosphärischer, sehr hörenswerter Soundtrack 
+ Zugängliche Bedienung

CONTRA:

– Stark schwankende Performance, besonders auf dem Basismodell
– Teils heftige Lernkurven
– Mangelhaftes, nicht mehr dem Zeitgeist entsprechendes Trefferfeedback…
– …welches gerade gegen mehrere Gegner zu vielen Frustmomenten führen kann
– Immer wieder Kameraprobleme

                                          GESAMTWERTUNG:     7.0/10

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