Die Dokumentation
Moore zeichnet aber nicht nur ein kritisches Bild zu Trump und seinen Anhängern, auch dessen eigene demokratische Basis bekommt hemmungslos ihr Fett weg. Gnadenlos enthüllt der Filmemacher den stetigen Einfluss des Establishments, der großen Banken und Unternehmen, welche die einst so liberalen Demokraten in ihrem Handeln mehr und mehr selbst immer konservativer haben werden ließen und lassen. Ob persönliche oder finanzielle Interessen, selbst der ehemalige Präsident Obama kommt dabei nicht ungeschoren davon. Und auch die heute so kritischen Zeitungen tragen mit ihrer Berichterstattung einen Anteil daran, dass die Dinge heute so sind, wie sie eben sind. All das und mehr hat dafür gesorgt, dass Donald Trump passieren MUSSTE.
Aber auch Amerika selbst kommt in Fahrenheit 11/9 nur bedingt gut weg. Amokläufe an Schulen, der Einfluss der Lobbyisten bei strengeren Waffengesetzen und vor allem der Trinkwasserskandal in Moore´s Heimat Flint, Michigan sind zentrale Themen einer Dokumentation, die aber gleichzeitig auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht. Die Gegenwart mag trostlos erscheinen, voller Zorn und Angst. Doch genau diese Gegenwart bietet auch den Nährboden für eine neue, idealistische Generation von Aktivisten und Politikern, die entschlossen dafür eintreten, ein besseres Amerika zu erschaffen…
Die Rezension
Michael Moore zählt spätestens seit Bowling for Columbine zu den gefürchtetsten, gleichzeitig aber auch am kontroversesten diskutierten Dokumentarfilmern der Welt. Mit Fahrenheit 11/9 hat der Oscar© – Preisträger allerdings einen seiner besten Werke seit Jahren abgeliefert, der sich gemessen an früheren Werken angenehm neutral präsentiert und dabei keine Seite verschont. In eindrucksvollen und gleichermaßen verstörenden Bildern entführt Moore den Zuschauer in ein Amerika, welches im Begriff ist, sich unter dem lange von Oben aus geschürten Hass selbst zu zerfleischen. Dabei offenbaren sich nicht nur Zustände, die an die schlimmsten Phasen der Rassentrennung erinnern, sondern auch Unmengen politischer Skandale, die einem kalte Schauer über den Rücken laufen lassen und die Frage aufwerfen, ob es die Politiker hierzulande denn großartig anders handhaben, wenn es um die Wahrung eigener Interessen geht.
So werden innerparteiliche Feinde von höchster Stelle ausgebootet, wie es unter anderem dem eigentlich haushoch favorisierten Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders einst wiederfahren ist, weil der sich bewusst links abseits präsentiert hat und deswegen als Gefahr für die alte Wall Street – Riege galt. Bei all diesen Enthüllungen kommt auch der Humor nicht zu kurz. Wenn Moore beispielsweise versucht, den ehemaligen Gouverneur von Michigan mit den Folgen des von ihm verursachten Trinkwasserskandals zu konfrontieren, diesen aber nie zu fassen bekommt und stattdessen einfach dessen Vorgarten mit einem ganzen Tankwagen voll Lorke einsprüht, ist das Widerstand der herrlichsten Art, der einem aber doch auch sauer aufstößt. Um die Ereignisse des Films zu verstehen, muss man kein Politikexperte sein. Denn selbst die unpolitischsten Menschen bekommen in etwas mehr als zwei Stunden Laufzeit knallhart demonstriert, was passieren kann, wenn Menschen egal wird, wer sie regiert und aus welchen Gründen. Der Hitlervergleich am Ende wirkt zwar stellenweise etwas weit hergeholt, gewisse Parallenen zu dessen Machtergreifung lassen sich allerdings nicht leugnen.
Die zentrale Botschaft lautet am Ende aber nicht „Gebt alle Hoffnung auf“, sondern das Gegenteil ist der Fall. Hoffnung ist da. Sie lebt in jungen Aktivisten wie der Amoklaufüberlebenden Emma Gonzalez, die sich seitdem für ein Waffenverbot in den U.S.A. stark macht und gewaltige Massen junger Menschen um sich versammelt. Oder in der demokratischen Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, die sich wie viele andere Nachwuchspolitiker weigern, dem Establishment zu folgen. Aus der Asche heraus ist eine neue Generation entstanden, die sich unentwegt für besseres Amerika einsetzt. Bleibt nur die Frage, ob diese eine Chance gegen die etablierten Kräfte hat…oder ob es am Ende sogar noch schlimmer kommen könnte. Eine Frage, die selbst eine fantastische Dokumentation wie diese unmöglich beantworten kann.
Die DVD
Schade, dass es hierzulande lediglich bei einer DVD – Auswertung geblieben ist. Dementsprechend gibt es über die Bildqualität nur wenig zu sagen, zumal sich eine Dokumentation, die in erster Linie einen Zusammenschnitt aus zahlreichen Quellen darstellt, ohnehin nicht einheitlich beurteilt werden kann. Gemessen an gegenwärtigen Standards bleibt das veraltete Format natürlich ein unscharfes Vergnügen, bietet dafür aber immerhin noch eine akzeptable Kompression, die mit wenig Artefaktbildung auskommt, dem insgesamt ruhigen Bild sei Dank. Die Farbgebung ist ebenfalls stark abhängig vom jeweiligen Quellmaterial und präsentiert sich mal blass und ausgewaschen, dann aber wieder mit überraschend satten Primärtönen. Dennoch, eine Blu-Ray – Auswertung wäre auch für den deutschsprachigen Raum wünschenswert gewesen.
Auch zum Ton gibt es wenig zu sagen. Die deutsche Narration ist gelungen, wenngleich Teile des Films wie immer weiterhin in Englisch mit deutschen Untertiteln wiedergegeben werden. Wer es pur mag, kann aber auch komplett auf den Originalton ausweichen. Beides wird im handelsüblichen Dolby Digital 5.1 – Format angeboten und zeigt sich genrebedingt wenig überraschend hauptsächlich nahezu komplett frontlastig. Die Stimmverständlichkeit, das primär wichtige Attribut einer solchen Veröffentlichung, ist aber absolut einwandfrei. Extras gibt es wenig überraschend ebenfalls nicht, lediglich der Trailer zur Doku sowie zehn weitere Trailer zum Portfolio des Verleihs haben es noch mit auf den Datenträger geschafft.
Fazit
„Es sind düstere und doch auch hochspannende Zeiten, in denen wir leben. Bald vier Jahre Donald Trump haben genügt, um nicht nur einigen Schaden anzurichten, sondern auch mehr und mehr jungen Widerstand gegen die politisch festgefahrenen Etablierten zu schüren. Kommendes Jahr wird in den Vereinigten Staaten wieder gewählt und längst steht fest, dass Trump für eine zweite Amtszeit kandidieren wird. So wie es gegenwärtig aussieht, könnte sich das Schreckensszenario von 2016 im nächsten Jahr wiederholen. Und wieder wird sich die Frage stellen, wer daran Schuld hat. Einige Antworten darauf liefert Michael Moore bereits jetzt. Fahrenheit 11/9 ist ein überraschend neutrales, extrem kritisches Stück Gegenwartsbetrachtung, dass ununterbrochen dafür wirbt, selbst die Initiative zu ergreifen, anstatt einfach klanglos alles hinzunehmen, was einem vorgesetzt wird. Diese Botschaft kommt an. Eine Dokumentation, die man gesehen haben sollte. Denn noch ist es nicht zu spät.“
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