Destiny 2™ im Test: Was kann die Fortsetzung wirklich?

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                             Getestet von Horus & General M – Verfasst von General M 

Was hatten es die Hüter der Galaxie doch schwer zu Beginn des ersten Destiny – das mit knapp 500 Millionen Dollar teuerste Spiel aller Zeiten schlug dank gewaltiger Werbekampagne zwar ein wie eine Bombe, die Begeisterung der Spieler hielt allerdings nur kurz an. Der Kampagne mangelte es an Abwechslung, End Content und PvP nutzten sich schnell ab. Wer nach Erreichen des Höchstlevels keine Lust hatte, abseits der wöchentlichen Herausforderungen Strike um Strike zu absolvieren, um seine Ausrüstung auf ein Maximum zu pushen, warf das Spiel entweder zügig in die Ecke oder bemühte sich, das Spiel auf dem Gebrauchtmarkt loszuwerden. Das war der Anfang. Doch weder Publisher Activision noch Entwickler Bungie wollten das ambitionierte Projekt einfach aufgeben. Dank konsequenten Verbesserungen, neuen Inhalten und immer besser werdenden DLC – Erweiterungen wurde das Spiel ein achtbarer Erfolg. Nun steht die Fortsetzung an, der Entwickler hat versprochen, dieses Mal gleich zu Beginn alles besser machen zu wollen. Hebt sich der zweite Teil also deutlich vom Vorgänger ab? Oder sollten sich angehende Hüter…hüten? 

Kabale und Liebe

Die Fortsetzung setzt da an, wo der erste Teil basierend auf der letzten Erweiterung endete. Zahlreiche Bedrohungen abgewendet, unzählige Gegner getötet…die Galaxis schien vorerst gerettet. Vorerst, denn neues Übel zieht auf. Über der letzten Stadt, dem zentralen Anlaufpunkt im ersten Teil, zieht aus dem Nichts eine gewaltige Flotte der Kabale auf. Deren Anführer Ghaul befehligt die als unbesiegbar geltenden Elitetruppen der Rotlegion und ist gekommen, um das Licht des Reisenden für sich zu beanspruchen. Dazu richtet er eine riesige Waffe namens „Die Allmacht“ auf die Sonne (man weiß ja nie, wann das mal nützlich sein kann) und widmet sich dann dem Reisenden selbst. Es passiert, was passieren muss: Zwar können die Hüter unter Leitung ihrer jeweiligen Fraktionsführer einige Feinde besiegen, scheitern am Ende aber doch. Der Reisende zerbricht, die Hüter verlieren ihre Kräfte. 

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                        Kabale – Anführer Ghaul ist hinter dem Licht des Reisenden her. 

Was folgt, ist klar. Der Hüter muss seine Kräfte zurückerlangen, die Feinde auf allen Territorien zurückschlagen und Ghaul in die ewigen Jagdgründe befördern. Bis wir dem vorläufigen Oberschurken des Spiels erneut gegenüberstehen, vergehen circa 7-9 Stunden im Rahmen der Hauptgeschichte. Dann ist die Maximalstufe von 20 erreicht und man ist für gewöhnlich bei einer respektablen Ausrüstungsqualität angelangt. Die Gesamtinszenierung der Handlung ist in der Tat etwas gelungener als die des Erstlings, lässt große erzählerische Tiefe aber leider erneut vermissen. Nicht nur, dass Ghaul als Obermotz im gesamten Spielverlauf vor der letzten Mission kaum Erwähnung findet, auch der finale Kampf entbehrt zahlreichen Logikelementen. Ein durch das Licht übermächtig gewordener Kabale – Führer wird (das ist kein Spoiler, sondern eine logische Erwartung) durch einen einzelnen Hüter in einem Kampf besiegt, der nicht viel mehr zu bieten hat als das konsequente Abwehren zusätzlicher Feinde? Schwach. Zumal das Spiel kaum die zahlreichen Chancen nutzt, abseits der stereotypischen Fraktionsführer Charaktertiefe zu präsentieren. Denn auch unser Hüten bleibt stets stumm und bietet somit keinerlei Identifikations- und Sympathiepunkte. Der Geist als Begleiter sorgt zwar hier und da für einige kleine Lacher, kann besagte Mängel aber im Rahmen einer so großen Welt wie jener von Destiny 2 niemals ausgleichen.

Der Teufel steckt im Detail

Klar, die klassische „Schurke kommt mit großer Armee und macht alles platt, organisiert den Widerstand“ – Geschichte ist generisch, hätte im Rahmen des Destiny – Universum aber dennoch Potenzial gehabt, welches aber kaum bis gar nicht genutzt wurde. Zwar wurde die Kampagne durch einige gut inszenierte Zwischensequenzen aufgemotzt, die zahlreichen Ladezeiten zwischen den immer wieder nötigen Gebietswechseln (PVE, PVP, Strikes etc.) reißen jedoch immer wieder aus diesen kleinen erzählerisch intensiven Momenten heraus. Denn auch zwischen diesen Momenten mangelt es der Kampagne spielerisch an epischen Höhepunkten. Ein Großteil der Missionen besteht lediglich darin, zu Punkt X zu fliegen und dann dort auf alles zu schießen, was nicht freundlich wirkt. Die vier Zonen werden somit lediglich nacheinander abgeflogen und die dort heimische Gegnerart bestmöglichst ausgedünnt. Kenner des ersten Teils suchen hier vergeblich nach neuen Gegnern. Obwohl optisch etwas differenziert, bestehen die Feindhorden aus den exakt selben Rassen und Einheiten wie im Vorgänger. Es geht also erneut gegen Gefallene, Besessene und Co. Die versprochene Innovation ist also inhaltlich konsequent ausgeblieben, denn auch die jeweiligen Hüter teilen sich noch immer ausschließlich in die drei Kategorien Warlock, Titan und Hunter auf, deren allermeiste Fähigkeiten ebenfalls erneut Verwendung in der Fortsetzung gefunden haben. Destiny 2 begeht so leider den gleichen Fehler, welchen auch Teil 1 seinerzeit begangen hat. Angekündigt als viel heiße Luft, befindet sich dahinter auf den ersten Blick nichts, was als spürbare Weiterentwicklung betrachtet werden kann, sondern viel eher einfach mehr vom Gleichen. Dass man dann aber gleichzeitig schon wieder zwei hochpreisige Erweiterungen unter das Volk bringt, deren erste nicht vor Jahresende erscheint, wirkt frech.

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                       Der PVP bietet altbekannte Kost, leider aber auch altbekannte Ärgernisse.
 
Ferner führt Teil 2 nun auch Mikrotransaktionen ein, mit welchen für Echtgeld glänzende Engramme im Spiel erworben werden können, welche je nach Inhalt auch Einfluss auf die Stärken des Hüters nehmen können. Bis zu 20€ lassen sich hier für das jeweils dickste angebotene Paket ausgeben. Das ist Pay-2-Win und gibt bei uns grundsätzlich Punktabzug. Man sollte meinen, Bungie hätte aus den Ärgernissen des ersten Teils gelernt. Bis zur Veröffentlichung des ersten Strikes am 13. September erwartet die am Höchstlevel angelangten Hüter Gameplay nach Schema F. Ruf erhöhen, Engramme einsammeln, all das ist ebenfalls nichts Neues und verliert schnell seinen Reiz, weil die Auswahlmöglichkeiten momentan noch viel zu gering ist, um dauerhaft Abwechslungs in das lästige Grinding zu bringen. 

Oberflächliche Verbesserungen

Allerdings hat Destiny 2 in der Tat zahlreiche kleine Verbesserungen zum Vorgänger zu bieten, die zum einen hier und da etwas mehr Komfort mit sich bringen, zum anderen aber auch dafür sorgen, dass sich die Spielwelt etwas lebendiger und intuitiver anfühlt. So ist es nun endlich möglich, direkt von Zone zu Zone zu reisen, ohne dabei stets vorher den Umweg über den neutralen Raum machen zu müssen. Das erspart eine der bereits erwähnten zahlreichen Ladeunterbrechungen und ist immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, zumal die Gesamtladezeiten zum Glück noch gute 1-2 Stufen unter den schier endlos anmutenden Spielpausen eines Final Fantasy XV stehen. Ferner gibt es jetzt Schnellreisepunkte in den einzelnen Zonen, mit denen man weiter Zeit einsparen kann. Einen Boost erhalten auch die Fähigkeiten der Hüter und sind somit sehr viel schneller freischaltbar als noch im Vorgänger. Das bringt etwas Tempo ins einstmals so gemächlich erscheinende Gameplay und bietet die Möglichkeit, noch mehr mit den jeweiligen Talenten zu experimentieren, zumal sich die drei Klassen untereinander angenehm voneinander unterscheiden und nachwievor allesamt besondere Stärken und Schwächen besitzen, die im Team optimal kompensiert werden können. Da die Public – Events bis zum Release die einzigen Ereignisse mit einem gewissen Gruppenzwang sind, lässt sich das Zusammenspiel im Rahmen eines fordernden Raids jedoch noch nicht bewerten. Neu hinzugekommen ist auch die intensivere Individualisierung des immer noch am wichtigsten Ausrüstungsstückes: Der Knarre. Während Skins die Optik aufhübschen, verbessern/verändern andere Mods die Handhabung ganz nach den persönlichen Bedürfnissen des jeweiligen Hüters. 

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                 Die Hüter spielen ihre Stärken sowohl alleine, besonders aber im Team voll aus. 

Eine dringende Verbesserung hat Bungie den Besitzern der Konsolenfassung allerdings vorenthalten (die PC – Version erscheint erst am 24. Oktober, gesonderter Test folgt): Die Gildenorganisation kann noch immer nicht bequem über das Spiel selbst getätigt werden, sondern muss noch immer extrem fummelig und umständlich über den konsoleninternen Web – Browser erledigt werden. Beachtet man, dass es auch im PVP kaum Neuerungen gibt und darüber hinaus die Ausschüttung von Belohnungen am Ende der Runde immer noch völlig willkürlich wirkt (da greifen dann die Schlusslichter der Runde mal eben zwei Engramme ab) und auch hier dauernd geladen werden muss, muss man auch hier leider feststellen, dass sich das, was sich Destiny 2 nennt, viel mehr wie ein Destiny 1.5 anfühlt, wenn überhaupt. Klar gibt es hier und da etwas mehr, manches wirkt zugänglicher als zuvor, der große Sprung einer Hauptfortsetzung bleibt aber enttäuschenderweise fast komplett aus. 

Etwas bunter, etwas runder

In Sachen Technik sind ebenfalls kaum Änderungen zu spüren. Teil 2 wirkt hier und da etwas farbenfroher als der Vorgänger, sieht ansonsten aber nahezu identisch zu selbigem aus. Das muss nichts Schlechtes sein, da sich das Spiel immer noch sehen lassen kann, jedoch gibt es bereits deutlich hübschere Shooter am Markt, besonders aus dem Hause Activision selbst. Die Konsolenfassungen gleichen sich dabei vollständig, allerdings bietet die PlayStation 4 in der Pro – Variante hier 4K Support bei gleichbleibender Bildate von 30 Bildern pro Sekunde. Besagte Auflösung ist jedoch nicht nativ, sondern wird lediglich hochskaliert. Der Unterschied zur Standardvariante ist allerdings sichtbar. Bereits die noch laufende Beta der PC – Version beweist jedoch schon jetzt, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit den Boden mit den Konsolenversionen aufwischen wird, 4K oder nicht. Diese Auflösung bietet der PC nämlich nativ an, darunter zahlreiche Einstellungen für maximale Details und Co., ferner eine absolut vorbildliche Gesamtoptimierung. Wer also starke Hardware im heimischem Rechenknecht verbaut hat und nicht an Freundesgruppen auf der Konsole gebunden ist, sollte vielleicht noch etwas warten. Ferner sind auf der PlayStation 4 einige Abstürze aufgetreten, die allesamt spielbedingt verursacht worden sind. Nichts Problematisches, aber ärgerlich ist es dank der langen Ladezeiten allemal, das Spiel anschließend erneut starten zu müssen. Bugs und Glitches sind uns dafür nicht vor die Flinte gerannt, hier wirkt alles gründlich und sauber. Dafür ist an vielen Stellen ein konsolentypisches Kantenflimmern wahrzunehmen.

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                Kein Meilenstein, aber technisch immer noch sehr solide: Die Technik von Destiny 2.

Die Deutsche Version kann als solche übrigens empfohlen werden, da die Sprecher allesamt einen soliden Job machen und ihre Figuren im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten gut ausfüllen. Ein dickes Lob gibt es für den Soundtrack: Erstmals bewegt sich Bungie wieder an einem so hohen Niveau, dass man sich als alteingesessener Gamer gerne an die alten Halo – Days zurückerinnert. Dessen Leitmotif haben Fans wahrscheinlich noch heute im Kopf. Dadadadaaa…dadadadaaaa…dadadadaaaaa…aber lassen wir das. Toller Soundtrack. Punkt. 

Fazit und Wertung

ava2 „Destiny 2 ist absolut kein Reinfall. Wer den ersten Teil geliebt hat, wird mit dem zweiten Teil nahtlos an bisherige Erlebnisse ansetzen können. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sich Teil 2 auch durch Innovationsarmut auszeichnet, welche in dieser Form besonders auffällig und gleichermaßen enttäuschend erscheint. Zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten wurden nicht genutzt, stattdessen wurde vieles einfach 1 zu 1 aus Teil 1 übernommen. Für einen großen zweiten Teil ist der Gesamtfortschritt einfach viel zu gering. In Sachen Story kränkelt das Spiel und verfehlt die Chance, trotz recht generischer Basis die Stärken des Universums auszuspielen. Auch die Charaktere bleiben hier auf der Strecke, allen voran der stumme Hüter sowie der Bösewicht, der am Ende fast wie eine existenzielle Rechtfertigung dafür erscheint, bis zu seinem Niedergang durch den Hüter auf alles mögliche zu schießen. Am Ende wirkt das Hauptspiel wieder wie ein noch etwas leerer Spielplatz abseits seiner Möglichkeiten, für den bereits zwei Erweiterungen in den Startlöchern stehen. All das klingt so viel mehr nach Destiny 1, wird einer wahren Fortsetzung also einfach nicht gerecht.“ 

PRO:

+ Setzt Handlung des Vorgängers nahtlos fort
+ Kurze Zusammenfassung der Ereignisse des ersten Teils enthalten
+ Abwechslungsreiche Zonen
+ Imposante Zwischensequenzen
+ Teilweise sehr schöne Panoramen
+ Unterschiedliche Hüterklassen mit spürbar unterschiedlichen Fähigkeiten
+ Grundsolide Technik
+ Eingängige Bedienung
+ Viele kleine Verbesserungen
+ Ordentlicher Grundumfang (7-10 Stunden)
+ Gildensystem
+ Exzellenter Soundtrack
+ Gute Deutsche Sprecher

CONTRA:

– Lässt größere Veränderungen missen
– Augenblicklich viel Grinding statt motivierendem End Content
– Mehr Erweiterung als Hauptspiel
– Missionen mangelt es an Abwechslung
– Spielerisch kaum fordernd
– Teamplay kommt kaum zur Geltung
– Extrem viel Recycling aus Teil 1 (u.A. Gegnermodelle)
– Fraktionsführer behalten stereotypische Rollen zwischen Clown und Eisblock bei
– Belanglose Handlung
– Extrem blasser Bösewicht
– Stummer Hüter ohne Persönlichkeit
– Immer noch nervige, lange Ladezeiten und davon viele
– Charaktere aus Teil 1 lassen sich nicht übernehmen
– Magerer Charaktereditor
– Fragwürdige Mikrotransaktionen
– Immer noch willkürliche Beuteverteilung im PvP
– Gildensystem auf Konsole noch immer extrem umständlich

                                                     GESAMTWERTUNG:     72%

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