Command & Conquer Remastered Collection – „Die volle Kan(n)e Retro!“

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                                                     Getestet und verfasst von General M 
  
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Die ehemalige Spieleschmiede Westwood Studios zählte  bis zu ihrem unrühmlichen Ende ohne Zweifel nicht nur zu den bedeutsamsten Größen im Genre der Echtzeitstragiespiele, sondern zeigte sich maßgeblich verantwortlich für dessen Erschaffung. 1995 wurde mit Command & Conquer der Grundstein für eine langlebige Reihe gelegt, die letzendlich in zwei verschiedenen Universen münden sollte, nämlich dem sogenannten Tiberiumkonflikt und einer alternativen Zeitlinie, in der sich die ehemalige Sowietunion mittels Zeitmanipulation zur größten Bedrohung für die freie Welt erhebt. Deren jeweils erste Titel wurden nun nach langer Wartezeit umfangreich und mit sämtlichen Erweiterungen versehen remastered. Wir haben die Command & Conquer Remastered Collection nicht nur umfangreich für euch auf den Prüfstand geschickt, sondern wollen auch der Frage nachgehen, wie gut die Oldies spielerisch gegen die aktuelle Konkurrenz ankommen. 

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Ein Vierteljahrhundert später

Zugegeben: Als Jahrgang 1988 habe ich mich erst einige Jahre nach Erstveröffentlichung mit den Anfängen der Reihe auseinandersetzen können. Spätestens mit den Ablegern Alarmstufe Rot 2 und Tiberian Sun bin ich dann aber endgültig voll in das Franchise eingestiegen und habe seitdem zahlreiche Stunden über diese und alle Fortsetzungen zugebracht. Bis Westwood seiner Traditionsreihe mit dem völlig verhauenen Tiberium Twilight endgütig den letzten Sargnagel verpasste, galt Command & Conquer neben dem ewigen Konkurrenten Age of Empires als Pflichtprogramm für Echtzeitstrategen. Schuld am Niedergang der Firma war allerdings gar nicht Electronic Arts, die das Studio mit Sitz in Las Vegas kurz vor dem Millennium übernahmen, sondern schlechte kreative Entscheidungen im Team selbst, wie der ehemalige Westwood-Chef Louis Castle Jahre später selbst zugab. Quantität über Qualität, immer neue Jungentwickler ohne entsprechende Erfahrung…letztendlich war das Studio seinem eigenen Erfolg nicht mehr gewachsen. 

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Viele ehemalige Mitarbeiter, darunter auch hauptverantwortliche Schöpfer der ersten Titel aus dem Command & Conquer-Universum, haben sich seitdem unter dem neuen Namen Petroglyph Games zusammengefunden und verfolgen nach Titeln wie Star Wars: Empire at War wieder kleinere Projekte, darunter zum Beispiel Grey Goo oder Conan: Unconquered. Nun durften viele alte Hasen und Industrieveteranen zu ihrer womöglich größten Schöpfung zurückkehren. Die Command & Conquer Remastered Collection enthält nicht nur die beiden Hauptspiele Der Tiberiumkonflikt und Alarmstufe Rot, sondern auch sämtliche jeweils veröffentlichten Erweiterungen, sondern sogar die bisher ausschließlich Besitzern der allerersten PlayStation vorbehaltenen Bonusmissionen. Ein extrem umfangreiches Bundle also, welches mit weniger als zwanzig Euro ein mehr als faires Preisleistungsverhältnis bietet. Für deutschsprachige Fans ist das Remaster gleich doppelt Grund zur Freude, denn anders als die Originale kommt die Remastered Collection erstmals vollständig unzensiert daher. 

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Statt Androiden bekriegen sich nun wieder echte Menschen auf den Schlachtfeldern der Zukunft, bzw. der alternativen Zeitlinie. Statt schwarzem Öl wird rot geblutet, während überfahrene Einheiten nicht mehr wie Konservendosen klingen, sondern effektvoll aufschreien. „Kriegsspiele“ mit menschlichen Soldaten wollten die damals noch streng konservativen Sittenwächter hiesigen Spielern einfach nicht zumuten. Dementsprechend wurden auch die zahlreichen Videosequenzen in der deutschen Synchronfassung angepasst, auch fehlende Foltersequenzen oder die storytechnisch essentielle Begegnung mit einem jungen Adolf Hitler in Alarmstufe Rot bekam man hier nie offiziell zu sehen. All das ist in der Remastered Collection wieder enthalten. Weil man aber keine neue Synchronisation anfertigen konnte oder wollte, wird zumindest in Briefings und Co. weiterhin von künstlichen Lebensformen gesprochen. Störend ist das aber nicht, denn ein gewisser nostalgischer Charme entsteht dadurch allemal. Auf der anderen Seite kommt man aber nicht umher zu sagen, dass die Sprecher schon damals alles andere als professionell rüberkamen. Ein Vierteljahrhundert später klingt das Gehörte nur noch mieser und wirkt oft unfreiwillig komisch. 

The Good, the Bad and the Ugly

Reden wir wie in diesem Fall von einem Remaster statt einem Remake ist klar, dass nicht jedes Element dem Zahn der Zeit standhalten kann. Die notdürftig hochskalierten und qualitativ stark schwankenden Videosequenzen sind da nur ein Beispiel, Synchro hin oder her. Ich will deswegen aber kein Fass aufmachen, schließlich entstanden die Originalaufnahmen schon unter einem für damalige Verhältnisse extrem kleinen Budget, wobei man den Cast hauptsächlich aus Teammitgliedern oder deren Freundeskreis heraus rekrutierte (Joe „Kane“ Kucan war zum Zeitpunkt der Aufnahmen unter anderem Videodirektor bei Westwood). Ein anderes, zeitgemäßeres Ergebnis hätte nicht nur komplette Neuaufnahmen erforderlich gemacht, sondern auch Retrofans vor den Kopf gestoßen. Und genau an die richtet sich die Command & Conquer Remastered Collection in allererster Linie. 

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Für die überarbeitete Neuauflage der geliebten Klassiker haben die verantwortlichen Studios Petroglyph und Lemon Sky an anderer Stelle schon tiefer in die Trickkiste gegriffen: Sämtliche Karten, Effekte, Gebäude und Einheitenmodelle wurden basierend auf den Originalentwürfen komplett neu in 4K erstellt, erhalten sich dabei aber immer noch den Charme der Vorlage. Das Ergebnis kann zwar zu keinem Zeitpunkt mit aktuellen Genregrößen mithalten und hätte sich sogar der Urversion eines Warcraft III noch technisch unterzuordnen, stellt aber gemessen an seinen eigenen Ursprüngen samt deren Alter eine mehr als ordentliche Verbesserung dar. Wer will, kann via einfachem Druck auf die Leertaste übrigens jederzeit nahtlos zwischen alter und neuer Grafik wechseln. Dazu gibt es nun erstmals die Möglichkeit, in insgesamt sieben Stufen näher an das Geschehen heranzuzoomen. Dadurch verliert das Geschehen zwar immer mehr von seiner knackigen Schärfe, der Übersicht tut das aber immer wieder gut. Gleiches gilt für das überarbeitete Baumenü, dass einen jetzt mehrere Arbeitsvorgänge auf einmal durchführen lässt. Die Nachfolger beider Titel hatten das bereits standardmäßig an Bord, während man hier in den jeweiligen Originalversionen für jeden neuen Auftrag wieder auf den dazugehörigen Produktionsbutton klicken musste. 

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Dafür fehlt auch dem Remaster die Option, produzierte Einheiten an einem vordefinierten Punkt sammeln zu können. Eine Möglichkeit, Einheiten Patrouillenrouten und Verhalten bei Feindkontakt vorgeben zu können, sucht man ebenfalls vergeblich. Immerhin: Zieht man ein größeres Quadrat um sämtliche Truppen in der Basis, wird der Sammler nicht mehr automatisch miterfasst. Dadurch haben die Macher wenigstens einen der größten Kritikpunkte der Originale beseitigt. Komplett unangetastet bleibt andererseits die miserable K.I. bei der Wegfindung. Ich kann gar nicht aufzählen, wie oft sich meine Truppenverbände über die vielen Stunden Testzeit immer wieder zerstreut haben, an irgendwelchen Kartenelementen festhingen oder sogar direkt durch die feindliche Basis manövriert sind. Wie häufig mein Sammler anstelle des direkten Weges lieber weitläufige Umwege zurück zur Raffinerie nehmen wollte. All das hat schon 1995 für eine Menge Frust gesorgt. Auf all das können sich auch Käufer der Remastered Collection wieder einstellen. Bei aller Liebe zur Vorlagentreue: Eine bessere K.I. hätte den Neuauflagen bzw. ihrem nostalgischen Charme sicher nicht geschadet. Im Gegenteil, hier wurde eine Menge Potenzial verschenkt. 

Jawohl, Sir! Breche auf! Alles klar, Sir!

Gleiches gilt für die Einheitensounds, die mangels neuer Ergänzungen noch genauso minimalistisch klingen wie damals. Drei vier kurze Sätze, die sich sämtliche Einheiten teilen…viel mehr bekommt man nicht zu hören. Die ewigen Wiederholungen gingen mir irgendwann so auf die Nerven, dass ich die Sprache in den Missionen lieber komplett abschaltete. Die wenigen Worte klingen dafür dank umfangreichem Remastering so sauber und kristallklar wie nie zuvor. Ein Kompliment, dass man auch dem ikonischen Soundtrack machen darf. Nicht nur, dass sich der ursprüngliche Composer Frank Klepacki höchstselbst für die Überarbeitung von knapp sieben Stunden Musik verantwortlich zeigt, auch längst verloren geglaubte Musikstücke wurden den jeweiligen Spielen wieder hinzugefügt. 

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Für beinharte Nostalgiker gibt es aber zum Glück die Option, selbst zu entscheiden, ob er lieber den originalen oder den neu gemasterten Tracks lauschen will, oder einfach einem Mix aus beidem. Ebenso können die neuen Tracks auf Wunsch komplett deaktiviert werden. Vorbildlicher geht es kaum. Über die zusätzlich integrierte Jukebox kann man dem kompletten Soundtrack als besonderes Extra auch außerhalb des eigentlichen Spiels lauschen. Dazu gibt es tonnenweise bisher unveröffentlichtes Archivmaterial von den Videoaufnahmen, welches sich Stück für Stück als Extra nach erfolgreich absolvierten Einsätzen freischaltet und anschließend unter einem separaten Reiter via Hauptmenü gesichtet werden kann. Kombiniert kommt da mit fast zweihundert Clips einiges zusammen. 

Mods und Multiplayer

Wo damals noch das Zusammenschließen mehrerer Rechner via Netzwerk als Krone der Möglichkeiten war, ist heute längst das nahtlose Gefechteln über das Internet mit oder gegen Spieler aus aller Welt. Command & Conquer zählt zu den absoluten Pionieren in Sachen Mehrspielerunterstützung. Für das Remaster hat man den kompletten Modus komplett neu programmiert, an aktuelle Bedürfnisse angepasst und gleichzeitig umfangreich modernisiert.  Damit steht auch alten und neuen Fans der Reihe das Tor zu unzähligen Stunden spannender Mehrspielergefechte zwischen GDI und der Bruderschaft von NOD, bzw. Allierten und Sowiets offen. Im Test hat von der Spielersuche bis über die Partie selbst alles reibungslos funktioniert. Und obwohl Electronic Arts als abermaliger Publisher seiner aktuellen Linie treu bleibt und den Titel zeitgleich auf Steam sowie der hauseigenen Plattform Origin anbietet, ist ein plattformübergreifendes Spiel problemlos möglich.

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Vorbildlich ist zu guter letzt der starke Support der Modder. Der Quellcode des Spiels wurde bereits kurz vor offiziellem Release kostenlos ins Internet gestellt und bietet sämtlichen Bastlern alle erdenklichen Möglichkeiten, zusammen mit dem mitgelieferten Editor nicht nur neue Karten und Kampagnen zu erstellen und diese kostenlos mit allen anderen Spielern zu teilen, sondern auch kleinere Modifikationen wie neue Einheiten, Gebäude und Balancinganpassungen zu erschaffen. Das soll garantieren, dass Spieler auch nach Absolvieren aller enthaltenen Missionen noch lange Spaß mit der Neuauflage haben. Die Chancen dafür stehen dank so viel Kundenfreundlichkeit allerdings ziemlich gut! 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Wer mit der Command & Conquer Remastered Collection eine grafisch wie spielerisch zeitgemäße Neuauflage zweier große Genreklassiker erwartet, den erwartet wahrscheinlich eine herbe Enttäuschung. Wer allerdings ein bisschen Nostalgie in liebevoll aufbereitetem, aber dabei stets identätsbewahrendem Retrogewand erleben will, wird mit der umfangreichen Collection bestens bedient. Zwar hätte ich mir vor allem in Sachen K.I., Videoqualität und Synchro dringend notwendige Verbesserungen gewünscht, dafür liefert das Remaster immerhin mehr Bedienungskomfort, bessere Übersicht und fantastisch überarbeiteten Sound. Modder und Multiplayerfans sollten mit der dargebotenen Fülle an einwandfrei funktionierenden Möglichkeiten ebenfalls sehr glücklich werden. Mehr Titel? Gerne. Dann aber bitte mit mehr Mut zu tiefgreifenderen Optimierungen abseits der Oberfläche!“

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PRO:

+ Grundlegend gelungene Aufbereitungen sämtlicher Grafiken und Assets
+ Problemloser Wechsel zwischen altem und neuem Look jederzeit möglich
+ Insgesamt zwei Kampagnen, drei Erweiterungen und Bonusmissionen enthalten
+ Abseits der alten Synchronverfälschungen erstmals komplett unzensiert
+ Erstklassig remasterter Soundtrack und Einheitensounds
+ Viele sinnvolle Komfortverbesserungen
+ Editor im Paket enthalten
+ Drei Schwierigkeitsgrade
+ Viele freischaltbare Bonusvideos
+ Umfangreiche Mehrspielerkomponente
+ Vorbildlicher Mod-Support

CONTRA:

– Videoqualität schwankt von allenfalls mittelmäßig bis sehr schlecht
– Deutsche Synchronfassung weiterhin inhaltsfremd…
– …und darüber hinaus alles andere als hochwertig 
– Relativ geringe Einheitenvielfalt
– Alle Truppen teilen sich die gleichen drei, vier Sätze
– Damals wie heute massive Wegfindungsprobleme
– Keine frei setzbaren Sammelpunkte

                                                GESAMTWERTUNG:     7.8/10

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