WWE 2K22 – „Auferstanden aus Ruinen“

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                                                    Getestet und verfasst von General M 

81zRuOmHoyL. SL1500 Wir schreiben den 22. Oktober 2019, als Corona noch primär eine Biersorte war und niemand geahnt hätte, dass unweit von unseren Grenzen mal ein Angriffskrieg stattfinden würde. Katastrophen spielten sich damals eher im kleinen Maßstab ab. Und zu denen kann man WWE 2K20 zweifelsohne zählen. In jeder Hinsicht fehlerhaft, nicht selten unspielbar und sowohl mechanisch als auch technisch hoffnungslos veraltet. Publisher 2K zog die Notbremse und schickte das hauseigene Entwicklerteam ein Jahr vom Platz. Mit WWE 2K22 will man nun Wiedergutmachung leisten und den Fans endlich wieder ein gutes Wrestlingspiel präsentieren. Ob der Neustart gelungen ist, klärt unser Test für alle Plattformen. 

                      Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde mit der PC-Version erstellt. 

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Klein, aber oho! 

Es dauert nur wenige Minuten bis einem die erste von zahlreichen versprochenen Verbesserungen auffällt: Statt hässlichen Pixelgestalten glänzt das kunterbunte Menü von WWE 2K22 endlich wieder mit echten Bildern der Superstars, gleichzeitig wirkt alles im Aufbau aufgeräumter und strukturierter. Zuvor steht es uns aber frei, ob wir eine kleine Übungsrunde unter der harten Hand von „Trainerlegende“ Drew Gulak in Anspruch nehmen und uns mit der überarbeiteten Steuerung vertraut machen wollen, oder stattdessen direkt in die Action hüpfen. Zugegeben, so ganz zufrieden bin ich mit dem sehr kurzen Tutorial nicht, werden dort doch lediglich die rudimentärsten Funktionen erläutert. Deshalb empfiehlt es sich sowohl für Neueinsteiger als auch Veteranen, zuerst einen Abstecher ins Showcase zu machen. 

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Dort dreht sich in diesem Jahr alles um die illustre Karriere von Rey Mysterio. Zu einer Zeit, wo überwiegend Heavyweights das Geschehen im Ring dominierten, wagte der eher kleingewachsene Mexikaner den Versuch, die Herzen der Fans mit tollkühner Luftakrobatik im Stil des Lucha Libre zu erobern. Der Beginn einer überwältigenden Erfolgsgeschichte. Neun Matches aus den Jahren 1997 bis 2020 lassen sich im Showcase nachspielen, jedes einzelne davon wird mit passenden Videoeinspielern vom Coverstar persönlich begleitet. Kayfabe wird hier wie schon den Vorjahren groß geschrieben, darauf muss man sich einlassen können. Störender ist die mittelmäßige Auswahl der Matches. Besonders das prägende Jahr 2006 bleibt weitestgehend unbeachtet, sowohl das Royal Rumble als auch der Titelgewinn bei Wrestlemania sind aus Lizenzgründen nicht enthalten, dafür wird besonders zum Ende hin viel aus der Mottenkiste von Monday Night Raw gefischt. 

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Hinzu kommt, dass die Matches wie immer streng linear ablaufen. Wer sämtliche Goodies freischalten will, muss den vorgegebenen Zielen folgen und den tatsächlichen Ablauf dadurch so realitätsgetreu wie möglich nachstellen. Alles in allem fungiert der Modus einmal mehr als erweitertes Tutorial mit cineastisch-historischem Einschlag. Mehr darf man aufgrund des sehr begrenzten Umfangs und des geringen Wiederspielwertes auch im Rahmen eines WWE 2K22 nicht erwarten. Zur Erinnerung: Das zehn Jahre alte WWE ´13 bietet in seinem Storymodus zur Attitude Era satte fünfundsechzig Matches. Sowas in gleichem oder ähnlichem Umfang auf das nachfolgende Zeitalter der Ruthless Aggression umzumünzen wäre vielleicht eine Idee für das kommende Jahr, auch weil es sich lizenztechnisch sicher besser umsetzen ließe. 

Das richtige Werkzeug

Ein paar Stunden, sehr viel länger dürftet ihr bis zum Finale des Showcase nicht brauchen. Spätestens dann stellt sich die unweigerliche Frage: Was jetzt? Vieles konnte man in der Vergangenheit problemlos an der Reihe kritisieren, das umfangreiche Arsenal zum Erstellen eigener Inhalte blieb dabei durchgehend vorbildlich. WWE 2K22 bildet da keine Ausnahme und stellt euch eine gewaltige Palette von Tools zur Verfügung, um euren ganz persönlichen WWE Universum auch optisch Ausdruck zu verleihen. Angefangen beim gewohnt mächtigen Charaktereditor, welcher in diesem Jahr mit einer großen Auswahl vorgefertigter Outfits für wirklich jeden noch so abstrusen Geschmack aufwartet und auch bei den Feineinstellungen mit beispiellosen Individualisierungsoptionen überzeugt. Und natürlich dürft euch genauso kreativ an bereits bestehenden Superstars austoben. 

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Alleine im Tool zur Gestaltung des eigenen MITB-Koffers stehen euch mehr Funktionen zur Verfügung als so manches Programm zur Bildbearbeitung offeriert. Ob ihr den Gürtel eurer Träume bastelt, eine Arena in Pastellfarben aus dem Boden stampft oder euch aus abgespeicherten Highlights und sämtlichen mitgelieferten Titantron-Clips einen Entrance für den erstellten Charakter zusammenwerkelt, WWE 2K22 liefert euch für all das und mehr die nötigen Werkzeuge. Im Grunde gibt es fast kein Element im Spiel, dass ihr nicht in irgendeiner Form euren Wünschen anpassen oder komplett von Grundauf erschaffen könnt. Lediglich auf das Feature für erweiterte Einzüge müsst ihr dieses Mal verzichten. Laut Entwicklern handelte es sich dabei um eine zentrale Fehlerquelle im Vorgänger, die man leider partout nicht in den Griff gekriegt hat und sie daher lieber komplett aus dem Spiel gestrichen hat. Rudimentäre Einzüge sind zwar vorhanden und als solche natürlich auch anpassbar, aber zusätzliche Effekte wie Pyrotechnik etc. lassen sich darin nicht mehr einfügen. 

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Schlimm ist das aber nicht, denn was das Spiel insgesamt an Content zur Individualisierung auffährt, damit kann gegenwärtig kein anderer Titel am Markt mithalten – und das meine ich genreübergreifend. Sämtliche erstellten Inhalte können zudem – wie seit mehreren Jahren – Standard kostenlos mit anderen Spielern geteilt werden. Das ist jedoch gleichzeitig der einzige Bereich, in welchem das Spiel plattformübergreifende Features erlaubt. In allen anderen Aspekten, speziell natürlich der Mehrspielerkomponente, erlaubt 2K Besitzern von PC, XBOX und PlayStation nicht, gegen- oder miteinander anzutreten. Das ist extrem schade und längst nicht mehr zeitgemäß. Besonders wenn man bedenkt, wie schnell solche Titel an Relevanz verlieren ist es umso wichtiger, die Community mit allen Mitteln zusammenzuhalten und nicht zu entzweien. Dahingehend haben die Verantwortlichen ihre Hausaufgaben nicht zufriedenstellend gelöst.

Die Rückkehr des General Managers

Lange gefordert, nun endlich wieder da! Unter dem Namen MyGM dürft ihr zum ersten Mal seit Jahren selbst die Zügel eines von insgesamt vier Brands übernehmen. RAW, Smackdown, NXT und NXT UK warten darauf, von euch zum Flaggschiff der WWE aufgebaut zu werden und auf dem Weg dorthin sämtliche Konkurrenten abzuhängen. Dafür wählt ihr aus Adam Pearce, William Regal, Sonya Deville, Stephanie oder Shane McMahon zunächst den General Manager eurer Wahl, wobei jeder einzelne mit einer einzigartigen Fähigkeit aufwartet. So kann Sonya Deville beispielsweise die Moral des Rosters erhöhen, während Stephanie McMahon mehr Geld aus dem Publikum generiert. Cool: Wer mag, kann den kompletten Modus mit maximal drei Mitspielern an einem Gerät zocken und ein für allemal im Freundeskreis entscheiden, wer der fähigste Manager ist.

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Ist das alles entschieden, startet der erste Draft kurz nach Wrestlemania. Knappe drei Millionen Dollar Budget dürft ihr dann für euer Roster verpulvern, wobei es sich empfiehlt, einige Reserven in der Hinterhand zu behalten. Wichtig ist hier, einen möglichst vielseitigen Kader mit ausreichend Faces und Heels zu rekrutieren, auch auf die Starpower sollte dabei geachtet werden. Dabei macht es wenig Sinn, nur absolute Topstars ins Roster zu holen, denn auch Under- und Midcard wollen Woche für Woche gut gefüllt werden. Außerdem: Mit dem richtigen Aufbau kann sich auch ein Underdog zum Main Eventer mausern. Danach gilt es, die Card zu füllen, Matcharten festzulegen, Promospots zu verteilen und Fehden aufzubauen. Das klingt alles nach jeder Menge Mikromanagement, entpuppt sich in der Praxis aber als angenehm zugänglich und stets überschaubar. Das langfristige Ziel ist, über möglichst gute Matchwertungen, intensive Rivalitäten und geschickte Budgetverwaltung mehr Gewinne zu erzielen als eure Kontrahenten. Sämtliche Matches können simuliert werden oder selbst gespielt werden, gleichzeitig könnt ihr euch als GM auch mit einem Superstar solidarisieren, riskiert dann aber den Unmut der dadurch benachteiligten Wrestler. 

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Jetzt kommt das große ABER: Unter der Oberfläche verbirgt sich nämlich längst nicht so viel spielerische Freiheit wie zu den goldenen Zeiten eines Smackdown vs. Raw. Gerade mal ein Haupttitel darf pro Division umkämpft werden, United States-, Intercontinental- und die Tag Team-Championship stehen nicht zur Verfügung. Gleichzeitig dürft ihr ausschließlich Single- oder Tag Team-Matches booken. Fatal-Four-Way? Triple Threat? Fehlanzeige! Außerdem will sich mir einfach nicht so richtig erschließen, was Promos bei den Premium Live Events zu suchen haben. Viel schlimmer als all das wiegt jedoch die Tatsache, dass der Modus nach einer Saison alternativlos endet. Dann bleibt euch nur der komplette Neuanfang, eine Option darüber hinaus mit seinem hart aufgebauten Brand weiterspielen zu können gibt es nicht. Grundlegend ist es ja toll, dass die Macher auf das Feedback der Fans gehört haben und den Modus zurück ins Spiel geholt haben. Aber bei so vielen unnötigen Limitierungen bleibt in der Umsetzung – besonders im direkten Vergleich mit den alten Titeln von THQ/Jakks Pacific – tonnenweise Potenzial inklusive Langzeitmotivation auf der Strecke liegen.

Alte und neue Schwächen

Konzepte wie FIFA´s Ultimate Team und NBA 2K´s MyTeam sind für die jeweiligen Entwickler jedes Jahr lukrative Einnahmequellen, lässt sich dort doch ohne zusätzliche Echtgeldinvestitionen besonders im kompetiven Wettstreit kaum etwas erreichen. Eine solche Komponente findet mit MyFaction nun auch ihren Einzug in WWE 2K22. Das grundlegende Konzept ist dabei ziemlich ähnlich zu den Mitbewerbern: Möglichst starke Decks bauen, diese kontinuierlich zu verbessern und damit im Idealfall erfolgreich alle euch gestellten Herausforderungen zu absolvieren. Die Verführung, sich das Ganze mit zusätzlichen Investionen ein bisschen zu erleichtern, ist dabei allgegenwärtig. Klar, alle Inhalte können auch auf regulärem Weg freigeschaltet werden, aber das dauert wie immer ziemlich lange. Eigentlich also ein klassischer Kandidat für Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut, wäre da nicht die seltsame Tatsache, dass der Modus trotz Onlinezwang komplett als Einzelspielererfahrung designt worden ist.

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Und hier stellt sich folgende Frage: Warum sollte ich zusätzliches Geld investieren, wenn ich mit den dadurch erzielten Ergebnissen gegen niemand anderen antreten kann als die K.I.? Was MyFaction fehlt, ist ein klar definiertes Ziel. So jedoch spielt ihr quasi ins Leere, der komplette Modus verliert ohne seine kompetive Komponente jedweden Sinn. Gäbe es diese Komponente, hätten jedoch wir gemäß unseren Richtlinien wegen Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut jeweils fünf Punkte von der Gesamtwertung abgezogen. Innerhalb einer reinen Einzelspielerkomponente ist das aber komplett obsolet, weil anderen Spielern kein spielerischer Nachteil entsteht. Die Gesamtwertung ist besser, weil der Modus es nicht ist. Wir leben in einer seltsamen Welt. Alternativ könnt ihr euer Geld aber auch für das übliche Angebot an Boostern, Unlockern und Rostererweiterungen ausgeben, unterstützen sollte man sowas allerdings nicht.  Für MyFaction gilt abschließend: So gut durchdacht das Kartensystem mit seinen Evolution Cards und Co. auch sein mag, so vielfältig die Wrestlerauswahl über das reguläre Roster hinausgeht, warum überhaupt damit anfangen, wenn es doch nirgendwo hinführt? 

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Dann doch lieber den guten alten Universe Modus unsicher machen. Hier seid ihr Gott über die WWE und könnt innerhalb der riesigen Sandbox die Geschicke sämtlicher Brands samt Roster nach euren ganz persönlichen Vorlieben gestalten. Alternativ könnt ihr euch aber auch einfach einen Superstar aus dem Roster aussuchen und allein dessen Geschicke lenken. Neuerungen gibt´s hier im Vergleich zu den Vorjahren im Grunde keine, allerdings würde mir auch nichts einfallen, womit man den Modus noch erweitern oder verbessern könnte. Etwas anders schaut es dagegen in MyRise aus, dem Ersatz für den bisherigen Karrieremodus. Dort werdet ihr voraussichtlich den Löwenanteil eurer Zeit verbringen, denn einmal mehr erwartet euch dort eine komplett dynamische Story, die je nach gewähltem Geschlecht und Background des selbst erstellten Charakters komplett eigene Wege einschlägt. Die Möglichkeiten sind zwar nicht endlos, aber umfangreich genug, dass es einem beinahe so vorkommen mag. Rivalitäten, Allianzen…wie ihr euren Weg an die Spitze der Company gestaltet, liegt ganz bei euch. 

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Bei so viel spielerischer Freiheit kann das Ding doch eigentlich nur ein Garant für wochenlangen Spaß sein. Theoretisch schon, gäbe es da nur nicht ein ganz gewaltiges Problem: Nicht nur, dass die Rahmenhandlung einmal mehr dieselbe ist, die man in fast identischer Form schon seit Jahren in Sportspielen aller Art aufgetischt bekommt, die Qualität der Dialoge (und deren Sprecher) bewegt sich so ziemlich am untersten Rand dessen, was man sich vorstellen kann. Banal, trivial, einfach ein kreativer Totalschaden – da grenzt es fast schon an Sadismus, dass die Entwickler keine Option eingebaut haben, um das alles großflächig zu überspringen. Eigentlich könnte der Modus pures Gold sein. Aber derart hässlich verpackt und inszeniert vergeht einem bei allen guten Ansätzen bereits nach kurzer Zeit komplett die Lust daran. Was bleibt, ist eine große Baustelle mit unendlichem Überarbeitungsbedarf – damit tritt der Modus in dieselbe Kerbe wie schon der unrühmliche Vorgänger. Der neue Name kann über diese akuten Schwächen zu keinem Zeitpunkt hinwegtäuschen. 

Haben Sie mal bei uns gearbeitet?

Ein Wrestlingspiel zu entwickeln muss der undankbarste Beruf der Welt sein. Wo sonst wird man eines Morgens wach, geht motiviert ins Büro und muss dann erfahren, dass über Nacht ein Großteil des längst mühsam implementierten Rosters auf die Straße gesetzt worden ist? Dass es nahezu unmöglich ist, ein tagesaktuelles Spiel auf Basis der WWE-Welt zu produzieren, ist natürlich klar. Dafür können die Macher nichts. Außerdem hätte es viel schlimmer kommen können: Man stelle sich vor, der Titel wäre kurz vor dem letzten Umbau der Sets und Logos erschienen. So bekommt man wenigstens die aktuellsten Kulissen geboten, sogar den Thunderdome mit seinen unzähligen Bildschirmen, auf denen sich echte Menschen tummeln, hat man integriert, was definitiv ein cooles Feature darstellt. Zwischen dem Summerslam 2020 und Money in the Bank 2021 ist jede Arena enthalten, dann endet die Aktualität aber auch. NXT 2.0 kennt das Spiel dementsprechend nicht. 

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Mit insgesamt 163 Wrestlern (wobei aktuelle und kommende DLC-Pakete nicht miteingerechnet sind) ist das Roster ziemlich gut aufgestellt worden. Ein solider Mix aus Legenden und aktuellen Superstars, ohne dass man das Angebot dabei wie früher mit zig verschiedenen Varianten künstlich aufgepumpt hat. Dass über 30 Wrestler längst nicht mehr bei der WWE beschäftigt sind und gegenwärtig teilweise sogar bei der Konkurrenz auftreten…geschenkt. Hier gilt die Devise: Lieber zu viel als zu wenig, zumal gerade Modi wie das Universe sehr von einem möglichst breit aufgestellten Roster profitiert. Talente wie Adam Cole, Daniel Bryan, Bray Wyatt oder der ehemals unter den Namen Dean Ambrose bekannte Jon Moxley sind neben anderen ersatzlos gestrichen worden. Ich vermute hier keinen spezifischen Groll, sondern eher Lizenzprobleme. Über die Gründe kann man sicher diskutieren, im Notfall bastelt man sich die fehlenden Wrestler im Editor einfach selbst (oder wartet darauf, dass es jemand anderes macht).

Schellen verteilen, genau wie früher

Was mich in den letzten Jahren mehr und mehr bei WWE 2K zu frustrieren begann, war die zunehmend verkomplizierte Steuerung und immer neue Mechaniken, welche das Gameplay in meinen Augen viel zu sehr entschleunigt haben – darunter z.B. das Ausdauersystem, welches die Matches vor allem zum Ende hin zur frustreichen Geduldsprobe verkommen ließ. WWE 2K22 geht dahingehend einen großen Schritt in die richtige Richtung, verzichtet komplett auf simulierte Erschöpfung und hebt gleichzeitig das Limit für Reversals wieder auf. Stattdessen will man mit vielen neuen Features wieder mehr Dynamik ins Spiel bringen. Leichte und schwere Angriffe lassen sich nun bequem zu Kombos verknüpfen, aus Griffen lässt es sich einfacher entkommen und mit dem richtigen Gespür für den Folgeangriff sogar effektiv kontern. 

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Gleichzeitig haben die Entwickler die unnötig komplizierten Minispiele beim Lösen von Submissions oder dem Auskicken aus Pins über Bord geworden, jetzt wird wieder ganz klassisches Buttonsmashing betrieben. Damit ist WWE 2K22 vor allem für Neueinsteiger sehr viel zugänglicher. Wer trotzdem nach einer Herausforderung sucht, dreht einfach die Schwierigkeit nach oben und muss sich dann mit deutlich aufmerksameren/aggressiveren Gegnern auseinandersetzen. Kurzum, jeder Anspruch wird optimal bedient, ohne dass der Simulationscharakter dabei komplett außer Acht gelassen wird. Denn das Schadenssystem an Körperteilen und die allgemeine Gesundheitsleiste hat man beibehalten, beides funktioniert kombiniert mit den vereinfachten Mechaniken drumherum einfach richtig gut.  

Im Gänsemarsch Richtung Gegenwart

Unter den größten Kritikpunkten der Reihe steht die Technik immer weit oben. Kleinere Anpassungen wurden über die Jahre immer groß beworben, dahinter verbarg sich am Ende kaum mehr als heiße Luft. Unzähligen Bugs, eine komplett kaputte Physik und andere Probleme sorgten mit dafür, dass mit WWE 2K20 auch einem Blinden klarwerden musste, dass es so nicht weitergehen konnte. Seit über einem Jahr gibt es mit XBOX Series X|S und PlayStation 5 zudem leistungsstarke neue Konsolen, was die Erwartungen bezüglich der Technik nur noch höher schraubt. Die gute Nachricht ist, dass WWE 2K22 bei weitem nicht mehr so sehr vom Fehlerteufel durchseucht ist, wie es noch 2019 der Fall gewesen ist. Dank der signifikant überarbeiteten Physik sind die altbekannten „Ringseilspasmen“ höchstens noch als gelegentliche Seltenheit zu betrachten. Tische und Co. profitieren in ihrem Einsatz ebenfalls von den Verbesserungen und brechen nun zusätzlich zur stimmigeren Kollisionsabfrage sehr viel dynamischer. Lediglich meinen ewigen Kritikpunkt, nämlich die Darstellung der Haare, kann das Spiel nicht komplett ausmerzen. 

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Zwar wirken diese jetzt nicht mehr durchgehend so, als hätte man den langhaarigen Superstars einen Wischmopp auf den Skalp geklebt, bei einigen Charakteren wie zum Beispiel Io Shirai wabern aber weiterhin seltsam anmutende Strähnen gen Schulterbereich. Insgesamt wirklich kein Vergleich zu den Vorjahren, aber eben auch weit davon entfernt, realistisch zu wirken. Und wenn selbst ein Elden Ring das mit seiner betagten Engine hinbekommt, sollte das für WWE 2K22 auf lange Sicht doch eigentlich auch kein Problem sein. Bei der Haarkollision selbst kommt es übrigens immer noch zu Fehlern, nur allzugerne verschwinden die Mähnen teilweise im dazugehörigen Körper oder erzeugen bei Grapples mit ähnlich ausstaffierten Athleten eigenartige Glitches. Auch in Sachen Animationen gibt es im Ring hier und da noch Verbesserungsbedarf. Richtig toll gelungen sind dafür die komplett überarbeiteten Entrances. Dank neuer Kameraperspektiven, der besseren Einbindung des Publikumreaktionen inklusive der Kommentatoren kommen die Szenen der Realität atmosphärisch beängstigend nahe. Wäre da nur nicht das weiterhin arg klobige Klonpublikum. NBA 2K zeigt längst, wie gut man sowas umsetzen kann. Warum also kriegt das WWE-Team im selben Haus das also einfach nicht geschissen?

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Besagte Szenen profitieren von besonders von der vollständig optimierten Beleuchtung und einem neuen System zur Darstellung von Rauch und Partikeleffekten sowie authentischeren Kameraperspektiven, mit denen man sich auch im Ring näher an einer echten TV-Show fühlt. Mit aktuellen Grafikbomben können Rauch und Pyros zwar weiterhin nicht mithalten, ein ganzes Stück zeitgemäßer fühlt sich die Sache aber definitiv an. Die erhofften Quantensprünge bleiben jedoch auch in diesem Jahr aus. WWE 2K22 ist eine insgesamt merklich rundere, sauberere Erfahrung als alles, was man Fans bisher aufgetischt hat und zweifellos das schönste Wrestlinggame aller Zeiten. Trotzdem fällt dazwischen immer wieder auf, dass unter der Haube immer noch dieselbe betagte Engine werkelt und mit einer zeitgemäßeren Ablöse grafisch noch einiges mehr drin gewesen wäre. Das gilt besonders in Hinblick auf die neuen Konsolen. Denn obwohl die Entwickler im Vorfeld kommuniziert haben, dass sowohl PC als auch PlayStation 4 und XBOX One keine wirkliche Next-Gen-Erfahrung darstellen würden, findet sich im direkten Vergleich zwischen allen Versionen abseits von Auflösung und Ladezeiten eigentlich kein auffälliger Unterschied. Von den Entrances bis zum eigentlichen Geschehen im Ring haben wir wirklich jeden Zentimeter abgesucht, aber absolut nichts nennenswertes ausmachen können. Was genau ist also diese ominöse Next-Gen-Erfahrung? Und wo ist sie? 

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Jedenfalls nicht in Hinblick auf die Bildrate bei den Entrances, denn die wird auf allen Systemen immer noch auf magere 30 Frames pro Sekunde heruntergedrückt, nur um sich bei der Transition in das anschließend mit doppelter Bildrate laufende Match kurz in unschönen Rucklern zu verheddern. Detailliertere Modelle? Nö, sieht alles gleich aus, wenn man die höhere Auflösung von PC, XBOX Series X und PlayStation 5 mit jeweils nativem 4K außer Acht lässt. Da erscheint es umso eigenartiger, dass man auf Konsolen trotzdem ein Cross-Gen-Bundle vertreibt, denn für gute zehn bis fünfzehn Euro mehr bekommt man dafür eigentlich keinerlei essentiellen grafischen Mehrwert. Bei der PC-Version kommt es dank der vollständigen Abwesenheit von V-Sync zudem zu starkem Tearing, Abhilfe konnte hier nur manuelles Herumspielen in den Optionen des Grafikkartentreiber schaffen. Die nicht immer stabile Bildrate kommt da erschwerend hinzu. Gemessen an den vielen Versprechungen der Entwickler ist WWE 2K22 am Ende gemessen an den Möglichkeiten aktueller Hardware und Engines am Ende leider wieder mehr Schein als Sein. Auf der Last Generation ist das Gebotene absolut akzeptabel, aber darüber hinaus…eher nicht. Auch in Sachen K.I. gibt es weiterhin Verbesserungsbedarf, besonders in Tag-Team-Matches zeigt sich der eigene Partner viel zu passiv und greift in zentralen Momenten viel zu spät ein.

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Für den Kommentar sorgt das Dreiergespann bestehend aus Michael Cole, Byron Saxton und Corey Graves. Und die machen ihre Arbeit in diesem Jahr richtig gut. Man merkt, dass hier eine wie in vielen anderen Aspekten auch eine ganz neue Dynamik greift. Wenn man kein Fan der Kommentatoren ist, dürfte sich die Begeisterung darüber zwar auch in diesem Jahr in Grenzen halten. Nur ab und an wirken die Kommentare nicht ganz passend zur Situation im Ring. Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass das ständige Wiederverwerten aus den Vorgängern komplett entfällt. Statt immer die gleichen alten Sprüche aufgetisch zu kriegen, dürfen sich Fans auf einen rundum erneuerten Kommentar freuen, welcher besonders atmosphärisch nochmal ordentlich Kohlen auf´s Feuer schaufelt. Jetzt endlich noch die passenden Kommentatoren für jede Show ans Mikro holen und es wäre perfekt. Für die Auswahl des Soundtracks hat man mit Machine Gun Kelly wieder einen sehr prominenten Künstler verpflichten können, tatsächlich sind die Tracks gut gewählt. Mit gerade einmal einem Dutzend Titeln ist die Liste dafür insgesamt sehr dünn ausgefallen. Den Import eigener Musik erlaubt das Spiel außerdem immer noch nicht, man muss also mit dem leben, was da ist. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Nach dem katastrophalen WWE 2K20 dachten bereits viele an das endgültige Ende der traditionsreichen Reihe. Pustekuchen, denn nach der überfälligen Zwangspause präsentiert sich der grundsanierte Nachfolger mit Abstand als bester Ableger seit der Übernahme der Lizenz durch 2K. Die immense spielerische und kreative Freiheit ist beispielhaft, das Roster lässt kaum Wünsche offen. Mit MyGM darf man endlich wieder selbst General Manager spielen, im Universe sämtliche Geschicke kontrollieren und der Karrieremodus lebt einmal mehr von seiner unvorhersehbaren Dynamik auf dem Weg an die Spitze der WWE. Die vielen guten Ansätze gehen aber viel zu selten auf, denn unter der Oberfläche mangelt es WWE 2K22 in seinen zentralen Modi grundlegend an Tiefe. Hinzu kommt, dass MyRise einfach grausam schlecht inszeniert und das Showcase nicht viel mehr als ein erweitertes Tutorial mit mittelmäßiger Matchauswahl ist. Das Fehlerchaos des Vorgängers wurde überwiegend beseitigt, technisch wurden dringend notwendige Verbesserungen vorgenommen. Von einem echten Next-Gen-Gefühl ist das Spiel aber aufgrund seines immer noch veralteten Grundgerüsts weit entfernt, Unterschiede zwischen den einzelnen Plattformen sind kaum auszumachen. Die klasse inszenierten Entrances, das sinnvoll überarbeitete Gameplay und die realitätsnahe Atmosphäre machen WWE 2K22 aber trotz aller Abstriche zur besten Wrestlingsimulation seit vielen Jahren.“ 

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PRO:

+ Realitätsnahe Entrances
+ Authentisches WWE-Gefühl
+ Überwiegend detailgetreu in Szene gesetzte Superstars
+ Umfangreiches Roster
+ Zahlreiche Modi und Matcharten für jeden Geschmack
+ Endlich wieder General Manager spielen…
+ …und das auf Wunsch sogar lokal mit bis zu drei Kontrahenten
+ Universe bleibt eine gelungene Sandbox-Erfahrung
+ Extrem dynamische Karriere
+ Spielerisch harmonischer Mix aus Simulation und Arcade
+ Sinnvoll überarbeitete Bedienung
+ Mächtiges Editor-Arsenal
+ Erstellte Inhalte können kostenlos und plattformunabhängig geteilt werden
+ Für Einsteiger und Veteranen gleichermaßen gut geeignet
+ Weitestgehend gelungener Kommentar
+ Guter Soundtrack
+ Solide Mehrspielerkomponente
+ Aufgeräumte Menüs


CONTRA:

– Showcase bietet kaum mehr als Tutorialcharakter…
– …ist sehr schnell durchgespielt…
– …und überzeugt bei der Matchauswahl nur sehr selten
– MyFaction mangelt es komplett an einem spielerischen Ziel…
– …und ist komplett auf zusätzliche Echtgeldinvestitionen ausgelegt
– MyGM ohne große Tiefe…
– …und zwingt einen nach nur einer Saison zum Neustart
– Lächerlich schlecht inszenierte Karriere
– Fragwürdige DLC-Politik, besonders hinsichtlich der Booster und zusätzlicher Währung
– Kein Support für Crossplay
– K.I. – Probleme
– Eigene Musik auch weiterhin nicht importierbar
– Recht überschaubare Interpretenliste
– Echtes Next-Gen-Gefühl bleibt angesichts sichtbarer Generationsunterschiede nahezu aus
– Umgebungsgrafik nicht mehr zeitgemäß, besonders in Hinblick auf PC, XBS und PS5
– Hässliches Publikum (mit Ausnahme der gelungenen Thunderdome-Implementierung)
– Trotz Verbesserungen weiterhin gelegentliche Aussetzer bei Physik und Kollisionsabfragen
– Kleinere Bugs sind erhalten geblieben


                                                  GESAMTWERTUNG:
     
6.9/10

                                 MRAUMFANG

                Rezensionsmuster zum Spiel wurden uns vorab freundlicherweise vom Hersteller zur Verfügung gestellt. 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.


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