Tiny Tina´s Wonderlands – „Märchen, Monster, Massaker!“

wallpapersden.com tiny tina s wonderlands 2021 1920x1080

                                                    Getestet und verfasst von General M 

91OCB8gyhL. SL1500 Das Ende 2019 veröffentlichte Borderlands 3 war ein klassischer Vetreter der Kategorie „Lange darauf gewartet, viel erhofft, wenig bekommen“. Story und Charaktere reichten nicht an die Qualitäten des Vorgängers heran, auch spielerisch konnte die mittlerweile etwas ausgelutschte Formel nicht mehr komplett überzeugen. Jetzt soll die wohl beliebteste Pyromanin von Pandora zeigen, dass es auch anders geht! Basierend auf dem ähnlich gestrickten DLC entführt Tiny Tina´s Wonderlands uns in die mittelalterliche Tabletop-Welt von Bunkers and Badasses, wo einmal mehr fast im Sekundentakt geballert, gelootet und gelacht werden darf. Die ersehnte Wiedergutmachung, oder doch nur mehr vom gleichen Buffet? 

                        Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde mit der PC-Version erstellt. 

ftfttw

ps5xbsxttwa

Lust auf eine weitere Geschichte?

In diesem Fall müsst ihr euch dieses Mal aber auf einige handfeste Änderungen einstellen, denn Tiny Tina´s Wonderlands bürdet euch weder die erneute Rettung von Pandora auf, noch gilt es, weitere verborgene Kammern aufzuspüren. Stattdessen finden wir uns eines schönen Tages zusammen mit unseren Buddies Valentine und Frette am Spieltisch von Tiny Tina ein, um ein spannendes Abenteuer im Stile klassischer Rollenspiele zu erleben. Das Ziel: Ein magisches Königreich vor dem fiesen Dragon Lord (Nein, nicht DEM!) und seiner Untotenarmee beschützen. Bis wir dem Tyrannen aber in einem epischen Finalkampf gegenübertreten dürfen, gilt es jede Menge Quests zu lösen, stetig aufzuleveln und – ganz klassisch im Stil der Reihe – aus unzähligen zufallsgenerierten Waffen eine möglichst unschlagbare Kombination zusammenzustellen. Dabei begegnen wir nicht nur vielen liebgewordenen Charakteren aus den wilden Tagen von Pandora, sondern auch so mancher überwiegend durchgeknallter Neuschöpfung.

ttw1

Auf ein klassisches Epos im rustikalen Setting sollte man sich jedoch nicht einstellen. Schließlich handelt es sich bei unserem Dungeon Master um niemand geringeres als Tiny Tina und die ändert die Regeln grundsätzlich so, wie es ihr gerade in den Kram passt. Die stetigen Diskussionen zwischen Spielern und Spielleitung zählen zu den humoristischen Highlights des Ablegers, aber auch zwischendrin darf beinahe am Fließband gelacht werden. Die Welt nimmt viele Bezüge auf bekannte Märchen, Sagen sowie in ähnlichen Settings angesiedelte Serien, Filme und Spielen. So treffen wir in und um den Verlauf der mit fünfzehn bis zwanzig Stunden bereits recht umfangreich ausgefallenen Hauptgeschichte unter anderem auf die Zahnfee, dürfen grotesk hässliche Schlümpfe aus dem Leben kloppen und einen sozialistischen Koboldputsch unterstützen. Wer sämtliche der überwiegend umfangreichen Nebenmissionen absolvieren will, kann die Spielzeit locker verdoppeln.

ttw4a

Grundsätzlich hätten die Macher in Sachen Questdesign aber mehr aus dem Material herausholen können. Töte dies, sammel das…gäbe es nicht den gelungenen Humor, würde es dem Spiel angesichts der oft arg repetiven Tätigkeitsabläufe sehr schwerfallen, seine Spieler bis zum Ende ausreichend bei Laune zu halten. Alles in allem ist Tiny Tina´s Wonderlands trotz anhaltender Schwächen das bessere Borderlands 3. Wenn ihr aber schon dort keine Lust mehr auf permanentes Loot and Shoot hattet und euch auch der Humor nicht zugesagen wollte, dürftet ihr mit dem Ableger nur wenig mehr Freude haben. Denn in Sachen allgemeinem Gameplay ist das Spiel in seinem Kern ganz Borderlands und erfindet das Rad dementsprechend keineswegs neu. Fans der Reihe dürfen sich aber auf den mit Abstand besten Vertreter der Serie freuen. Trotzdem müssen sich die Macher die Frage stellen, wie es zukünftig mit dem Franchise weitergehen soll. Dass die grundlegende Formel längst einige unschöne Alterserscheinungen zeigt, kann auch Tiny Tina´s Wonderlands unter seiner kunterbunten Oberfläche nur schwerlich verbergen. 

Klassenk(r)ampf

Sechs Klassen stehen euch von Anfang an zur Verfügung, eine bisher unangekündigte siebte Klasse soll irgendwann in nächster Zeit im Rahmen des kostenpflichtigen Season Pass nachgereicht werden. Grundsätzlich legt euch das Spiel klassentechnisch keinerlei Beschränkungen auf: Egal, ob ihr als Zauberer, Attentäter, Nahkämpfer oder Hybride das Königreich rettet, bei der Nutzung des Waffenarsenal gibt es keinerlei Beschränkungen. Aufgrund der komplett verschiedenen Talentbäume mit ihren einzigartigen Specials und Perks kann die Spielweise aber trotzdem komplett variieren. Für meinen ersten Durchlauf habe ich mich für den Klauenbringer entschieden. Der darf sich über einen putzigen Begleiter in Form eines Wyverns freuen, welcher unsere Feinde aus der Luft mit Blitz- und Feuerschaden eindeckt, während wir am Boden weitere Elementareffekte austeilen und nahekommende Feinde mit unserer Spezialfähigkeit – einem gewaltigen Zweihandhammer – in ihre Bestandteile zerlegen. 

ttw3

Sobald ihr Stufe Zwanzig erreicht habt, dürft ihr aus den verbliebenen Klassen eine weitere wählen, zum Ende des Spiels werden dann alle übrigen Begrenzungen komplett aufgehoben. Generell macht jede Klasse viel Spaß, das Balancing ist anders als noch bei Borderlands 3 von Anfang an merklich ausgeglichener, essentielle Nachteile entstehen dadurch nie. Sowohl als Solist als auch im Team erweist sich jede Klasse als brauchbar. Dank Crossplay und Split Screen für bis zu drei Mitspieler (bzw. einem auf Last-Gen-Hardware und XBOX Series S) lässt sich Tiny Tina´s Wonderlands sowohl zuhause vor einem Bildschirm als auch via Internet zwischen allen Plattformen wunderbar als Gruppe bewältigen. Momentan sind die Server aber noch etwas instabil, immer mal wieder kam es während unserer Rezension zu kurzen Verbindungsabbrüchen. Kompromisslos begeistert hat mich dafür der gewaltige Editor für die Charaktererstellung, in dem wir nahezu jeden relevanten Aspekt nach eigenen Wünschen bearbeiten dürfen. 
 
ttw6

Und jetzt zu einem Thema, um das wir augenscheinlich nicht herumkommen, weil darüber bereits seit Tagen diskutiert wird: Ja, Tiny Tina´s Wonderlands gendert. Und das nicht mal wenig. Sei es bei der Klasse, Talentbäumen und anderen charakterrelevanten Texten, das Gendersternchen schwimmt überall und ausweglos mit, egal ob man zuvor im Editor eine eindeutige Festlegung auf männlich, weiblich oder binär getätigt hat. Und genau darin liegt mein Problem an der ganzen Sache. Nicht am Gendern an sich, soll jeder so halten wie er will, aber wenn ich z.B. eine männliche Figur erstelle, einen Haken bei He/Him setze, DANN ist das Gendern im folgenden Spiel doch eigentlich komplett überflüssig, oder? DANN darf man sich daran guten Gewissens stören, wie ich finde. Ich wünsche mir, dass die Entwickler für genau solche Fälle einen Patch nachreichen. Denn in der jetzigen Form ist das einfach je nach Situation nur unnötig verwirrend und ja…stellenweise komplett überflüssig. 

Die Technik des Wunderlands

Ob wir uns in der prachtvollen Hauptstadt nach neuen Aufträgen umsehen, bis zu den Knien durch ein düsteres Moor waten oder uns auf einem Berggipfel inmitten von Eis und Schnee den virtuellen Ast abfrieren: Visuelle Abwechslung wird in Tiny Tina´s Wonderlands ganz groß geschrieben und eignet sich damit perfekt für alle, die längst genug von den Wüsten Pandoras haben. Auch in Sachen schierer Größe schlagen die Areale alles, was man bisher innerhalb des Franchises gesehen hat. Stimmige Beleuchtung, ein wahres Feuerwerk an Partikeleffekten, hier lässt die Unreal Engine 4 einmal mehr eindrucksvoll die Muskeln spielen – und das, obwohl sich auch der Ableger wieder im altbekannten Comiclook präsentiert. Im Vergleich zu Borderlands 3 haben die Macher qualitativ nochmal eine kleine Schippe draufgelegt. Lediglich die als Hub fungierende Overworld wirkt grafisch eher trist und hätte zudem mehr Möglichkeiten zur Umgebungsinteraktion vertragen können. Abseits diverser Questgeber und gelegentlich aus dem Gras hüpfender Gegner wirkt die Kulisse steril und weitestgehend leblos. 

ttw7

Blicken wir den Tatsachen ins Gesicht: Tiny Tina´s Wonderlands ist kein Spiel, dass man auf Konsolen der letzten Generation spielen sollte. Schon Borderlands 3 nervte Besitzer einer PlayStation 4/Pro oder XBOX One/X mit inkonsistenten Bildraten. Wenn es mal richtig effektreich zugeht (und das ist hier quasi Dauerzustand), sind Einbrüche auch hier keine Seltenheit. Dazu gesellen sich Probleme beim Texturstreaming, aufploppende Objekte und Schatten sowie lange Ladezeiten. Im Splitscreen muss die betagte Hardware noch mehr ackern als ohnehin schon, was im Worst Case dazu führen kann, dass die Bildrate bis zur Unspielbarkeit absumpft. Bei den Basismodellen kommt noch die niedrige Auflösung mit ins Spiel, besonders auf der XBOX One sieht der Titel extrem matschig aus. Man kann aber nicht alles nur auf die Hardware schieben. Denn wenn ein Horizon: Forbidden West mit stabilen Bildraten auf der klassischen PlayStation 4 laufen und gleichzeit immer noch sehr hübsch aussehen kann, warum kann es ein Tiny Tina´s Wonderlands dann nicht? 

ttw8

Ein FAST komplett anderes Bild präsentiert sich auf XBOX Series X|S und PlayStation 5. Natives 4K bei überwiegend stabilen 60 Frames pro Sekunde im Qualitätsmodus, während der Leistungsmodus abermals 120 Frames bei 1080p offeriert. Weil die Bildrate hier aber wenig überraschend stark schwankt und konstante Werte in den meisten Gefechtssituationen kaum messbar sind, empfehle ich dringend, den Fokus auf Qualität zu legen. Die XBOX Series S kommt ebenfalls nicht über 1080p hinaus, liefert aber dieselbe gute Performance wie die Qualitätsmodi der Powerhouses. Pop-ups und Streamingprobleme werden auf ein Minimum reduziert, jedoch nicht vollständig beseitigt. Dennoch sind die neuen Konsolen gegenüber ihren Vorgänger in jedweder Hinsicht massiv überlegen und für das bestmögliche Erlebnis absolut zu bevorzugen. Allen Versionen, inklusive dem PC sind jedoch einige kleinere Bugs gemein. So wiederholen sich beim Betreten neuer Gebiete dauernd dieselben Benachrichtungen, obwohl diese längst nicht mehr aktuell sind. Ferner steckte mein Charakter bei einer Quest im begleitenden NPC fest und konnte dieser eigenartigen Situation nur durch erneutes Laden des letzten Checkpoints entkommen. Sonst läuft das Spiel aber angenehm fehlerfrei, Totalabstürze und dergleichen sind mir über den gesamten Testzeitraum nicht untergekommen. 

ttw2

Zur PC-Version noch ein abschließendes Wort: Auch hier gibt es insgesamt wenig zu bemängeln. Sechs Vorkonfigurationen inklusive ausreichend Möglichkeiten zur Feineinstellung, dazu gibt´s noch Support für AMD FidelityFX, dass man aber auch mit Nvidia-Karten im System nutzen kann. DLSS wäre eine wünschenswerte Zusatzoption gewesen, denn in 4K/60 auf maximalen Settings kommt selbst unser Testrechner gelegentlich etwas ins Schwitzen. Gerade die „Badass“-Settings mit ihrer erhöhten Renderdistanz für Schatten und Objekte ziehen richtig Leistung, bringen aber kaum Mehrgewinn. Alles andere ist Business as usual, denn sowohl mit Maus und Tastatur als auch mit allen gängigen Gamepads spielt sich Tiny Tina´s Wonderlands prima. Ein Extrapluspunkt geht wie immer an den DualSense der PlayStation 5, dessen haptisches Feedback speziell bei den Triggern sehr gelungen zum Einsatz kommt. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Es wäre unfair zu sagen, dass Tiny Tina´s Wonderlands nur Borderlands 3 mit besserer Story und mehr Witz ist. Denn auch in Sachen Design und Gameplay schlägt der Ableger sein Vorbild deutlich. Dennoch: So richtig frisch fühlt sich die altbewährte Formel á la Loot and Shoot auch in Fantasygewändern nicht mehr an. Beim Questdesign haben die Macher viel Potenzial verschenkt und liefern nur wenig Abwechslung in den allgemeinen Abläufen. Die Overworld wirkt grafisch im Vergleich zum Rest eher trist, beim Gendern hat man es etwas zu gut gemeint. Außerdem hängt ganz viel daran, auf welcher Plattform ihr den Titel zocken wollt, denn auf den Konsolen der Last Generation fällt der Spielspaß gemessen an der begrenzten Hardwareleistung merklich geringer aus. Alles in allem zählt das kunterbunte Anarcho-Abenteuer aber zu den besten Vertretern der Reihe. Und nicht zuletzt auch zu den besten Titeln, die je im Hause Gearbox geschmiedet worden sind.“ 

mrrattw

PRO:

+ Abwechslungsreich designte, große Areale
+ Schöne Beleuchtung und Partikeleffekte
+ Ein nahezu unendliches Arsenal an Waffen, Zaubern und Co.
+ Sehr solides Klassensystem…
+ …welches sich ab Stufe 20 stetig flexibler nutzen lässt
+ Fünfundzwanzig bis fünfzig Stunden Spielzeit
+ Herrlicher Humor
+ Zahlreiche Referenzen auf ähnliche Genrevertreter und die Vorgänger
+ Crossplay und lokaler Split Screen
+ Exzellente deutsche Sprecher
+ Passender Soundtrack
+ Gute Bedienung via Maus und Tastatur sowie allen Gamepads
+ Prima integrierte DualSense-Features

CONTRA:

– Klassische Borderlands-Formel mit deutlichen Abnutzungserscheinungen
– Konstantes Gendern situationsbedingt nicht immer sinnvoll
– Relativ repetive Questabläufe
– Technisch schwache Last-Gen-Versionen 
– Kleinere Bugs 

                                       GESAMTWERTUNG:     8.0/10

                        Ein Rezensionsmuster ist uns freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt worden.

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.


                                               ©2022 Wrestling-Point.de/M-Reviews