Warnung:
Die folgende Kolumne enthält viele schlimme Wörter sowie Spoiler zu WWE Fastlane 2017 und sollte daher nur von denen gelesen werden, deren moralischer und intellektueller Anspruch sich irgendwo zwischen der aktuellen Qualität von WWE Raw und ECW December to Dismember befindet. Ernsthaft, sagt am Ende nicht, niemand hätte euch gewarnt!Warum also hinsetzen, und eine letzte Ausgabe schreiben? Letzte Nacht überkam mich beim Anschauen von Fastlane ein Gefühl der Nostalgie. Die WWE hat es tatsächlich geschafft, genau das zu bieten, was mir damals das Futter für meine Arbeit geliefert hat. Und es erinnerte mich außerdem daran, dass es nebenbei so viele Kleinigkeiten gibt, über die man sich ärgern könnte. Also, schnallen Sie sich an und begeben Sie sich ein allerletztes Mal gemeinsam mit mir hinab in den Wahnsinn.
Wir befinden uns in unsteten und gefährlichen Zeiten. Zumindest, wenn man nach der aktuellen weltpolitischen Lage geht. Und der Tatsache, dass man in Stamford, Connecticut immer noch der Meinung ist, wir Deutschen hätten auch im Jahr 2017 Schwierigkeiten damit, unsere Vergangenheit unter Herrschaft der Nationalsozialisten und dessen Konsequenzen hinter uns zu lassen. Nur hierzulande, ja nicht einmal in Israel, ist die Veranstaltung unter dem Namen „No Escape“ bekannt. Dann aber auch nur auf Plakaten und Werbebeiträgen. Das ist lieblos genug, aber bedenkt denn auch jemand im Hauptquartier, welche FURCHTBAREN ERINNERUNGEN der Name „No Escape“ bei uns Deutschen auslösen könnte?! Erinnern wir uns beispielsweise an den Wassereinbruch im Bergwerk „Wilder Mann“ im Jahr 1573 (#NeverForget #JeSuisErzgebirge), bei dem acht Menschen ums Leben kamen! Auch kein Entkommen möglich. Was ist mit dem Dschungelcamp Anfang des Jahres? Kein Entkommen. Die Liste an Beispielen könnte endlos fortgesetzt werden. Dabei bietet gerade die WWE augenblicklich genügend Gründe, entkommen zu wollen. Vergessen und verdrängen zu wollen. Die kürzlich erfolgte Fastlane – Großveranstaltung, in Fachkreisen auch „3 Stunden – RAW mit anderem Themesong“ genannt, ist ein Paradebeispiel dafür!
Ich frage mich ja, ob Kevin „Lautstärkeregler“ Dunn, seines Zeichen Chefproduzent von RAW und dessen Großveranstaltungen, im Regiewagen sitzt und sich denkt: „Ich könnte ja doch endlich mal versuchen, dieses schwierige Puzzle mit 20 Teilen zu lösen, welches ich damals zum zweiten Geburtstag bekommen habe!“ und dabei völlig ignoriert, wie sehr das gesamte RAW – Format momentan am Abgrund wandert. Niemand hätte damit gerechnet, dass gerade Smackdown sich durch interessantere Storylines und eine insgesamt gelungenere Präsentation klammheimlich zum A-Format der WWE entwickeln würde. Aber es ist passiert. Schon seit geraumer Zeit zieht das blaue Format die Roten gnadenlos ab. Sicher, Dunn ist auch nur ein Erfüllungsgehilfe, eben das, was Goebbels für Hitler war. Er befolgt die Befehle seines Meisters, seines Führers, gemeinhin bekannt als Vince McMahon. Die Frage ist, war nicht irgendwann mal sowas wie Enthusiasmus und Euphorie vorhanden, als man den Brand Split angekündigt hat und mehr und mehr zugelassen hat, dass die jungen Talente die Spots im Main Event übernehmen, welche sonst denen vorbehalten waren, die ihren Zenit bereits überschritten hatten? Dann aber bringt man zu RAW einen Brock Lesnar zurück, der keinen Hehl daraus macht, dass er lediglich wegen der Kohle antritt und sich dann auch nicht mehr die Mühe macht, die Ausfahrt aus Suplex City zu suchen. Dann bringt man einen Bill Goldberg zurück, der tatsächlich nur zwei Moves beherrscht und schiebt ihm ebenfalls eine gewaltige Summe Bares in den Arsch, Universal Championship und WrestleMania – Mainevent inklusive. Und das ausgerechnet gegen eben jenen Brock Lesnar! Beworben wird das dann als Kampf der Titanen, Schlacht der Urgewalten, bla bla bla. Und für einen kurzen Moment sind die alten Fans ganz aus dem Häuschen. Ist ja auch irgendwie Nostalgie. Die jüngeren Fans dagegen werden wohl erstmal im Netz nachgeschaut haben, wer Bill Goldberg überhaupt ist, oder aber sie sagen: „Hey, den kenne ich doch aus diesem Adam Sandler – Film!“. Die Ernüchterung über all das kommt spätestens, wenn man daran denkt, wie sehr ein Cesaro unter seinen Möglichkeiten angesetzt wird. Wie ein Sami Zayn Woche für Woche als Jobber verheizt wird. Auch das sind Dinge, die niemand geringeres als Vince McMahon zu verantworten hat. Der sagt: „Ne, der gefällt mir nicht!“ und das war´s. Stattdessen setzt er weiter verbissen auf eine Mischung aus Big Guys und Auftritten ehemaliger Stars. Die Qualität ist der Quantität gewichen, zumindest beim roten Format. Aber auch die Zuschauer, für welche die PG – Ära dereinst geschaffen wurde, sind jetzt schon ein gutes Stück älter und gelangweilt von diesem Vorgehen. Und sie haben sich angewöhnt, ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. In dem Fall wird dann die Lautstärke gedrosselt oder Einspieler werden so umgeschnitten, dass alles anders wirkt, als es tatsächlich ist. Aber das ist natürlich keine Manipulation. Heutzutage nennt man das alternative Fakten.
Immerhin, nach Fastlane dürfen wir wenigstens feststellen, dass Roman Reigns auf dem Weg zu etwas persönlicher Individualität ein ganzes Stück voran gekommen ist. Erstmals hatte er Schuhe mit weißen Sohlen an! Weiß! Sohlen! Wow! Seiner Popularität hat das allerdings auch nicht wirklich geholfen, auch hier wurde er gnadenlos ausgebuht, auch hier hat man die Lautstärke und die Chants des Publikums bis zur nahen Unhörbarkeit gedrosselt. Und ganz nebenbei hat man ihn auch einen cleanen Sieg gegen Braun Strowman einfahren lassen. Das muss man sich mal vorstellen: Da wird der Mann über Monate aufgebaut und dann eben jenem Roman Reigns zum Fraß vorgeworfen, der im letzten Jahr den PWI – Award für den am meisten gehassten Wrestler 2016 gewonnen hat. Aber hey – weiße Sohlen! WEIßE SOHLEN! Ich spritz´ mich zu Tode! Diskutieren wir nicht groß darüber, es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, die Sache besser über die Bühne zu bringen. Aber man hat sich für die absolut unterirdischste Lösung überhaupt entschieden und so all jenen weiteres Öl für das Feuer der Verachtung gegeben, für die Roman Reigns ohnehin schon ein rotes Tuch ist. Grundlegend lässt sich der aktuelle Zustand an folgender Grafik gut erörtern:
Stillleben: Ein WWE – Fan erinnert sich daran, dass Domian ihm nicht mehr helfen kann.
Natürlich hat man es sich im selben Atemzug auch nicht nehmen lassen, Charlottes PPV – Rekord bei einer absoluten Klasse C – Veranstaltung zu brechen. Das ist in etwa vergleichbar damit, als wäre die Streak vom Undertaker seinerzeit nicht bei WrestleMania, sondern bei einer Houseshow in Wanne-Eickel gebrochen worden. Dahinter mag insgesamt der Überraschungsfaktor stehen, zumindest nach WWE – Ansicht sollen solche Momente vermitteln, dass eben alles möglich und nichts vorhersehbar ist. Warum nur, warum, warum, warum, ist all das am Ende doch so unfassbar offensichtlich? Abgesehen von einem wirklich guten Cruiserweight – Match (Man muss Jack Gallagher einfach lieben!) wird Fastlane 2017 als eine der schlechtesten, dem Produkt am meisten unverträglichen Veranstaltungen in die Geschichte jüngerer PPV – Zeiten eingehen. Vince McMahon hat ein weiteres Mal aus den Schatten heraus bewiesen, dass er längst nicht mehr in der Lage ist, den Markt richtig einzuschätzen. Aber er ist leider wie König Carl Gustav von Schweden. Der hat irgendwann mal gesagt, dass er das Amt als Pflicht und Privileg erachtet und daher solange auf dem Thron bleiben wird, bis er tot umfällt. Genau das erwartet uns in diesem Fall wohl leider auch. Was als Diva´s Revolution begann, geht mehr und mehr unter und kehrt langsam zurück zu Diva – Tagen. Wer mal gesehen hat, was die Ladies um Sasha Banks und Co. wirklich auf dem Kasten haben, kann über diese Tatsache wohl nur weinen. Überbezahlte, stark in ihren Fähigkeiten limitierte Altstars reißen die Main Events erneut an sich. Damit man für WrestleMania werben kann. Eine alterwürdige Veranstaltung, auf die ich mir längst nicht mehr wirklich freuen kann.
Es gibt Trends, von denen man sich wünscht, dass sie anhalten und damit ein richtiges Signal zu setzen. Und es gibt auch Dinge, von denen man sich einfach nur wünscht, dass sie ganz schnell wieder enden:
Aber geben wir die Hoffnung nicht auf. Denn wir wissen ja, niemand lebt ewig, nicht wahr? Und vielleicht gelingt es Kevin Dunn noch vor Ablauf des Fiskaljahres, wenigstens den Rand eines Puzzles zu vervollständigen, ohne dass ihm jemand dabei helfen muss.
Semper Fidelis,
Ihr General M