
In einer der bislang persönlichsten Ausgaben ihres Podcasts What’s Your Story? hat Stephanie McMahon bemerkenswert offen über die traumatische Kindheit ihres Vaters Vince McMahon gesprochen. Im Gespräch mit WWE-Präsident Nick Khan thematisierte sie nicht nur die Entstehung von Resilienz, sondern auch die dunkle Vergangenheit des langjährigen WWE-Chefs. Dabei zeichnete sie das Bild eines Mannes, der nicht nur von außen geformt, sondern von innen tief verwundet wurde und dessen Überlebenswille zur treibenden Kraft hinter dem Aufbau eines milliardenschweren Imperiums wurde.
Stephanie schilderte, dass Vince McMahon in seiner Jugend körperlicher Gewalt ausgesetzt war. Besonders schockierend: Er sei von einem Mann, mit dem seine Mutter eine Beziehung führte, mit einem Bleirohr verprügelt worden. In einer früheren Aussage beschrieb Vince McMahon selbst, dass er in einem Wohnwagen aufwuchs und seine Kindheit von Instabilität, Armut und Missbrauch geprägt war. Seine biologische Mutter Victoria Lupton zog ihn in North Carolina groß, fernab des Einflusses seines späteren Mentors und Vaters Vince McMahon Sr., den er erst mit zwölf Jahren kennenlernte.
Ein Leben im Überlebensmodus
Stephanie beschrieb die daraus resultierende Lebenseinstellung ihres Vaters mit eindringlichen Worten: „Seine Einstellung war: Wenn er überleben konnte, hat er gewonnen. Nur zu überleben war für ihn ein Sieg und ist es auch heute noch.“ Diese Denkweise, so die Tochter des WWE-Gründers, habe ihn sein ganzes Leben lang begleitet und zu einem Mann geformt, der in Extremen denkt, fühlt und handelt. „Ich weiß nicht, wie man jemanden am Ende des Tages schlagen kann, wenn er nur überleben muss, um zu gewinnen“, ergänzte sie.
Diese Aussage wirft ein neues Licht auf Vince McMahons unerschütterliche Hartnäckigkeit, mit der er aus einer kleinen regionalen Wrestling-Promotion das heutige globale Medienunternehmen WWE formte. McMahon übernahm Anfang der 1980er Jahre die damalige WWF von seinem Vater und verwandelte sie mit der Einführung von WrestleMania, nationalen TV-Deals und dem Aufbau von Superstars wie Hulk Hogan, The Rock und „Stone Cold“ Steve Austin in ein milliardenschweres Entertainment-Imperium.
Der größte Gegner war stets er selbst
Trotz all seiner Erfolge erkennt Stephanie McMahon die inneren Kämpfe ihres Vaters klar. Sie beschrieb ihn als seinen eigenen größten Feind. „Egal was passiert, einschließlich ihm selbst – der wahrscheinlich seine größte Nemesis ist, ist er selbst.“ Diese Einschätzung lässt sich auch im Kontext zahlreicher öffentlicher und rechtlicher Kontroversen um Vince McMahon deuten. So wurde der 79-Jährige in den vergangenen Jahren mehrfach mit Vorwürfen, sexueller Belästigung, Schweigegeldzahlungen und Machtmissbrauch konfrontiert. Im Januar 2024 wurde eine Zivilklage gegen ihn öffentlich, in der eine ehemalige WWE-Mitarbeiterin schwere Vorwürfe gegen ihn erhob. Vince McMahon trat daraufhin von seinem Posten bei TKO zurück und zog sich vollständig aus dem WWE-Geschäft zurück.
Stephanie ging in ihrem Podcast nicht konkret auf die Anschuldigungen oder Gerichtsverfahren ein, doch ihre Aussagen spiegeln das innere Spannungsfeld wider, das ihren Vater offenbar seit Jahrzehnten begleitet – ein Leben zwischen äußerer Kontrolle und innerer Zerrissenheit.
Nick Khan: „Der Mann hat ein Imperium aufgebaut“
Auch WWE-Präsident Nick Khan nahm im Gespräch Stellung. In Anlehnung an eine Aussage von Paul „Triple H“ Levesque bei der Hall of Fame-Zeremonie 2024 sagte Khan: „Familie ist kompliziert.“ Er betonte, dass man Vince McMahons Leistungen anerkennen müsse – unabhängig davon, wie man seine Entscheidungen bewerte. „Wir müssen das nicht vertiefen, aber man muss sagen, der Mann hat ein Imperium aufgebaut.“
Diese nüchterne Einschätzung unterstreicht die Ambivalenz, mit der Vince McMahon heute innerhalb der WWE – aber auch in der Öffentlichkeit – gesehen wird: Als unbestreitbarer Architekt des modernen Wrestlings einerseits, als kontroverser Machtmensch mit einer dunklen Vergangenheit andererseits.
Ein seltener Blick hinter die Fassade
Stephanie McMahons Aussagen lassen erkennen, wie tiefgreifend die persönliche Geschichte ihres Vaters mit dessen beruflichem Weg verwoben ist. In einem Business, das von Kontrolle, Inszenierung und unbedingtem Siegeswillen lebt, zeigt sie die zerbrechliche Seite eines Mannes, der selten öffentlich Schwäche zugelassen hat.
Die Episode ist auch deshalb bemerkenswert, weil Stephanie selbst seit ihrem Rückzug aus dem WWE-Vorstand im Januar 2023 kaum öffentlich aufgetreten ist. Ihre Podcast-Initiative What’s Your Story? bietet ihr nun eine Plattform, um nicht nur Einblicke in ihr eigenes Leben, sondern auch in das ihrer berühmten Familie zu geben – ungefiltert, verletzlich und ungeschönt.