SPECIAL: Tomb Raider – Eine Geschichte voller Höhen, Tiefen und Brüsten – Teil 2

                                         Aufstieg und Fall einer Legende 
 
Die 90er Jahre stellten den bisherigen Höhepunkt in der Popularität der Archäologin Lara Croft dar. Von Kriitikern mit Lob überhäuft und auch außerhalb der Spielewelt als globales Phänomen wahrgenommen, machte das Tomb Raider – Franchise seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1996 die Entwickler von Core Design zu reichen Leuten. Und auch Publisher Eidos Interactive freute sich über den Goldesel, welcher im Jahr 1994 übernommen wurde. Bis zum Jahr 1998 waren bereits drei Teile erschienen. Jeder einzelne Schlug auf dem Markt ein wie eine Bombe, obwohl sich spätestens mit Veröffentlichung von Teil 3 erste Abnutzungserscheinungen im bewährten Rezept bemerkbar machten. Trotzdem nahmen die Entwickler unmittelbar nach Veröffentlichung des dritten Teils, welcher immerhin bis heute 6.5 Millionen Mal über die Ladentheke wanderte, die Entwicklung der nächsten Fortsetzung auf und blieb so dem Konzept treu, jährlich einen neuen Titel zu veröffentlichen. 

Auf nach Ägypten

Dieses Mal sollte es Lara nach Ägypten verschlagen, wo sie es neben allerhand Gangstern, ihrem ehemaligen Mentor und einem leibhaftigen Gott aufnehmen sollte. Wieder besann man sich auf das Grundkonzept der Reihe, nahm aber dieses Mal deutlich mehr Verbesserungen vor. Zwischen 1996 und 1999 hatte sich besonders der 3D – Markt weiterentwickelt, das Nintendo 64 bewies spätestens mit dem 1998 erschienenden Ocarina of Time, welche technischen Möglichkeiten die damalige Zeit mit sich brachte und auch die Sega Dreamcast wusste technisch teils Beeindruckendes zu zeigen, ebenso griff Sony mit seiner PlayStation dank starker Titel wie Metal Gear Solid weiter nach den Sternen, obwohl sie technisch damals die Schwächste der drei Konsolen war. Der PC wurde zunehmend als Alternative für Spieler erschlossen, da gerade durch die stetige Weiterentwicklung von Prozessoren und Grafikchips wie zum Beispiel der Nvidia GeForce in Kombination mit der leistungsfähigen DirectX – Schnittstelle der Windows – Betriebssysteme immer mehr möglich war. Gleichzeitig stieg auch der Anspruch an die grafische Qualität neuer Titel mehr und mehr. Ein Fakt, dem man sich auch bei Core Design nicht entziehen konnte. Obwohl die „neue“ Lara hübscher als je zuvor war und darüber hinaus erneut ein paar neue Tricks wie zum Beispiel das Erklimmen von Seilen erlent hatte, bekam auch die Umgebung einige neue Grafikeffekte und Beleuchtungstechniken spendiert, konnte sich also durchaus beim Erscheinen im Oktober 1999 sehen lassen.

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Erschienen für PC, PlayStation und DreamCast war die PlayStation – Version allerdings technisch mehr am dritten Teil angelegt und musste auf viele der technischen Verbesserungen verzichten. Dem Erfolg tat das keinen Abbruch: Tomb Raider – The Last Relevation ging erneut millionenfach über die Theke, wurde aber von Spielern und Kritikern aufgrund mangelnden Mutes zu drastischen Veränderungen im Rahmen des Zeitgeists nicht mehr ganz so euphorisch aufgenommen wie noch die Vorgänger. So bemängelte das Magazin Game Spot damals in ihrem Testbericht eben jenen mangelnden Mut und bezeichnete das Spiel als eine akzeptable Erfahrung basierend auf den klassischen Serientugenden, die aber trotz aller Bemühungen und dem abwechslungsreichen Setting keinerlei Überraschungen mehr bieten würde. Dass es jedoch auch eine Vielzahl positiverer Wertungen gab, beweist der aktuelle Metascore von 8.5.

Der Anfang vom Ende 

Dennoch, die Abnutzungserscheinungen hatten sich längst mehr und mehr bemerkbar gemacht. Abermals ignorierten die Entwickler von Core Design diesen Fakt und brachten wieder ein Jahr später mehr vom selben. Tomb Raider: Chronicles erzählte erstmals kein lineares Abenteuer, sondern knüpft an das Ende von Teil IV an. Nach ihrem Ausflug in Ägypten gilt Lara als verschollen. Eine provisorische Beisetzung findet statt und während Lara’s ehemaliger Mentor Werner von Croy vor Ort fieberhaft nach der Archäologin sucht, erinnern sich in der regnerischen Heimat alte Freunde und Weggefährten an Lara’s bisherige Abenteuer. Die führen den Spieler unter anderem nach Italien, ein russisches Atom U – Boot, in Jugendjahren ins düstere Schottland und zu guter letzt in ein schwer gesichertes Hochhaus.

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Dabei stellte Chronicles auch den letzten Titel der Reihe dar, welcher für die erste PlayStation erschien. Die PC – Version kam exklusiv erstmals mit einem Level – Editor umher, mit dem man seine eigenen Inhalte programmieren konnte, die allerdings allesamt nur für den Vorgänger. Obwohl nach wie vor wirtschaftlich erfolgreich, waren die Kritiker dem erneuten Aufguss der bewährten Formel im Jahr 2000 nicht mehr so positiv gesinnt wie noch in den Vorjahren. Die mangelnde Abwechslung, das eher zusammenhangslose Gameplay und das gefühlt viel zu schnelle Ende zementierten den langsamen Niedergang einer einst revolutionären Serie. 

Dies nahmen Entwickler und Publisher nun zum längst überfälligen Anlass, die Serie grundlegend zu überarbeiten und zwar in jedweder Hinsicht. Ganze 3 Jahre sollten vergehen, bis ein neuer Teil der Reihe auf dem Markt erscheinen würde. So lange und länger dauerte die Entwicklung des vorerst als „Tomb Raider: Next Generation“ angekündigten Titels, der vor allem die technischen Möglichkeiten der immens erfolgreichen PlayStation 2 voll ausreizen sollte. Bis dahin blieb es um die berühmte Archäologin aber alles andere als still.

Lara kommt ins Kino

Bereits Mitte der 90er hatte man Konzepte und Pläne, Lara Croft auf die große Kinoleinwand zu bringen. Erst 2001 setzte man dieses Vorhaben in die Tat um. Mit Angelina Jolie konnte man nach langer Suche die perfekte Darstellerin für die Rolle gewinnen. Dazu gesellten sich der damals noch nicht ganz so bekannte Bond – Darsteller Daniel Craig und Oscarpreisträger Jon Voight (im wahren Leben der leibliche Vater von Angelina Jolie) als Vater von Lara Croft. Im Regiestuhl nahm Action – Veteran Simon West (Con Air, The Expendables 2) Platz.

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Der Film, welcher von der Suche nach einem alten Artefakt zur Kontrolle von Raum und Zeit handelte, erwies sich als sehr erfolgreich an den Kinokassen und galt lange Zeit als erfolgreichste Videospielverfilmung überhaupt, welcher auch die 2003 erschienene Fortsetzung nicht das Wasser reichen konnte, bis die Verfilmung von Prince of Persia diesen Platz im Jahr 2010 für sich beanspruchte. 2003 sollte jedoch auch die langerwartete Rückkehr der Reihe ins Spielegeschäft markieren. 

Engel der Finsternis

Eine komplett neue Lara sollte sich erstmals auch verstärkt dem Nahkampf widmen können, auch Stealth – Elemente sollten enthalten sein. Dafür teilte sich das Entwicklerteam erstmals auf, um Chronicles und Next Generation parallel entwickeln zu können. Als der Executive Producer der Serie mit den Arbeiten an Chronicles fertig war und sich zum anderen Team gesellte, war er mit deren bisheriger Arbeit alles andere als zufrieden und warf alles bisher erreichte kurzerhand über Tomb Raider AoD screenshotden Haufen. 2002 als „Tomb Raider: Angel of Darkness“ angekündigt, wurde die ebenso für dieses Jahr geplante Veröffentlichung von vielen Problemen überschattet und verschob sich so immer mehr und mehr ins Jahr 2003. Zum einen ließen sich die überambitionierten Wünsche der Entwickler, die ein düsteres, erwachseneres Spiel erschaffen wollten, nicht wie gewünscht umsetzen. Zum anderen hatte man aufgrund mittlerweile extrem starker Konkurrenz im Genre längst den Monopolanspruch verloren und musste daher umso mehr überzeugen, um seinen bröckelnden Platz auf dem Thron verteidigen zu können. 

Nichts lief wie geplant. Legendär ist beispielsweise, wie der Executive Producer auf einer Aktionärspräsentation das Spiel vorstellen wollte, aber so mit der Steuerung und dem Gameplay haderte, dass er letztendlich nur noch über seine eigene Arbeit fluchen konnte. Trotzdem bestand Publisher Eidos auf das Release im Jahr 2003, um vom vorhandenen Hype um den zweiten Kinofilm profitieren zu können, der zeitgleich mit dem Spiel im Sommer des Jahres erscheinen sollte. Dafür mussten aus dem Spiel eine Menge geplanter Inhalte entfernt werden, wie zum Beispiel die längst überfällige Auflösung, wie Lara das Ende des vierten Teils überleben konnte. Auch der erstmals in der Serie als spielbarer Partner fungierende Kurtis wurde kräftig beschnitten, ja sogar ganze Level mussten weichen. Man war in der Säuberung der Inhalte dann so gründlich, dass sogar bereits fertiggestellte Inhalte versehentlich der Schere zum Opfer fielen. Der Druck von Publishern ist heute sicherlich teilweise noch größer und führt dazu, dass sich Probleme wie diese bis Heute in unschöner Regelmäßigkeit wiederholen. Dieser Thematik möchte ich mich aber in einem gesonderten Special widmen. Übrigens, Angel of Darkness ist neben Tomb Raider 3 der zweite von insgesamt zwei gekürzten Titeln der Serie. Auf das bisschen, ohnehin kaum sichtbare Blut wurde in Deutschland wieder komplett verzichtet. 

Die Zeichen standen also auf Sturm. Bei Core Design war man sich durchaus bewusst, dass das Spiel alles andere als fertig war, konnten aber keine weiteren Maßnahmen gegen die anstehende Veröffentlichung ergreifen. Die offizielle Meldung der Fertigsstellung des Spiels erfolgte erst 2 Tage vor Release. Vorher musste der Titel ganze 8 Mal bei Sony eingereicht werden, bis auch die Veröffentlichung für PlayStation 2 endlich grünes Licht bekam. Das Desaster zeichnete sich ab…

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Obwohl Angel of Darkness von einer großen Marketing – Kampagne begleitet wurde und sogar einen vom Deutschen Produzenten Alex Christensen Song spendiert bekam und sich daher durch Impulsivkäufe zu einem vorerst schnellen Erfolg mauserte, wurde schnell klar, dass sich der neueste Teil zu einem kompletten Reinfall entwickeln würde. Die Kritiker zerissen das offensichtlich unfertige Spiel förmlich in der Luft. Berechtigterweise, denn man merkte dem Spiel jederzeit an, dass es so viel mehr sein wollte, als es eigentlich war. Hatte man sich in den Vorjahren noch zu sehr auf Bewährtes verlassen, nahm man mit der Neuentwicklung nahezu gänzlich alle Elemente aus dem Spiel, welche die Reihe dereinst berühmt gemacht hatten und auszeichneten. Stattdessen bediente man sich bei allem, was die starke Konkurrenz (wie eben Metal Gear Solid) so erfolgreich machte.  

Trotz einer spannenden Geschichte und der durchaus achtenswerten Grafik brachen vor allem der ungeliebte Charakter Kurtis, die miese Steuerung, völlig überzogene Hardware – Anforderungen an die PC – Version sowie eine Tonne Bugs und Kameraprobleme dem Spiel das Genick. Die Wertungen waren harmlos ausgedrückt gemischt. Manche Rezensionisten waren trotz allem angetan, die allermeisten jedoch bezeichneten es als eine frustrierende und enttäuschende Erfahrung. Nicht ganz zu unrecht befindet sich das Spiel bis heute in der Top 10 von GameTrailer’s Liste der schlechtesten Fortsetzungen aller Zeiten. Daran änderten auch die zahlreichen Patches nur wenig. Und dennoch muss man sagen, dass das Spiel in seiner Grundidee erstmals mit vielen neuen Spielelementen wie Ausdauersystem und Rollenspielelementen in einem Action – Adventure experimentierte, von denen die meisten heutzutage Gang und Gebe sind. Das all das dennoch harsche Konsequenzen haben musste, war klar. 

Nachbeben

Nach dem Launch des Titels, der nahezu zeitgleich mit dem zweiten Kinofilm erschienen war, machte Vertreiber Paramount seinem Unmut über das schlechte Einspielergebnis Luft und wälzte die Schuld für den mangelnden Erfolg nahezu komplett auf das miese Spiel ab. Kurz nach Veröffentlichung nahm der Chef von Core Design seinen Hut und verließ das von ihm mitgegründete Unternehmen. Ursprünglich als Anfang einer neuen Trilogie gedacht, blieb Angel of Darkness der einzige Teil seiner Art. Alle Fortsetzungen waren vorerst vom Tisch, gleiches galt auch für die Filme. Was von Core Design verblieb, bekam von Publisher Eidos das Sorgerecht für sein eigenes Baby entzogen. Stattdessen sollten die Entwickler von Crystal Dynamics, die unter anderem für die erfolgreiche Legacy of Kain – Reihe verantwortlich waren, der Serie zu einem gelungenen Neuanfang verhelfen. Und das sollte weitere drei Jahre in Anspruch nehmen…

Im dritten und letzten Teil des Specials befassen wir uns mit dem ersten und zweiten Reboot der Reihe, wie das Franchise zu alten Stärken zurückfand und sich dann am Ende doch beinahe gänzlich (und sehr erfolgreich) neu erfand. Die Jahre 2006 bis Heute erwarten euch. 

FORTSETZUNG FOLGT

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