Perception – „Blinder Alarm“

                                         Getestet und verfasst von General M

Was für ein Tag für Deutschland! Die Ehe für alle wurde durchgewunken, der Deutsche Fußballnachwuchs steht im Finale um die U21 – Weltmeisterschaft und wir testen Perception für euch. Klingt irgendwie aufgebauscht? Ach, was soll´s. Es ist Freitag, da darf man auch mal etwas in eigener Sache übertreiben. 

Ich sehe was…

Es ist schon eine ganze Weile her, da erschuf Irrational Games mit der Bioshock – Reihe einen modernen Klassiker des Videospielmediums. Der Trubel um das Studio muss gewaltig gewesen sein. So gewaltig, dass man sich anschließend gesagt hat, man möchte diese gewaltige Form von Spielen nicht mehr entwickeln, sondern sich stattdessen auf kleinere Projekte konzentrieren. Ein paar der BioShock – Schöpfer taten sich daraufhin direkt unter neuem Namen zusammen, nannten sich von da an „Feardemic“ und erschufen Perception, ein ambitioniertes kleines Projekt. Wir schlüpfen in die Haut von Cassie, einer jungen Frau, welche seit Geburt an blind ist, sich aber dennoch hervorragend mithilfe ihrer Sinne zurecht finden kann. In letzer Zeit wird sie allerdings permanent von schlimmen Albträumen geplagt, die allesamt in ein abgelegenes Haus zu führen scheinen. Um des Schlafes Willen setzt sich die toughe Lady umgehend ins erstbeste Flugzeug und macht sich daran, das Mysterium um das Haus zu lösen…

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                 Cassie hofft, im Geisterhaus ein Mittel gegen ihre Albträume zu finden.

Wie bereits erwähnt ist Cassie blind, kann aber wie Daredevil durch eine Art Sonar die Umgebung um sich herum für kurze Zeit sichtbar machen, indem sie mit ihrem Blindenstock gegen Objekte klopft. Texte werden dagegen mit einer App gescannt und dann in Sprachausgabe ausgegeben (gibt´s tatsächlich!). Löblich: Ob man nun auf den Boden klopft, oder gegen Holz oder Metall, die entsprechende Resonanz klingt immer anders und untermalt die minimalistisch inszenierte Atmosphäre prächtig. Allerdings sollte man es mit dem Klopfen nicht übertreiben. Zu permanente Einwirkung mit dem Stock ruft „Die Präsenz“ auf den Plan, die nichts weiter im Sinn hat, als Cassie um die Ecke zu bringen, sobald sie ihr begegnet. Lösung: Verstecken. Was auf dem Papier recht annehmbar klingt, scheitert in der Umsetzung leider grandios. Im Verlauf des ohnehin sehr kurzen Spiels (4-5 Stunden) ist mir die Präsenz gerade mal doppelt begegnet, obwohl ich mir bewusst alle Mühe gegeben habe, ihr Erscheinen zu provozieren. Es gehört also schon ein drastischer Überschuss an Geräuscherzeugung dazu, damit sich der mordlüsterne Geist überhaupt um uns bemüht. Und selbst dann genügt es völlig, einfach in eine Holzkiste zu kriechen, damit die Präsenz die Spur verliert und wieder verschwindet. Ein Gefühl von Paranoia und Vorsicht wird so leider nicht erzeugt, zumal besagte Kisten so gut hervorgehoben werden, dass man im Fluchtfall gar nicht groß in Panik verfallen muss. Am Ende deckt man eine Geschichte auf, die angesichts der zahlreichen Hinweise bereits stark absehbar war und dann zwar keinen faden, aber doch einen unspektakulären Nachgeschmack hinterlässt. 

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          Neben der Präsenz ist der einzige Gegnertyp im Spiel ein Püppchen mit Pistole. 

Gleiches gilt leider auch für den zweiten (und letzten) Gegnertyp im Spiel, nämlich mit Knarre versehene Puppen. Denen kann man zwar nicht durch einen Sprung in die Wäschetruhe entkommen, anderseits können sich diese Gegner nur auf Schienen bewegen, weshalb auch hier das Ausweichen ein Leichtes ist, wenn man das Bewegungsmuster erstmal verinnerlicht hat. Der spielerische Anspruch geht grundsätzlich eher gegen Null, da einen das Spiel auf Knopfdruck jederzeit bequem zum nächsten Ziel führt und die einzige Aufgabe zwischendurch darin besteht, alle möglichen Gegenstände zu analysieren. Von einer Kaffeetasse bis zu einem Pillendöschen ist da alles vorhanden, auch Audiologs sorgen zusätzlich für etwas Licht. Das alles wirkt aber so aufgesetzt, dass es kaum Vergnügen macht, sich auf die Suche nach all diesen Dingen zu begeben. 

So kann man Perception trotz der schlagfertigen und selbstbewussten Protagonistin inhaltlich und spielerisch nur sehr wenig Gutes abgewinnen, abgesehen davon, dass der gewählte Ansatz mutig ist, ebenso auch wichtig für das Medium des Videospiels an sich. Und außerdem beweist er wunderbar, dass eben auch Menschen mit Behinderungen Helden sind, sowohl im wahren Alltag, als eben auch in Spielen. Und dennoch reicht das angesichts der mauen Umsetzung nicht für eine hohe Wertung. 

…was du nicht siehst.

Minimalismus ist auch das Stichwort für die auf der Unreal Engine basierenden Technik. Da Cassie ihre Umgebung nur grob schemenhaft wahrnimmt, kann man hier natürlich kein Grafikfeuerwerk erwarten. Aber der monochrome Stil haut trotzdem nicht vom Hocker, da man allenfalls das Gefühl hat, sich durch ein altes Gitternetz zu manövrieren. Die von uns getestete PlayStation 4 – Fassung krankt zudem an der Tatsache, dass sie hin und wieder kurz spürbar unter die 30 Bilder – Marke fällt, was eigentlich gar nicht möglich sein dürfte. Hinzu kommt, dass die Umgebung trotz ständig wechselnder Räume sehr generisch wirkt, wirkliche Highlights sucht man vergeblich. 

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               Der technische Minimalismus wurde leider nicht zufriedenstellend umgesetzt. 

Ein Lob bleibt am Ende aber der gut gewählten (englischen) Stimme von Cassie vorbehalten, welche der liebenswerten Protagonistin Seele verleiht, ferner auch das bereits erwähnte Sound – Design und zu guter letzt sollte man auch wie stets erwähnen, dass die Bedienung einfach, zugänglich und präzise ist. 

Fazit und Wertung

ava2 „Ich bin mit viel Neugierde an Perception herangetreten. Der spielerische Ansatz, einen blinden Charakter zu steuern, welcher sich lediglich durch seine Sinne orientiert, klang auf dem Papier extrem spannend. Leider machte sich beim Spielen dann auch schnell Ernüchterung breit. Das Grundkonzept ist gelungen, aber die Umsetzung wenig motivierend. Klopfen, klopfen, klopfen, einsammeln, klopfen, wegrennen, klopfen. Das ist auf Dauer wenig motivierend, da trotz der liebenswerten Protagonistin einfach zu wenig Story, zu wenig Herausforderung und zu wenig Abwechslung wartet. Perception ist, das muss man so sagen, leider nur ein Blindgänger.“

PRO: 

+ Interessanter spielerischer Ansatz
+ Atmosphärische Geräuschkulisse
+ Liebenswerte Protagonistin
+ Gutes Sounddesign
+ Gut gewählte Sprecherin
+ Eingängige Bedienung

CONTRA:

– recht kurze Spielzeit
– kaum spielerische Herausforderung
– wenig Abwechslung 
– eher belanglose Geschichte mit vorhersehbarem Ende
– technisch eher belanglos
– mit der Zeit nerviges Abklopfen
– uninspirierte Suche nach Hinweisen
– keine wirkliche Bedrohung vorhanden
– stellenweise nervige Checkpoints
– FPS – Einbrüche (PS4)

                                                    GESAMTWERTUNG:     44%

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