Judgment – „Ein Remaster aus dem Lehrbuch“

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                                                    Getestet und verfasst von General M 

81vECCGHVWL. SL1500 Mit Yakuza legten die Macher vom Ryu Ga Gotoku Studio den Grundstein für eines der erfolgreichsten japanischen Videospielfranchises aller Zeiten. Über die Jahre folgten nicht nur gelegentliche Ableger, auch im Westen wurden die Abenteuer von Kazuma Kiryu und Co. immer bekannter und beliebter. Yakuza: Like a Dragon erschien gar als Launchtitel für die XBOX Series X|S und konnte als Soft Reboot ebenfalls begeistern. Judgment dagegen wurde Ende 2018 als eigenständiger Titel zunächst exklusiv auf der PlayStation 4 veröffentlicht und folgt einem jungen Privatdetektiv bei der Suche nach einem Serienkiller im Partyviertel Kamurocho. Der tollen Story standen aber unzählige technische Probleme gegenüber. Die Neuauflage will das nun besser machen.  

              Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der XBOX Series X aufgenommen. 

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Maulwurfsjagd

Einst galt der junge Anwalt Takayuki Yagami als aufstrebender Stern am Gerechtigkeitsfirmament. Nachdem er jedoch überzeugt von dessen Unschuld einen Freispruch für einen mutmaßlichen Mörder erlangt hat, tötet dieser wenig später seine Lebensgefährtin und steckt auch noch ein ganzes Wohnhaus in Brand. Dieses Mal sind die Beweise eindeutig. Erdrückt von Schuldgefühlen und Medienschelte legt Yagami schließlich seine Marke ab und eröffnet drei Jahre später zusammen mit dem Ex-Yakuza Masaharo Kaito ein eher mittelmäßig erfolgreiches Detektivbüro im Herzen von Kamurocho. Immer darum bemüht, seiner Vergangenheit zu entfliehen, erledigt der ehemalige Verteidiger auch mieseste Jobs, um sich und seinen besten Kumpel irgendwie über Wasser halten zu können. 

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Die beliebte Amüsiermeile von Tokyo hat in der Vergangenheit bereits zahllose Ereignisse überstanden, doch nun treibt sich inmitten gewaltiger Neonreklamen und düsterer Gassen auch noch ein Serienmörder herum, der es bevorzugt auf Mitglieder einer konkurrierenden Familie aus Kansai abgesehen hat und seinen Opfern stets beide Augen aussticht. Als ein hochrangiges Mitglied des lokal operierenden Tojo Clan in Verdacht gerät, für die jüngste Tat des sogenannten Maulwurfs verantwortlich zu sein, soll Yagami seinen alten Anwaltsrivalen Shintani bei der Suche nach Beweisen für dessen Unschuld unterstützen. Nur widerwillig nimmt er das Angebot an, bedeutet der Auftrag doch unweigerlich eine erneute Konfrontation mit seiner ehemaligen Flamme, der Staatsanwältin Mafuyu Fujii sowie Erzfeind Keigo Izumida, welcher Yagami seinerzeit im Gericht gegenüberstand und notfalls auch nicht vor schmutzigen Tricks zurückschreckt. 

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Zwar gelingt es Yagami, entgegen zahlreicher Widerstände ausreichend Beweise für die Unschuld des Yakuza zu sammeln, die Vermutung, dass dieser dem Mörder bei seiner Tat geholfen hat, lässt den Detektiv allerdings nicht los. Er entschließt sich, auf eigene Faust nach dem Täter zu suchen und so zumindest ein bisschen was von seinem Seelenfrieden zurückzugewinnen. Die Jagd nach dem Maulwurf für das Duo Yagami und Kaito gleichermaßen in die höchsten Kreise der Lokalprominenz wie auch die finstersten Abgründe der Unterwelt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn der Killer hat sich längst ein neues Opfer ausgesucht…

CSI: Kamurocho

Anders als bei Yakuza dreht sich in Judgment ausnahmsweise mal nicht alles um Familienzwiste, sondern um einen hochspannenden Kriminalfall. Dass auf Seiten der Gerechtigkeit aber auch niemand mit sauberer Weste agiert, lehren einen die Macher im Rahmen der gewohnt cineastisch inszenierten Story schnell. Da bleibt es nicht aus, dass sich Yagami regelmäßig finsteren Gesellen gegenübersieht, die ihm nach dem Leben trachten. Der weiß sich zum Glück zu wehren. Was ihm an Kampfkraft im besten Stile eines Kiryu oder Saejima fehlt, gleich er durch Agilität und Geschwindigkeit wieder aus. Zwei Stile stehen zur Verfügung, von denen sich einer idealerweise gegen einzelne Gegner einsetzen lässt und der andere hervorragend im Kampf gegen größere Gruppen eignet. Immer miteinbezogen wird dabei die Umgebung. So kann Yagami nicht nur Fahrräder, Müllcontainer und Co. einsetzen, sondern auch Waffen wie Baseballschläger können inklusive brachialer Finishing Moves genutzt werden. Einzigartig im Spiel ist aber die Möglichkeit, mithilfe von Sprüngen an Häuserwänden komplett neue, mächtige Fertigkeiten zum Einsatz zu bringen. 

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Mit dem Arsenal solltet ihr euch schnell vertraut machen, denn es dauert nicht lange, ehe man dem ersten Bossgegner gegenübersteht. Die können nicht nur bereits auf dem einfachsten von insgesamt drei verfügbaren Schwierigkeitsgraden besonders viel Schaden einstecken und austeilen, sondern sind oft von vorne gar nicht angreifbar und bestrafen jeden Versuch mit verheerenden Kontern, die sogar bleibende Schäden hinterlassen können, wenn man nicht geschickt ausweicht oder im richtigen Augenblick die angesammelte Energie nutzt, um kurzzeitig in einen besonders mächtigen Trancezustand zu wechseln. Neue Skills aller Art, darunter Gesundheitsverbesserungen, Moves und Ermittlungshilfen lassen sich bequem über eine App auf Yagami´s Handy freischalten, die dafür nötigen Fertigkeitspunkte bekommt ihr quasi durch jede Aktivität in Kamurocho, selbst Restaurantbesuche oder Aktivitäten in den zahlreichen Amüsierbetrieben belohnen euch mit den kostbaren Punkten. Ganz so viele Prügeleien wie in Yakuza gibt´s aber nicht. Yagami ist in erster Linie Ermittler und kein Schläger. Deshalb verlangt das Spiel von euch immer wieder Detektivarbeit. 

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So verfolgen wir Verdächtige durch die Straßen, suchen relevante Orte nach Hinweisen ab oder konfrontieren mögliche Zeugen mit Beweismitteln. Alles verpackt in Minispiele, die aber leider ziemlich rudimentär und repetiv geraten sind und das spielerische Geschick niemals wirklich herausfordern. Daran hat sich mit dem Remaster nichts geändert. Die wendungsreiche und mit zahlreichen toll geschriebenen Charakteren auf Kinoniveau geschriebene Story entschädigt dafür aber mehr als ausreichend. Wer sich ausschließlich auf die Geschichte fokussiert, kann bereits gute fünfundzwanzig Stunden Spielzeit erwarten. Komplettisten, die jeden Winkel von Kamurocho absuchen, keine Nebenmission auslassen und wirklich alle Nebenaktivitäten perfektionieren wollen, können locker das Vierfache einplanen. In Sachen Umfang steht Judgment der Hauptreihe also in nichts nach und bleibt von Anfang bis Ende hochspannend. Wie bei Yakuza gilt aber auch hier, dass sich das Spiel primär für Fans und/oder Kenner der Japanischen Kultur eignet. Wer auf der Suche nach einem eher westlich geprägten Erzähl- und Spielstil ist, wird selbst als Kriminaljunkie kaum glücklich werden.

Ein überfälliges Upgrade

Bei all den Stärken von Judgment wird sich alteingesessenen Lesern die Frage stellen, warum wir seinerzeit beim Release auf PlayStation 4 trotzdem nur im Siebenerbereich gewertet haben. Das größte Problem der Erstveröffentlichung waren hauptsächlich technische Schwierigkeiten. Die hauseigene Dragon Engine ist extrem leistungshungrig und brachte selbst das erweiterte Modell rasend schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Besonders die aufwendig in Echtzeit gerenderten Zwischensequenzen machten Abstriche unausweichlich. Das Resultat: Viele detailarme Texturen, teils unansehnliche Effekte sowie eine inkonstante Bildrate. Viel gewichtiger als das waren aber die massiven Inputlags, was die Kämpfe extrem frustrierend gestaltete. Mit den leistungsstarken Konsolen der neuen Generation gehören diese Probleme endlich der Vergangenheit an. Sowohl PlayStation 5 als auch XBOX Series X lösen in nativen 1440p (vormals maximal 1080p via Checkerboard Rendering) bei durchgehend geschmeidigen 60 Frames pro Sekunde auf und liefern genau das rasante, flüssige Spielgeschehen, dass man von der Reihe einfach erwartet. Auf der etwas schwächeren Series S bleibt es übrigens bei 1080p, abseits davon profitiert die Konsole aber ebenfalls von sämtlichen Verbesserungen.

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Ein weiterer Vorteil der aktuellen Hardwaregeneration liegt in den drastisch verkürzten Ladezeiten. Wo man bisher bei Szenenwechseln bis zu vierzig Sekunden bis zum Wiedereinstieg warten musste, wird jetzt in schlanken drei bis vier Sekunden durchgeladen. Sämtliche Texturen wurden aufgemöbelt, selbst kleine Objekte wie Stromkästen sind als solche wieder wahrnehmbar und sehen nicht mehr aus wie an die Wand geklebter Matsch. Reflektionen von Lichtquellen oder Wasserlachen sehen auch ohne den Einsatz von Ray Tracing klasse aus und auch den Hauptcharakteren sieht man bei Kleidung und Gesichtern Detailverbesserungen an. Da tut es einem als Fan der Reihe richtig weh, dass Kiwami 2 und das kürzlich auf der XBOX nachgereichte Yakuza 6 immer noch mit 30 Frames pro Sekunde vor sich hindümpeln. Ein Umstand, der angesichts der weltweit zunehmenden Beliebtheit des Franchises hoffentlich irgendwann korrigiert werden wird. Und natürlich wird es auch für die weiterhin ausschließlich in Japan erhältlichen Ishin und Kenzai Zeit, in modernisierter Form ihren Weg zu uns zu finden. 

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Eines der größten Mankos der Reihe macht aber auch das Remaster von Judgment nicht wett. Die Anzahl der NPC´s bleibt in ihrer Einzigartigkeit arg überschaubar. So begegnet man nicht selten in kurzen Abständen immer wieder gleich aussehenden Passanten, die sich oftmals sogar direkt nebeneinander tummeln. Wer auf dem Promenandenscreenshot etwas weiter oben genau hinsieht, entdeckt alleine hier gleich dreimal dasselbe Modell mit Rucksack. Auch bleibt die allgemeine Darstellungsqualität weiterhin drastisch unter jener der bedeutsameren Charaktere, was atmosphärisch wie immersiv permanent negativ ins Gewicht fällt. Das bekommt ein ebenfalls in einer vielbevölkerten Welt spielendes Red Dead Redemption II beispielsweise wesentlich besser hin. Davon abgesehen ist Judgment in aufbereiteter Form endlich so spielbar, wie es eigentlich von Anfang an gedacht war. Flüssig, ohne Inputlags und schöner als je zuvor. Der Umstieg ist für Besitzer der alten Version auf PlayStation 4 quasi Pflicht. Unterschiede zwischen PlayStation 5 und XBOX Series X gibt es übrigens nicht. Man bekommt also auf jeder Plattform das bestmögliche Erlebnis geboten. 

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Ein großes Lob gilt wie immer der hervorragenden, wahlweise auf Englisch oder Japanisch mit jeweils gut lokalisierten deutschen Untertiteln versehenen Lokalisierung. Echte Yakuza spielen natürlich im O-Ton, hier leiht mit Takuya Kimura einer der bekanntestes Sänger und Schauspieler Japans dem Hauptdarsteller Stimme und Aussehen, aber auch der restliche Cast kann sich hören lassen. Mit der englischen Synchronfassung ist man aber wie immer kaum schlechter bedient. Übrigens ist Judgment erst das zweite Spiel des gesamten Franchises, welches mit deutschen Untertiteln aufwartet. Wer der Japanischen Sprache mächtig ist, mag zwischen Dialogen und Texten zwar manche Diskrepanz entdecken, alles in allem wurde bei der Übersetzung aber wie schon bei Like a Dragon wirklich gute Arbeit geleistet. Ohnehin ist Japanisch keine Sprache, die sich sonderlich gut übersetzen lässt. Wie gewohnt muss man sich aber darauf einstellen, dass es zwischen den zahlreichen vertonten Dialogen weiterhin viele Volltextpassagen gibt. Zu guter letzt sei noch erwähnt, dass im Remaster direkt sämtliche DLC´s der PlayStation 4 – Version enthalten sind, es warten mit zunehmendem Progress also zahlreiche Itempakete und Drohnenteile darauf, von euch eingesackt zu werden. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Mit den neuen Konsolen wird endlich gut, was bisher durch veraltete Hardware im Zaum gehalten wurde. Die Neuauflage von Judgment auf XBOX Series X|S und PlayStation 5 bietet die gleiche spannende Kriminalgeschichte im Yakuza-Franchise, überragt die technisch maue Erstveröffentlichung aber dank doppelter und stabiler Bildrate sowie zahlreichen grafischen Verbesserungen um Welten. Endlich kann man die Mörderhatz in Kamurocho ohne Inputlags und lange Wartezeiten kompromisslos genießen. Dafür werten wir nicht nur massiv auf, sondern heißen Judgment gleichzeitig auch als erstes Mitglied in unserem neuen Platinum Membership Club willkommen. Zwar bleiben kleinere Mankos wie die dröge Ermittlungsarbeit und die stark schwankende Qualität zwischen NPC´s und Hauptcharakteren, dem Genuss der hochspannenden Kriminalgeschichte auf Hollywoodniveau tut das aber keinerlei Abbruch.“ 

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PRO:

+ Spannende Kriminalgeschichte voller Wendungen 
+ Filmreife Zwischensequenzen
+ Exzellent geschriebene Charaktere
+ Immense Anzahl an Nebenaktivitäten 
+ Circa hundert Stunden Gesamtumfang
+ Umfangreiches Fertigkeitensystem
+ Geschmeidige Kämpfe
+ Stabile Performance
+ Massiv verkürzte Ladezeiten
+ Drei Schwierigkeitsgrade
+ Zahlreiche grafische Verbesserungen
+ Abwechslungsreicher, jederzeit passender Soundtrack
+ Hervorragende japanische und sehr gute englische Sprecher
+ Gut lokalisierte deutsche Untertitel
+ Intuitive Bedienung

CONTRA:

– Stark schwankende grafische Qualität zwischen Hauptcharakteren und NPC´s
– Detektivarbeit als anspruchslose Minispiele 
– Einige Dialogpassagen nur als Volltext vorhanden
– In engen Innenräumen etwas stoische Bewegungskontrolle
– Freundschaftsevents nur ein mittelprächtiger Ersatz für klassische Substories

                                             GESAMTWERTUNG:     9.0/10

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