Frostpunk – „Das Wohl der Vielen…“

                                     
                                               Getestet und verfasst von General M

                                                                Ab sofort erhältlich
 

frostpunk 6023317Man stelle sich vor, man wacht eines schönen Morgens im Winter auf und stellt fest: Hurra, es schneit! Das große Problem ist nur, dass es danach nicht mehr aufhört zu schneien. Es wird kälter und kälter, bis schließlich der gesamte Planet mit Eis bedeckt ist und ein Leben im Freien nicht mehr möglich ist. Die Weltwirtschaft bricht zusammen. Staaten existieren nicht mehr. Es gibt keinen elektrischen Strom oder Konsumgüter. Flora und Fauna sterben vollständig aus. Was in Chemnitz abgesehen von Eis und Schnee also dem normalen Alltag gleicht, ist in Frostpunk, dem neuesten Spiel der polnischen „This War of Mine“ – Macher 11 bit Studios Ausgangspunkt für ein sehr interessantes Spielprinzip im Rahmen einer alternativen Steampunk – Welt des 19. Jahrhunderts. Also warm anziehen und auf in die Eiseskälte. 

Winter has come at last

Mit dem stetigen Aussterben aller großen und kleinen Städte der Erde existiert auch London nicht mehr. Die wenigen Überlebenden haben Zuflucht in einem halbwegs von den härtesten Auswirkungen der Eiszeit geschützten Krater gefunden, wo sie unter Leitung des Anführers ums nackte Überleben auf der ungastlichen Erde kämpfen. Der Spieler schlüpft dabei in die Rolle jenes Anführers, der fortan in der Pflicht steht, die zahlreichen Schutzsuchenden vor dem Kälte- oder Hungertod zu bewahren, bis der Frühling eintritt. Zentraler Ausgangspunkt ist dabei der gewaltige Kohlereaktor in der Mitte der zu Beginn noch winzigen Siedlung. Dieser versorgt das umliegende Gebiet und damit auch dessen Bewohner mit Wärme, benötigt aber als Brennstoff Kohle. Glücklicherweise ist im umliegenden Gebiet genügend für eine Grundheizung vorhanden. Also senden wir unsere Bürger aus, um das Material einzusammeln. Nach kurzer Zeit ist genügend Brennstoff vorhanden, um den Monsterofen anzuheizen, sofort steigt die Hoffnung der Bürger an, während die Unzufriedenheit geringfügig abnimmt. Diese beiden Spielelemente sind in Frostpunk von zentraler Bedeutung und sollten stets gut im Auge behalten werden. Ein Mangel an Hoffnung oder ein Überhandnehmen von Unzufriedenheit sorgen nämlich schnell dafür, dass einem erst die Bewohner abhandenkommen, während einen die Verbliebenen früher oder später letztendlich als Anführer absetzen, was das Spielende zur Folge hat. 

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Wärme ist jedoch nicht das einzige zentrale Gut des Spiels. Die Bewohner brauchen Unterkünfte, Nahrung und medizinische Versorgung. Zu Beginn stehen lediglich Grundversionen der entsprechenden Versorgungsgebäude zur Verfügung, die aber zur Errichtung allesamt Holz benötigen. Also wieder die Arbeiter versammelt, bis genügend Holz für ein paar Zelte, eine Küche sowie ein kleines Krankenlager vorhanden ist. Das geht allerdings erst wieder bei Tagesanbruch, da die Arbeiter nur zu festen Zeiten arbeiten, in denen je nach verfügbarer Einwohnerzahl natürlich auch niemand da ist, der sich um den Gebäudebau kümmern kann. Das nächste Problem: Der Ofen hat mittlerweile fast sämtliche Kohlevorräte verbraucht. Mit dem Overdrive kann man sich zwar über eine kurze Zeit retten und den Ofen übertakten, damit steigt aber auch dessen Explosionsgefahr an, was logischerweise wieder das Spielende zur Folge hätte, denn ohne Wärme wären alle Bewohner umgehend zum Tode verdammt. Also schalte ich den Ofen vorerst ab, was sich umgehend auf die Stimmung der Bewohner auswirkt. Durch den anhaltenden Frost gibt es erste Todesfälle. Der Anführer wird angehalten, sich dringend um eine Lösung für deren Bestattung zu bemühen. Sollte man das Versprechen abgeben, sich dieser Sache anzunehmen, wird es Zeit, auch das erste Gesetz zu erlassen. Die Gesetzgebung dient dabei in erster Linie dem Freischalten von Perks und neuen Gebäudestrukturen, hat aber auch immense Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Bevölkerung. Um beispielsweise das Problem der Leichenbestattung zu lösen, kann man sich für eine ressourcengünstige Lösung entscheiden, nämlich die Toten einfach auf einen Haufen zu werfen, oder man baut einen Friedhof und sorgt für angemessene Leichenruhe. Überflüssig zu sagen, welche dieser Optionen bei den Leuten besser ankommt, oder? Grundsätzlich ist es aber löblich, dass einem die Einwohner stets mitteilen, woran es ihnen mangelt und man dann auch etwas Zeit erhält, diese Mängel zu beseitigen. 

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Erst im späteren Verlauf müssen zunehmend härtere Entscheidungen getroffen werden. Sollte man selbst die Kinder zur harten Arbeit in den Minen verdonnern, oder sie lieber als einfache Helfer im Krankenlager aushelfen lassen? Das Essen ist knapp! Strecken wir die Rationen mit Sägemehl, oder essen wir die Toten? In vielen Momenten verlangt einem das Spiel extrem harte Entscheidungen ab, die teilweise erschreckend an die Substanz gehen. Aber genau darum geht in Frostpunk, das Wohl von Vielen steht über dem Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen. Da ist ein Menschenleben nicht viel wert. Gerade das Experimentieren mit diesen Gesetzen, welche jedoch leider nicht zurücknehmbar sind, sorgt für einen immensen Wiederspielwert, da die entsprechenden Gesetze die Spielweise oft grundlegend beeinflussen und der Ausgang immer ungewiss bleibt. So ist das Ergebnis auch immer ein Spiegelbild der eigenen Entscheidungen. Es gibt kein Gut oder Böse. Nur das Überleben und alles dafür Notwendige zu tun. Unter der Decke aus Eis und Schnee steht ein extrem motivierendes, bis in die kleinsten Schichten gut durchdachtes Spiel um Leben und Tod, welcher aber mit einer extrem steilen Lernkurve aufwartet und zudem augenblicklich ausschließlich in Englischer Sprache verfügbar ist.

Entwicklung und Wachstum

Mit der wachsenden Zufriedenheit in der Siedlung kommen auch immer wieder neue Flüchtlinge hinzu. Diese brauchen natürlich ebenfalls Unterkunft und Pflege. Einfache Zelte bieten nur Platz für wenige Leute und sind darüber hinaus trotz Ofen auch nicht sonderlich warm. Um das Leben der Bewohner grundlegend zu verbessern, lassen sich mithilfe der Werkstatt zahlreiche neue Verbesserungen in allen Lebensbereichen erforschen. So werden aus Zelten Hütten, aus Hütten irgendwann Häuser und so weiter. Diese bieten nicht nur dringend benötigten Platz für mehr Bewohner, sondern heben gleichzeitig auch die Lebensqualität an, was sehr praktisch ist, da so weniger Obdachlose den Kältetod sterben. Auf die gleiche Weise lassen sich auch Krankenrevier und Lebensmittelversorgung verbessern. Praktisch: Nach einer Erweiterung muss man nicht erst mühevoll das Vorgängergebäude abreißen, sondern kann dieses bequem erweitern, sofern der Neubau nicht mehr Platz einnimmt. So entsteht mit der Zeit um den ebenfalls erweiterbaren Ofen eine richtige Stadt, inklusive einer teilweise automatisierten Schwerindustrie und Lagerhallen, alles verbunden durch Straßen und im Idealfall auch mollig warm beheizt. 

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Was am Anfang noch sehr übersichtlich wirkt, entwickelt sich allerdings zügig zu einer ziemlich verwirrenden Angelegenheit, da fast sämtliche Gebäude abseits von Minen und Co. so nahe in Kreisform aneinanderliegen, dass man kaum noch einen vernünftigen Überblick über alles behalten kann. Durch die diversen Zoomstufen kann man zwar bei Bedarf auch mal ganz nahe ans Geschehen heran, wirklich hilfreich ist das aber auch nicht, zumal die gebotenen Zoomstufen nicht wirklich ausreichend sind. Hier herrscht dringend Nachbesserungsbedarf, da die stetige Zunahme mangelnder Übersicht die Arbeit als Anführer nicht wirklich einfacher macht, sondern sie eher unnötig erschwert. Und da ohnehin immer alles in Bewegung ist, kann das schon zu einem ordentlichen Gewusel führen, in welchem man im Ernstfall schnell die Kontrolle verlieren kann und so wichtige Bedürfnisse der Bewohner, welche zumeist in schöne Geschichten verpackt werden, unbeabsichtigt übersieht. Wenn dann auch der Bauplatz ausgeht, ist das Chaos perfekt. 

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Natürlich herrscht auch außerhalb der Siedlung noch etwas Leben. Das will allerdings erstmal gefunden werden. Zu diesem Zweck errichtet man im Rahmen einer Mission erst eine Signalboje und kann dann Spähtrupps rekrutieren, welche außerhalb der Siedlung nach Ressourcen oder Überlebenden suchen. Die Ergebnisse dieser Erkundungstouren sind aber nicht immer auch von erfreulichen Ergebnissen die Bewohner, trotzdem lohnt es sich, auch den Spähtrupps einige Upgrades zu verpassen, damit diese möglichst alle gesund und schnell den Weg nach Hause meistern können. 

Steamp(r)unk

Frostpunk nutzt eine eigens für das Spiel entwickelte Engine, welche für eine extrem gelungene visuelle Umsetzung des Settings sorgt. Das Element des Steampunks ist zu jeder Zeit sehr präsent und wirklich hübsch in sämtliche Elemente integriert, so können sich auch die Menüs sehen lassen. Gleichzeitig sorgt die sogenannte Liquid Engine des PC – Exklusives für hübsche Wettereffekte, einen imposanten Tag- und Nachtwechsel sowie schöne Licht- und Partikeldarstellungen. Die Arbeiter ziehen Furchen durch den Schnee, welche sich mit der Zeit wieder zuschütten und in gut beheizten Gebieten kann man dem Schnee sogar beim Schmelzen zusehen. Alles wirkt zu jeder Zeit einfach lebendig. Dabei bleibt das Spiel dennoch überraschend genügsam und ist so mit etwas Nachjustierung auch auf älteren Systemen lauffähig. In den Optionen werden dafür glücklicherweise ausreichend Möglichkeiten geboten. 

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Hinzu kommt eine sehr atmosphärische musikalische Untermalung, welche das gesamte Spielgeschehen stets passend begleitet. Und auch die Bedienung ist denkbar einfach ausgefallen – das gesamte Spiel kann komplett mit der Maus gesteuert werden, lediglich an die vielen Menüs muss man sich am Anfang erst gewöhnen, zumal in dem Bereich leider auch die Tutorials sehr unzureichend sind. Aber hier kann man sicher auch noch ein wenig nachbessern. Für den Steam – Verkaufspreis von 29.99€ bekommt man hier insgesamt einen außergewöhnlichen, umfangreichen Titel mit viel Tiefe und Substanz geboten. 

Fazit und Wertung

ava3„Schon in ´This War of Mine´ haben die Entwickler gezeigt, dass es manchmal notwendig ist, schwere Entscheidungen zu treffen. In Frostpunk wird dieses Prinzip weiter ausgebaut und steht im Mittelpunkt eines harten Überlebenskampfes im Rahmen einer tödlichen Eiszeit. Gewisse Entscheidungen verlangen einem als Spieler alles ab, die Konsequenzen sind dabei stets deutlich spürbar. Dazwischen liegt ein vielschichtiges, hübsches Aufbauspiel mit komplexen Forschungs- und Verwaltungsmechaniken, welches überaus motiviert, aber auch sehr fordernd ist. Dank verschiedenen Gesetzen und Entwicklungsoptionen gleicht dabei kein Durchgang dem anderen, so lädt das Spiel stets zu neuen Experimenten ein. Neben kleinen Unzulänglichkeiten, besonders in Sachen Übersicht, sollten die Entwickler dringend noch etwas an der Lernkurve sowie den allgemeinen Tutorials arbeiten. Aber auch im jetzigen Zustand gehört ´Frostpunk´ für mich bereits zu den Überraschungshits des Frühjahrs, wenn nicht sogar zu den Überraschungshits des ganzen Jahres. Unbedingt anspielen!“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Frostpunk ist ein reiner Einzelspielertitel und enthält weder Mikrotransaktionen noch fragwürdige Pay-2-Win – oder Lootbox – Mechaniken. Eine Abwertung gibt es daher diesbezüglich nicht. 

PRO:

+ Grandioses Steampunk – Setting, welches jederzeit überall präsent ist
+ Hübsche Effekte
+ Lebendige Spielwelt
+ Toll animierter Tag- und Nachtwechsel
+ Sinnvolle, gewichtige Einbindung von Forschung und Politik
+ Entscheidungen haben deutliche Auswirkungen auf das Spielverhalten
+ Bewohner geben Auskunft über Bedürfnisse
+ Hoffnung und Unzufriedenheit von zentraler Bedeutung
+ Erzählt beiläufig viele kleine Geschichten
+ Große Handlungsfreiheit
+ Umfangreiche Gebäudeliste
+ Nützliche Entwicklungsbäume
+ Hoher Wiederspielwert
+ Passender, atmosphärischer Soundtrack
+ Einfache, zugängliche Mausbedienung
+ Mehrere, jederzeit frei wählbare Geschwindigkeitsstufen
+ Fairer Preis

CONTRA:

– Begrenzter Platz…
– …der schnell extrem unübersichtlich ausgefüllt wird
– Kamera mit Eingabeverzögerungen
– Kein freier Zoom
– Ausschließlich in Englischer Sprache verfügbar

– Steile Lernkurve
– Tutorials werden nicht in den natürlichen Spielfluss eingebunden

                                                                               GESAMTWERTUNG:     83%

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