Sesam, öffne dich!
Glücklicherweise wird man nicht ganz ohne Hilfestellung aus dem Bunker entlassen. Auf dem Weg nach draußen begegnen wir nicht nur einem mächtigen Sauhaufen aus Partyhütchen und anderen Utensilien für eine zünftige Fete, sondern absolvieren mithilfe einiger Schautafeln auch gleich ein Tutorial im Schnellverfahren. Mehr als das allernötigste wird aber nicht vermittelt, aber keine Sorge: Zur rechten Zeit gibt es immer genügend Informationsnachschub. Draußen angelangt, sieht die postapokalyptischer Welt eigentlich weitaus weniger schlimm als erwartet aus. Denn West Virginia entpuppt sich auf den ersten Blick als relativ intakter Ort mit gesundem Ökosystem. Aber auch nur auf den ersten Blick. Denn nach wenigen Schritte wartet bereits die erste Quest, die uns schnurstracks zu ersten, stark verwesten Leiche führt. Es soll bei weitem nicht die letzte sein, die uns auf unseren Reisen begegnet. Denn menschliches Leben existiert in der Welt von Fallout 76 nicht. Synths, die stählerne Bruderschaft oder gar das mächtige Institut – all das ist ferne Zukunftsmusik. Alles, was geblieben ist, sind Roboter und Mutanten in allen Formen und Farben. Und genau das ist auch das erste große Problem des Spiels.
(Über-)Leben in der Leere
Die Neubesiedlung einer zerstörten Welt ist natürlich keine leichte Aufgabe. Wasser und nahezu sämtliche Lebensmittel sind radioaktiv verseucht und eignen sich nur im Notfall als Bezugsquellen zum Löschen von Hunger und Durst. Beides Begleiter, die den Charakter ständig verfolgen. Im Grunde stellt sich dabei ganz selten die Frage, ob man verseuchte Nahrung konsumieren sollte oder nicht, sondern viel eher, welche Nahrung einem am wenigstens schadet. Zum Glück wirkt ein Schlückchen RadAway auch schwereren Strahlungsproblemen entgegen. Die ersten Schritte in West Virginia sind gleichzeitig auch die Schönsten. Denn hier treibt einen noch die Neugierde an, das Verlangen zu erfahren, was hinter dem nächsten Wäldchen verborgen ist oder welche Gegenstände sich in den verlassenen Hütten und Höfen des Startgebiets finden lassen. Schließlich ist nichts ohne Nutzen, so lassen sich Bestecke und andere Haushaltsgegenstände an den zahlreichen Werkbänken in ihre Einzelteile zerlegen, die dann wiederum als Basis für Reparaturen, Upgrades oder Neukonstruktionen dienen. Dazu aber später mehr.
Die Welt von Fallout 76 wurde geschaffen, um entdeckt zu werden. Zumindest auf dem Papier. Und das klappt in den ersten 2-3 Stunden auch ganz wunderbar, da man recht schnell das kuschelige Wäldchen verlässt und in erste weitläufigere, gleichzeitig aber auch gefährlichere Gebiete vordringt. Alles im Rahmen der Hauptquest übrigens, die uns auch zu immer neuen Tutorials führt. Denn schließlich sollen auch Neueinsteiger lernen, wie man Lebensmittel und andere Ressourcen finden und verarbeiten kann, auch die eigene Behausung erbaut sich nicht von selbst. All das kann ganz unaufdringlich nebenbei erledigt werden, wenn man es denn überhaupt will – denn die meisten Tutorials haben immer auch optionalen Missionscharakter. Und wer mit den Mechaniken des Vorgängers vertraut ist, wird sich auch in West Virginia sofort allerbestens zurechtfinden. Aber nach eben diesen 2-3 Stunden verkommt das Element des Entdeckens zu einer repetiven Routine mit einigem Frustcharakter. Erstens, weil man immer den gleichen, strohdummen Gegnertypen gegenübersteht und zweitens, weil man gar nicht genug Platz im knapp bemessenen Inventar aufbringen kann, um all das mitzunehmen, was man in verlassenen Schulgebäuden, Restaurants, Fabriken und Co. finden kann – von der Beute, die man bei besiegten Gegnern findet, wollen wir hier noch gar nicht reden!
So komfortabel das natürlich wäre, bodenlose Taschen unterstützen den Survivalcharakter natürlich nicht. Aber es tut ihm auch nicht gut, wenn man nach jeder kleinen Plündertour entweder völlig überladen und deshalb im Schneckentempo 20 Minuten Fußweg zur nächsten Lagerkiste (die auch nicht unbegrenzt Platz bietet) oder dem heimischem Camp zurücklegen muss. Das lässt sich zwar auf Wunsch auch an einem neuen Ort platzieren, kostet aber jedes Mal auch Kronkorken, die besonders zu Beginn ein extrem knappes Gut sind. Die einzige Alternative ist Ausmisten, also Wegwerfen, was man entweder gar nicht braucht oder nicht so sehr braucht wie das, was man gerade eben gefunden hat. Dadurch verbringt man teilweise mehr Zeit im unübersichtlichen Inventar als in der Spielwelt, was den Fluss rasch zum Erliegen bringt. Denn zwischen zwei Orten wieder und wieder Klarschiff zu machen, sich vielleicht auch von Gegenständen trennen, die erst später nützlich sind oder immer wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren versaut einem blitzschnell jede Lust nach weiteren Erkundungsausflügen. Haben wir vielleicht mehr Spaß, uns erstmal auf die nächsten Quests oder Weltereignisse zu konzentrieren?
Auch nicht. Die Fallout – Reihe hat seit jeher von ihren schrillen Charakteren gelebt, und natürlich auch von der Interaktion mit diesen. Wo aber nichts ist, gibt es auch nichts zu bereden, zumal die vielen Blechkameraden allesamt nur über ein sehr begrenztes Vokabular verfügen und nur einfachsten Aufgaben folgen. Dementsprechend lässt sich im gesamten Spiel nicht eine richtige Unterhaltung führen, wenn man nicht gerade darauf versessen ist, sich das Geschrei von 10-12 Jährigen via Voice Chat anzuhören. Das entwertet auch die Quests vollständig, die so gut wie immer entweder in Form von Holobändern oder hinterlassenen Nachrichten auf Terminals vorangetrieben werden. Überraschungen bleiben dadurch komplett aus. Der Weg führt mit ziemlicher Sicherheit entweder zur nächsten Kassette/Terminal oder zurück zum Ausgangspunkt. Ein derart dröger und einfallsloser Erzählfluss ist mir seit langem nicht begegnet, erst recht nicht als Teil eines Fallouts. Besonders, weil man nach einer erledigten Quest nie das Gefühl hat, gerade etwas Bedeutsames geleistet zu haben. Die Missionsbelohnungen sind daher wirklich das einzige, was einen irgendwie bei Laune hält. Doch was nützen besondere Outfits und Waffen wie der gute alte Fatman, wenn selbst deutlich höherstufige Gegner auch mit Kleinstwaffen mühelos zu bezwingen sind (vielleicht mal abgesehen von Todeskrallen)? Balancingprobleme gibt es jedenfalls massig. Und das Questen und Erkunden wird in Fallout 76 schnell zur Qual, zu etwas zwanghaftem, dass man erledigt, weil man doch immer noch die Hoffnung hat, irgendwann auf ein echtes erzählerisches Highlight oder zumindest irgendein einzigartig atmosphärisches Areal zu stoßen. Doch selbst nach 10, 15 und 25 Stunden im Spiel will sich nichts davon einstellen.
Der Weg zur gegenwärtigen Höchststufe 50 hat sich noch nie so zäh und frustrierend erwiesen wie dieser. Dafür fällt der Progress einfach viel zu unbefriedigend aus. Zugegeben, zum Ende hin kann man sich auch daran wagen, auch mächtige Flugbestien umzulegen. Und auch das Camp bekommt dann endlich deutlich mehr Gewicht, schließlich lassen sich nur dort Ressourcen produzieren, die man in der freien Welt sonst nicht findet. Das soll den Handel mit anderen Camps anregen und damit auch Kommunikation und Zusammenarbeit. Genau das will Fallout 76 sein, ein RUST im hauseigenen Endzeituniversum. Doch wie soll das funktionieren, wenn die Server alle kaum bevölkert zu sein scheinen? Das haben wir alles schon in anderer Form besser erlebt – und zwar von Anfang an, nicht erst nach zig Stunden Monotonie. Es dauert ewige Zeit, bis das Kernprinzip des Spiels richtig zum Einsatz kommt. Und dann hat man angesichts besserer Vertreter wie Conan Exiles und Co. schon gar keine Lust mehr darauf.
Alles schon mal dagewesen – nur besser
Denn das nächste große Problem besteht in der innovationsarmen Welt selbst. Kenner von Fallout 4 begegnen so vielen wiederverwerteten Assets und Designs, dass man nie das Gefühl hat, in einer ganz neuen Welt unterwegs zu sein, sondern viel mehr in einer Art Mod für das Ende 2015 veröffentlichte vierte Spiel der Reihe. Fakt ist, die Welt von Fallout 76 ist die größte, die jemals für einen Ableger der Reihe geschaffen wurde. Doch was nützt es, wenn sich trotzdem nichts wirklich neu anfühlt? Spätestens hinter dem Startgebiet wartet nur noch gähnende Leere nach Designschema F, die lediglich von Unmengen an Verbrannten, mutierten Wildtieren, Ghulen und gelegentlich auch mal dem ein oder anderen Zusammenschluss von Supermutanten bevölkert zu sein scheint. Denn wie gesagt, etwas mehr Abwechslung wird erst ganz zum Schluss geboten. Und die Feinde agieren im Gefecht alle derart unbeholfen und dämlich, dass man schon deswegen das Feuer eröffnet oder Prügel verteilt, um diese Kreaturen von ihrer Blödheit zu erlösen. Viel hilft das aber nicht, denn die Kreaturen tauchen zügig wieder neu auf, oft ploppen sie sogar mitten im Bild auf. So macht es auch keinen Spaß, zur Atombombe zu greifen. Kurz darauf ist ja eh wieder alles beim alten.
Und das ist bei weitem nicht der einzige unschöne Bug, den Entwickler Bethesda einem serviert. Die Liste von Fehlern ist sogar derart lang, dass ich locker zwei Artikel damit füllen könnte. Angefangen bei A wie Animationen, die einem alle paar Sekunden offenbaren, wie unfertig das Spiel doch eigentlich geraten ist. Bewaffnete Gegner schießen nämlich fast immer in Bodenrichtung, treffen aber natürlich trotzdem den Spieler. Im Nahkampf schlagen sie dafür ganz weit am Charakter vorbei, auf magische Weise kassieren wir aber trotzdem schaden. Auch ist die Anzahl genereller Animationen, zum Beispiel bei Bewegungen und Angriffsmustern im Allgemeinen in ihrer Vielseitigkeit an einer Hand abzählbar. Selbst die gelegentlich auftauchenden Elitegegner stellen keine Herausforderung dar, sondern verharren sturr am selben Fleck und lassen sich mit wenigen Schüssen um ihre Beute erleichtern. Spielerisch wird man in Fallout 76 nur dann gefordert, wenn der Client mal wieder abgestürzt ist. Dann muss man nämlich zusehen, wie man zurück ins Spiel gelangt. Nicht selten verliert man dabei dann auch gleich ein gutes Stück Progress und wird auch stets von einer Horde neuer Gegner begrüßt. Ebenfalls mussten wir im Test feststellen, dass wir nach längeren Logouts an ganz anderen Orten aufgetaucht sind, als denen, an denen wir das Spiel verlassen hatten.
All das sorgt schon für viel Ärger. Aber wenn manche Quests nicht richtig abgeschlossen werden können, weil nötige Objekte einfach unerreichbar im Erdboden versumpft sind, wird es richtig nervig. Das ist übrigens nur die Spitze des Eisbergs. Denn genauso gut können Objekte oder tote Gegner auch meterhoch in der Luft hängen. Mit der Kollisionsabfrage hat es das Spiel ebenso wenig wie mit der Physikengine, beides ist unglaublich fehleranfällig und zwar deutlich schlimmer als der Vorgänger. Das muss man auch erstmal schaffen, zumal Fallout 76 die gleiche uralte Creation Engine als Basis nutzt, die in verschiedener Form bereits seit 15 Jahren bei Bethesda zum Einsatz kommt. So langsam sollte man doch meinen, die hätten den Dreh raus. Mal im Ernst: Wenn man sich irgendwann nur noch deshalb in West Virginia einlockt, um sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge über die ganzen Bugs zu amüsieren, muss man als Schöpfer irgendwas unglaublich falsch gemacht haben. Bugs gehören bei Bethesda ja quasi zur Grundausstattung. Aber nie gab es so viele, teils so schwerwiegende Probleme wie hier. Im jetzigen Stadium ist das Spiel zwar nicht komplett unspielbar, erfordert aber auf allen Plattformen einiges an Nervenstärke. Denn auch auf den Konsolen zeigt sich das Spiel sehr absturzanfällig. Und das ist in Sachen Performance längst noch das kleinere Problem.
Ebenfalls einfach und problemlos funktioniert der Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Gruppe. Ein einfacher Tastendruck genügt dafür ebenso wie zum Handeln mit anderen Spielern. Auf diese Weise lassen sich entweder Tauschgeschäfte vollziehen, oder Sachen erwerben und verkaufen. Der designierte Preis trudelt dann jeweils als Vorschlag beim kaufinteressierten Spieler ein und kann entweder angenommen oder abgelehnt werden. In der Gruppe ist das Abgeben von Items noch einfacher, hier braucht man diese lediglich fallen lassen. Richtig gut gelungen ist auch der Soundtrack, der sich neben dem bekannten Fallout – Theme natürlich vor allem über die Radiosender definiert. Dort kann man Titeln wie Country Roads, Mr. Sandman und vielen anderen Klassikern lauschen, die für viel heimeliges Fallout – Feeling sorgen. Sogar ein Sender für ausschließlich klassische Musik ist verfügbar. Hier baut das Spiel auf alte Stärken. Gleiches gilt für die Erkundung von verlassenen Minen oder großen Industriekomplexen, die noch am ehesten an Qualität erinnern. Einfach, weil es so viele Schalter und Hebel gibt, dass man immer wieder nach geheimen Bereichen suchen möchte, die einem bisher vielleicht verborgen geblieben sind.
Doch sind diese guten Elemente auch nur Tropfen auf dem heißen Stein, denn die Probleme, die Unzulänglichkeiten sind einfach zu zahlreich und gewichtig, um den neuesten Ableger der traditionsreichen Reihe vor dem Totalschaden zu bewahren. Das scheinen nicht nur wir so zu sehen, denn selbst am frühen Abend haben wir nie mehr als 15 andere Spieler in der gewaltigen Welt vorfinden können. Begegnungen finden höchstens mal zu Events statt, abseits davon sucht man hinter dem Startgebiet so gut wie vergeblich nach neuen Bekanntschaften aus der Vault 76. Es scheint, dass keiner lange in West Virginia verweilen will. Der Grund dafür ist denkbar schnell erklärt: Neuankömmlinge werden sich über die gähnend leere Welt und den repetiven, unmotivierten Progress wundern. Veteranen dagegen werden ganz schnell erkennen, dass sie zwar ein Fallout gekauft haben – aber keines bekommen haben. Denn 76 bricht mit seinem Mehrspielerlebnis mit so vielen Tugenden der Reihe, dass sich die Reise durch die öde Ödnis für Kenner und langjährige Fans nur wie ein harter Schlag ins Gesicht anfühlen kann.
Ein RPG ist das Spiel übrigens auch deswegen nur ein bisschen, weil man mit jedem Levelaufstieg neben einem Punkt in die bekannten Hauptattribute wie Intelligenz, Stärke und Charisma auch Talente verteilen kann. Die aber nicht in altbekannter Form eines Auswahlfensters oder Skilltrees wie in Fallout 4, sondern in Form von Skillkarten. Die bekommt man in Packs mit jedem Aufstieg frei Haus (und nur auf diese Weise!), dafür ist der Inhalt aber eben auch rein zufällig und kann entweder Duplikate bieten, oder Perks, die erst auf späteren Stufen nutzbar sind. Dementsprechend kriegt man nie den Charakter, den man will, sondern ist viel mehr gezwungen, mit dem zu arbeiten, was das Spiel einen gerade zu sein zwingt. Einer Sache muss man sich unbedingt bewusst sein, ehe man sich auf die Reise durch West Virginia macht: Fallout 76 ist kein Fallout für mehrere Spieler. Es ist ein Sandbox Survival Game im Fallout – Universum. Wer anderes erwartet, wird schwerstens enttäuscht sein.
Gebaut um zu verkaufen
Es ist schon sonderbar, dass bei allem, was in Fallout 76 gegenwärtig nicht funktioniert, eine Sache aber immer einwandfrei arbeitet – nämlich der Echtgeldshop. Das Spiel bietet eine gewaltige Palette an Mikrotransaktionen an, die allesamt kosmetischer Natur sind. Die Währung dazu nennt sich Atome, die man vor allem durch das Absolvieren der zahlreichen Ingame – Herausforderungen erhält. Man kann sie aber auch gegen echtes Geld direkt im Shop erwerben, von 4.99€ bis 39.99€ reichen die Preise für die unterschiedlichen Mengen. Dafür gibt es dann dekorative Artikel für das Camp, wie zum Beispiel VaultTec – Gartenzwerge, oder aber Outfits und Lackierungen. Und die schlagen mit umgerechnet 12€ pro Item richtig hart auf die Geldbörse.
Rein theoretisch kann man auch im Spiel genügend Atome zusammenklauben, rechnerisch gesehen müsste man für ein solch hochpreisiges Item aber mindestens drei Wochen Währung farmen. Das schlägt extrem sauer auf, denn nicht nur, dass die Preise widerlich hoch sind, auch scheint man gegenwärtig mehr daran interessiert zu sein, sich die Taschen durch Miktrotransaktionen voll zu machen, als sich um die dringend nötige Fehlerbehebung zu bemühen. Zwar sollen regelmäßig neue kostenlose Inhalte nachgereicht werden, darunter auch ein PvP – Modus, all das tröstet aber kaum über den Verdacht hinweg, dass man es mit dem Spiel hauptsächlich auf den Verkauf von Goodies abgesehen hat. Und das will ich so einfach mal stehenlassen.
Es war einmal…die Technik
Wie bereits erwähnt baut Fallout 76 auf der hauseigenen Creation Engine von Bethesda auf, die längst nicht mehr für aktuelle Grafik sorgen kann. Das sieht man leider auch an jeder Ecke. Denn hochaufgelöste Texturen, Charaktermimiken auf wenigstens halbwegs zeitgemäßem Niveau und gute Beleuchtungseffekte sucht man hier vergebens. Red Dead Redemption II hat zuletzt vorgemacht, wie gut Open World – Spiele auch auf Basis älterer Engines aussehen können. Fallout 76 zeigt, wie gut Open World – Spiele aussehen könnten, wenn sie vor zehn Jahren veröffentlicht worden wären. In den drei Jahren seit Fallout 4 scheint man hier kein Interesse an technischem Fortschritt gehabt zu haben. Das es zudem wenig Sinn macht, auf einer wackeligen Fassade ein neues Haus zu bauen, demonstriert das Spiel ebenfalls eindrucksvoll. Denn die betagte Engine hat auf allen Systemen teils herbe Probleme damit, die Bildrate auf spielbarem Niveau zu halten.
30 Bilder pro Sekunde peilen die Konsolen an, wobei die XBOX One X als einzige Plattform abseits des PC´s natives 4K bietet. Wirklich gut tut ihr das aber nicht, denn hier sind die schlimmsten Performanceeinbußen zu beobachten. In besonders ereignisreichen Momenten kann die Bildrate auf völlig unspielbare 10 Frames pro Sekunde droppen, was abermals beweist, dass Auflösung nicht alles ist. Die anderen Plattformen machen ihre Sache bei niedrigeren Auflösungen besser, aber bei weitem nicht perfekt. Die PlayStation 4 PRO gibt nativ bei 1440p aus und skaliert dann bei entsprechenden TV – Geräten hoch. Teils starke Einbußen gibt es hier ebenso wie auf dem Flaggschiff von Microsoft, allerdings nicht in ganz so starkem Maße. Seltsamerweise sind es gerade die stinknormale PlayStation 4 sowie die XBOX One S, die die beste Konsolenleistung liefern und das bei jeweils 1080p (PlayStation 4) und nochmals niedrigerer Auflösung (XBOX One S, nicht exakt auszumachen) noch die spielbarsten Versionen, da beide deutlich öfter die designierten 30 Frames erreichen, die für ein flüssiges Spielgefühl nötig sind. Richtig konstant liefert aber KEINE der Konsolen ab. Framedrops und aufploppende Texturen/Objekte muss man auf allen Plattformen in Kauf nehmen. Die erweiterten Konsolen liefern im Austausch dafür lediglich etwas hochwertigere Effekte. Die wankelmütigen Framerates haben aber auch Auswirkungen auf das Gameplay. Denn wer gerade an einem Terminal hockt oder einen bestimmten Knopf drücken möchte, kann das in ruckelnden Momenten gar nicht tun, weil das Spiel die Eingabe gar nicht registriert. Irre.
Am besten performt hier noch der PC, der aber bei Bildraten über 63 Frames den Riegel vorschiebt, um Speedhacks zu verhindern. Die aktuelle Monitorgeneration kann ihre Stärken hier also ausnahmsweise mal nicht ausspielen, was gerade die Besitzer der teuren Geräte sehr ärgern wird. Die grundsätzlich höhere Bildrate sorgt für einen flüssigeren Spielfluss, auch die Ladezeiten beim Betreten von Gebäuden fallen deutlich kürzer aus, selbst ohne SSD. Große grafische Unterschiede gibt es aber nicht, was einfach an der grundsätzlich veralteten Engine liegt. Die Partikeleffekte sind besser, es gibt je nach Auflösung mehr Bildschärfe. Nichts, was die sogenannte Master Race groß von den Konsolen abhebt, für die Fallout 76 ganz offensichtlich programmiert wurde. Das erkennt man am PC besonders am völlig verkorksten Bedienungslayout abseits von Bewegung und Kampf. Denn die Navigation durch die Menüs und den Pip-Boy geraten durch die abstruse Tastenbelegung schnell zur absoluten Zerreißprobe. Auch hier ist dringend zum Gamepad zu raten. FPS – Drops gibt es hier aber auch en masse. Nicht ganz so häufig wie auf den Konsolen, aber wenn sie auftreten, treten sie heftig auf. Und ohne erkennbaren Grund – selbst auf absoluter High End – Hardware. In Sachen Technik entpuppt sich das Spiel ebenso als Verlierer wie in fast allen anderen Belangen.
Fazit und Wertung
„Fallout 76 hat so vieles versprochen und am Ende so wenig gehalten. Die postapokalyptische Welt hätte so viel Potenzial für spannende Abenteuer im Team geboten, wäre man bei der Gestaltung nur kreativer gewesen. Stattdessen wird man in eine Welt mit minimaler Narration geworfen, mit repetivem Questdesign und furchtbaren Designentscheidungen, die bei den Skillkarten beginnen und bei den strunzdummen Gegnern noch längst nicht enden. Massive FPS – Drops auf allen Systemen, konsequente Abstürze und eine endlose Masse an Bugs setzen der Sache die Krone auf. Wenn sich zwei hartgesottene Fallout – Veteranen am Ende ihrer Reise durch West Virginia nicht nur beraubt, sondern auch betrogen und belogen fühlen, muss das als absolutes Alarmsignal verstanden werden, wenigstens im gegenwärtigen Zustand die Finger vom Spiel zu lassen. Denn Fallout 76 mag auf den ersten Blick vieles sein. Auf den zweiten Blick ist es aber alles, nur kein Fallout, sondern ein katastrophal fehlgeschlagener Versuch, mit einem respektierten Namen durch überteuerte Echtgeldinhalte schnell Geld zu verdienen. Das können auch die wenigen guten Gameplay – Elemente nicht kaschieren, zumal diese viel zu spät in den Vordergrund rücken. Sollten die Macher das momentane Spiel keinem kompletten Overhaul unterziehen und sich ferner nicht um dringend benötigtes Performance- und Bugfixing kümmern, werden auch zukünftige Inhalte nicht darüber hinwegtrösten können, dass Fallout 76 gnadenlos scheitern wird. Es ist kein völlig misslungenes Spiel. Aber trotzdem im gegenwärtigen Zustand weit davon entfernt, ein gutes zu sein. Kann ja noch werden.“
Pay-2-Win/Mikrotransaktionen: Fallout 76 bietet keinerlei Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile zu verschaffen. Zwar existiert ein Ingame – Shop, dessen hauseigene Währung man auch durch Echtgeld erkaufen kann, die dort erwerblichen Items sind aber rein kosmetischer Natur. Eine Abwertung nehmen wir dementsprechend nicht vor.
PRO:
+ Funktionelle Survivalkomponente
+ Klasse Radiosender mit vielen bekannten Interpreten
+ Enormes Auswahlpotenzial bei der Gestaltung des eigenen Camps
+ Interessante Produktionskomponente
+ Umfangreiches, zeitgleich sehr zugängliches Crafting
+ Einfacher Wiederaufbau von Camps dank Blaupausen
+ Hoher Customization – Faktor lässt auch schrillste Outfitkombinationen zu
+ Weiterführende Tutorials bleiben optional
+ Amüsante Weltevents, die Spieler auf einfache Weise zusammenbringen
+ Unkomplizierter Handel, unkomplizierte Gruppenbildung
CONTRA:
– Durchgehend veraltete Grafiken und Animationen
– Auf allen Plattformen teils heftigste Performanceeinbrüche
– Unmengen von Bugs, viele davon können Spielfortschritt verhindern
– Massig Probleme bei Physik und Kollisionsabfrage
– Extrem absturzanfällig
– Wahres Survivalfeeling kommt erst ganz am Ende auf (Produktion, Trading etc.)…
– …bis dahin ist der Weg zur Höchststufe ereignislos und qualitativ stark schwankend inszeniert
– Mieses Trefferfeedback
– Ohne menschliche NPC´s verliert das Spiel drastisch an Charme und Immersion
– Wenige Gegnertypen…
– …mit Kanonenfutter – K.I.
– Oft kaum mehr als 15 Spieler auf einem Server auffindbar, was Endcontent stark entschärft
– Nicht nachvollziehbares Balancing (auch hochstufige Gegner sind oft mühelos besiegbar)
– Repetives Questdesign nach immer gleichem Ablauf
– Unbefriedigendes Fortschrittsgefühl
– Gegenwärtig so gut wie nutzlose PvP – Komponente
– Andauernde Überladenheit des Spielers ruiniert Erkundungswunsch
– Skillkarten rauben viel spielerische Freiheit bei der Charaktergestaltung
– PC – Version zwingt zum Bethesda – Launcher
– Überteuerte Items im Shop, durch geringe Währungsausschüttung starke Echtgeldnötigung
– Grausame Menüführung mit Maus und Tastatur
– Grundsätzlich überübersichtliches Inventar
GESAMTWERTUNG: 4.5/10
©2018 Wrestling-Point.de/M-Reviews