Der frühere WWE Cruiserweight Champion Enzo Amore, der inzwischen unter dem Namen „Real1“ auftritt, hat in mehreren Interviews ungewöhnlich offen über seine Vergangenheit gesprochen. Nach seiner Entlassung aus der WWE im Jahr 2018 versuchte der charismatische, aber umstrittene Entertainer, in der Wrestling-Welt erneut Fuß zu fassen – auch bei AEW. In einem Gespräch im Podcast „No-Contest Wrestling“ erzählte er, dass er sich nach seinem WWE-Abgang direkt bei All Elite Wrestling meldete, dort jedoch auf kein Interesse stieß.
Diese Ablehnung nahm er gelassen. Er habe gelernt, dass Rückschläge zum Geschäft gehören. Statt sich zu ärgern, suchte Enzo neue Wege, um seine kreative Energie einzusetzen. Gemeinsam mit dem Rapper Westside Gunn und Musikproduzent Smoke DZA gründete er das Projekt Fourth Rope, eine Mischung aus Wrestling, Hip-Hop und Straßenkultur. Die Promotion soll laut Real1 eine alternative Bühne bieten, auf der Wrestling und Musik verschmelzen. Zu den bisherigen Gaststars zählen MVP, Zilla Fatu und die Hardy Boys. Enzo selbst tritt bei jeder Show als Flyweight Champion auf und sieht sich als Mentor für Nachwuchstalente.
In dem Podcast kritisierte er gleichzeitig AEW-Chef Tony Khan und dessen Fokus auf Wrestler wie Kenny Omega und die Young Bucks. Besonders störte ihn, dass sein früherer Tag Team Partner Big Bill, ehemals Big Cass, seiner Meinung nach zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Enzo ist der Meinung, Big Bill habe enormes Potenzial, das von AEW jedoch nicht optimal genutzt werde.
Die Vorwürfe, die alles veränderten
Einer der entscheidenden Wendepunkte in Enzos Karriere war der Januar 2018, als während der Vorbereitungen auf das 25-jährige Jubiläum von Monday Night RAW schwere Vorwürfe gegen ihn in den sozialen Medien aufkamen. Eine Frau, die sich online MissGucciWitch nannte, beschuldigte ihn der sexuellen Nötigung. Enzo erklärte in der John Rondi Show, dass er erst von den Anschuldigungen erfuhr, als Vince McMahon ihn während der Proben zu sich rief und fragte, warum er nichts gesagt habe. Laut Enzo wusste er selbst zu diesem Zeitpunkt nichts von den Vorwürfen.
Kurz darauf forderte McMahon ihn auf, die Arena zu verlassen, obwohl er noch amtierender Cruiserweight Champion war. Enzo verließ das Gebäude mit dem Champion Titel und filmte die gesamte Fahrt nach Hause – Material, das laut ihm eines Tages in einer Dokumentation gezeigt werden könnte. Einen Tag später erhielt er den Anruf, der seine Entlassung bestätigte. Nach eigener Aussage war die Entscheidung nicht direkt von Vince McMahon ausgegangen, sondern von der Personalabteilung, die rasch handeln wollte, um öffentlichen Druck zu vermeiden.
Später stellte sich heraus, dass keine Anklage erhoben wurde. Enzo wurde von allen Vorwürfen freigesprochen. Rückblickend beschrieb er diese Zeit als emotional zermürbend, aber auch als Wendepunkt. Die Unterstützung seiner Fans sei entscheidend gewesen. Sie hätten Beweise gesammelt und der Polizei geschickt, die seine Unschuld belegten. Er sprach sogar von einem „Engel“, einem Bekannten der Anklägerin, der entscheidende Informationen geliefert habe.
Dieser Lebensabschnitt habe ihn zwar fast alles gekostet, gleichzeitig aber stärker gemacht. Er betonte, dass die Erfahrung ihm eine zweite Chance im Leben gegeben habe – eine, die er nicht verschwenden wolle.
Der Streit um Merchandise-Verkäufe und Eifersucht im WWE-Locker-Room
In demselben Interview mit John Rondi blickte Enzo auch auf seine WWE-Zeit zurück und machte die enormen Merchandise-Verkäufe für Spannungen hinter den Kulissen verantwortlich. Laut eigenen Aussagen war er gemeinsam mit Big Cass einer der meistverkauften Stars der gesamten WWE, erhielt jedoch nur rund 2,5 Prozent der Einnahmen aus seinen Artikeln. Er erklärte, dass er in seinem ersten Jahr bei der WWE mehr verkaufsstarke Slogans hatte als jeder andere Wrestler vor ihm.
Enzo glaubt, dass sein Erfolg Neid in der Umkleidekabine ausgelöst habe. Er würdigte Big Cass für ihren gemeinsamen Erfolg, räumte aber ein, dass die Eifersucht vieler Kollegen damals unterschätzt wurde. Als Mentor hat ihm WWE-Legende „Stone Cold“ Steve Austin wertvolle Ratschläge gegeben und sogar seine persönliche Telefonnummer angeboten, um ihn zu unterstützen.
Gleichzeitig behauptete Enzo, dass ein Teil der negativen Berichterstattung über ihn von Leuten innerhalb des Unternehmens stamme. Er sei für viele zum Ziel geworden, gerade weil er im Merchandise-Geschäft so erfolgreich war. Trotzdem blieb er gelassen und erklärte, dass Gleichgültigkeit gegenüber dem Hass seine „Superkraft“ gewesen sei.
Promos als Lebenskunst: „Ich kann jeden übertreffen“
Enzo Amore war nie bescheiden, wenn es um seine Mikrofonfähigkeiten ging. Im Interview mit John Rondi betonte er, dass er innerhalb von fünf Minuten eine bessere Promo schreiben könne als jeder andere im Wrestling. Er erklärte, wie er Texte kurz vor Auftritten auswendig lernte, jede Silbe kontrollierte und auf kleinste sprachliche Nuancen achtete. Selbst nach gefeierten Auftritten habe er sich über minimale Versprecher geärgert, die außer ihm niemand bemerkte.
Für Enzo war eine Promo mehr als nur ein gesprochener Text – sie war das Herzstück des Entertainments. Diese Mischung aus Selbstbewusstsein und Disziplin machte ihn zu einer der auffälligsten Figuren seiner Generation. Sein Selbstverständnis als Performer zeigt, wie stark er bis heute an seine Fähigkeiten glaubt, auch ohne große Plattformen wie WWE oder AEW.
Ein neues Kapitel mit Fourth Rope
Heute verfolgt Real1 seine Vision abseits des Mainstreams. Mit Fourth Rope baut er eine Marke auf, die Wrestling mit Hip-Hop, Mode und Straßenkultur kombiniert. Er sieht das Projekt als Plattform für Kreative, die ihren eigenen Stil einbringen wollen, ohne sich den Zwängen großer Unternehmen zu beugen.
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