Die Story um den Tentakelkult ist sehr gelungen in Szene gesetzt worden. Störende Längen gibt es nicht, auch sorgt die Geschichte mit immer neuen Wendungen stets für frische Impulse, die zum Dranbleiben animieren. Dank zwei unterschiedlicher Enden, die jeweils durch die Handlungen des Spielers und die Interaktionen mit bestimmten Objekten beeinflusst werden, lohnt sich zudem auch ein zweiter Durchgang. Der spielerische Anspruch fällt insgesamt aber sehr gering aus. Genreveteranen sehen das Ende bereits nach knapp fünf bis sieben Stunden. Wer sich die Zeit nimmt, alles abzusuchen und sämtliche Gesprächsoptionen durchgeht, kann vielleicht mit Müh und Not noch zwei Stunden mehr obendrauf rechnen. Somit ist Call of Cthulu zwar ein gut erzähltes, aber eben leider auch recht kurzes Spiel.
Des Wahnsinns fette Beute
Neben den ebenso gut geschriebenen wie (ausschließlich in englischer Sprache) synchronisierten Charakteren ist es vor allem die gelungene Gruselatmosphäre, die dem Spiel eine wunderbare Atmosphäre verleiht. Ist man nach dem Prolog erst auf Darkwater angekommen, entfaltet sich vor den Augen des Spielers eine liebevoll designte Welt, die zum Entdecken einlädt. Die verschiedenen Umgebungen sind allesamt abwechslungsreich gestaltet, besonders die Irrenanstalt und das alte Herrenhaus hoch oben in den Bergen glänzen durch tollen Charme, was durch die jederzeit imposante Soundkulisse sogar noch versärkt wird. Dazu gibt es gut lokalisierte deutsche Untertitel, gelegentlich sind aber kleine Buchstabendreher und andere Rechtschreibfehler zu bemerken. Zum Glück aber nur ganz wenige.
Damit ihr euren aktuellen Ermittlungsstand nie aus den Augen verliert, könnt ihr zu jedem Zeitpunkt einen Blick in euer Notizbuch werfen. Dort werden alle relevanten Erkenntnisse und Hinweise in Form von Text und Bild festgehalten. Das gründliche Durchsuchen und Rekonstruieren von Schauplätzen wird belohnt: Neue Spuren öffnen nicht selten neue Dialogoptionen oder vereinfachen euch den Weg zum gegenwärtigen Ziel. Generell bietet Call of Chtulhu zahlreiche Möglichkeiten, vorwärts zu kommen. Dazu dient auch das Perk – System, welches in dieser Form zumindest im Adventure – Genre neu ist. Fortschritte belohnt das Spiel nämlich mit Charakterpunkten, die ihr dann in die Verbesserung eurer Fertigkeiten investieren könnt. So hilft euch beispielsweise die Psychologie, die Motivation bestimmter Charaktere besser erahnen zu können und diese entsprechend eher zur Mitarbeit zu bewegen. Der Entdeckerwert bietet Hilfen beim Auffinden besonders gut verstecker Hinweise, während Meisterermittler mehr Wissen aus ihren Spuren ziehen können und zudem auch Schlösser knacken können, für die sonst erst umständlich ein Schlüssel aufgespürt werden muss. Stärke ist ebenfalls ein nützliches Attribut, denn gelegentlich kann auch die Androhung von Gewalt sehr überzeugend auf unwillige Bewohner wirken. Zusätzlich gibt es die Spezialisierungen Medizin und Okkultismus, welche sich als besonders nutzbringend erweisen. Allerdings können diese Punkte nur durch im Spiel verstreute Bücher und andere besondere Objekte gesteigert werden. Natürlich kommt man so oder so immer ans Ziel. Das „Wie“ wird aber sehr stark von euren Fertigkeiten abhängig gemacht. Das sorgt für ein gutes Maß an spielerischer Abwechslung, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ausgang dennoch stets gleich bleibt.
Schön ist außerdem, dass man im Rahmen der vielen Dialoge nie das Gefühl hat, außen vor zu stehen. Denn glücklicherweise stellt Pierce immer die Fragen, die mich als Spieler auch interessiert haben. Falsche Antworten können einem aber auch Wege versperren. So begegnet man gleich zu Beginn der ominösen Cat, die uns Zugang zu einem Lagerhaus verschaffen könnte, dies aber verweigert, wenn wir ihr etwas zu forsch begegnen. Die Alternative: Zwei Matrosen mit Alkohol versorgen, damit diese dann eine Schlägerei mit den Torwächtern provozieren. Auch auf diese Weise wird der Weg schließlich frei, ein Achievement gibt es obendrauf. Sehr gut hat mir außerdem gefallen, wie Pierce auf seine Umgebung reagiert. In besonders ungünstigen Momenten oder engen Räumen steigt sein Paniklevel, die Navigation wird erschwert und das Bild beginnt sich langsam zu drehen. Das sorgt für zusätliche Immersion. Zwar gibt es auch nervige Passagen, wie beispielsweise den gelegentlichen Kampf gegen Monster sowie die nervigen Schleichpassagen, alles in allem ist der Spielfluss aber gelungen, zumal man immer auch ein zunehmendes Gefühl an Bedrohung und nachlassender Geistesklarheit spürt.
Die Hölle ist grün
Call of Chtulhu nutzt die aktuellste Unreal Engine, um seine stimmige Welt zu virtuellem Leben zu erwecken. Während die vielen Schauplätze allesamt detailliert und dank des grünlichen Farbfilters auch jederzeit stimmig wirken, hat man bei der Charakteranimation scheinbar geschlafen. Denn die Figuren in Darkwater sehen weder sonderlich schön aus, noch bewegen sie sich flüssig. Auch die Mimiken wirken hölzern und eher wie aus der letzten Generation. Das raubt Atmosphäre. Wenig überzeugend in Szene gesetzt wurden leider auch die Zwischensequenzen, die aufgrund der niedrigen Auflösung wie Fremdkörper wirken und auch in Sachen Regie nicht überzeugen wollen. Dem Gesamtfeeling tut das aber nur wenig Abbruch. Die Standardmodelle der aktuellen Konsolen lösen in Full HD auf und bieten durchgehend saubere Bildraten bei festen 30 Frames pro Sekunde.
Große Vorteile gibt es auch auf den erweiterten Modellen nicht – PlayStation 4 Pro und die XBOX One X skalieren das Bild lediglich auf 4K hoch und bieten etwas mehr Bildschärfe. Die teils sehr langen Ladezeiten muss man auch dort ertragen. Besser macht es da die PC – Version. Die bietet nicht nur natives 4K, sondern dank unbegrenzter Bildrate auch etwas geschmeidigeres Gameplay. Hier darf man sich dann auch über deutlich kürzere Ladezeiten freuen. Große grafische Unterschiede gibt es jedoch nicht, auch die Bedienung geht auf jeder Plattform grundsätzlich sauber und unkompliziert von der Hand, egal ob man mit Gamepad oder der Kombi aus Maus und Tastatur ans Werk geht.
Fazit und Wertung
„Da sitze ich enttäuscht im Bürosessel und grüble darüber nach, warum 2018 im Gegensatz zum Vorjahr so arm an guten Adventures war und dann landet plötzlich Call of Chtulhu auf meinem Schreibtisch. Das erfindet das Rad zwar auch nicht neu, bietet aber dank seines tollen Gruselsettings, einer guten Story und der interessanten Einbindung von Charakterperks dennoch sättigende Kost für Genrefans. Die fällt zwar überraschend kurz aus, lädt aber dafür dank zwei verschiedener Enden zum Wiederspielen ein. Etwas unausgegorene Mechaniken wie die Schleichpassagen stehen dem Spielfluss zwar im Weg, auch die Charakteranimationen sind nicht das Gelbe vom Ei, trotzdem hat mich das Spiel gut unterhalten. Wirklicher Horror ist zwar ausgeblieben, wer dieses Jahr aber trotzdem noch ein gutes, atmosphärisches Adventure erleben will, kommt an Call of Chtulhu nicht vorbei.“
Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Call of Chtulhu ist ein reiner Einzelspielertitel und verfügt über keinerlei Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile zu erkaufen. Eine Abwertung findet dementsprechend nicht statt.
PRO:
+ Wendungsreiche, packende Story um den Chtulhu – Mythos
+ Hübsch in Szene gesetzte Spielwelt, die zum Erkunden einlädt
+ Gelungene Mischung aus Detektivarbeit, Rätseln und anderen Herausforderungen
+ Zunehmend bedrohliche Atmosphäre
+ Gründliches Ermitteln eröffnet neue Dialogoptionen und Fortschrittsmöglichkeiten
+ Gut geschriebene Charaktere
+ Aufgaben lassen sich auf unterschiedliche Weise lösen
+ Interessantes, gut integriertes Perk – System
+ Wiederspielwert dank zwei unterschiedlicher Enden
+ Übersichtliche Menüs
+ Gute (englische) Sprecher
+ Dichte Klangkulisse mit teils sehr gelungenen Raumklangmomenten
+ Zugängliche Bedienung
CONTRA:
– Hölzerne Charakteranimationen
– Sichtbar niedrig aufgelöste Zwischensequenzen mit eher schlechter Regie
– Sehr kurz
– Nervige Schleichpassagen
– Stellenweise zu komplizierte Rätsel und zu wenige Hinweise auf deren Lösung
– Kleinere Lokalisierungsfehler
– Kapitel können nicht separat angewählt werden
– Stellenweise lange Ladezeiten (Konsolen)
GESAMTWERTUNG: 75%
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