Der Film
Als ihm wenig später der Soldat Freytag (Milan Peschel, Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner) begegnet, nimmt das Unheil seinen Lauf. Der hält den Soldaten für einen echten Hauptmann und schließt sich diesem kurzerhand an. Herold genießt seine neue Rolle und die damit verbundene Macht. Schnell scharrt der 19-Jährige weitere versprengte Soldaten um sich und gründet seine eigene Kampftruppe. Stets beteuernd, dass er auf direkten Befehl des Führers handle, begehen er und seine Truppe in den letzten Wochen des Krieges schlimmste Gräueltaten. Aus einfachen Soldaten werden grausame Monster…
Die Rezension
Was schier unglaublich klingt, hat sich tatsächlich genau so zugetragen. Die Geschichte des Willi Herold, der als „Henker vom Emsland“ seinen traurigen Platz in der Historie eingenommen hat, stellt dabei eine der ungewöhnlichsten Tatsachenberichte der sogenannten Endphaseverbrechen der Wehrmacht dar, ist gleichzeitig aber auch ein typisches Beispiel für die Psychologie des Nationalsozialismus. Denn eine prunkvolle Uniform und der dazugehörige Rang haben nicht selten dafür gesorgt, dass aus ziellosen Niemanden willenlose Marionetten wurden, die auch auch vor schlimmsten Verbrechen nicht zurückschreckten. Der Stuttgarter Regisseur Robert Schwentke, der längst auch erfolgreich in Hollywood Fuß gefasst hat und unter anderem hinter Blockbustern wie Flight Plan und Die Frau des Zeitreisenden steckt, ist für Der Hauptmann in heimisches Gefilde zurückgekehrt. Gedreht wurde dabei nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen.
Kompett in Schwarz-Weiß erstellt, sorgen die Bilder von Kameramann Florian Ballhaus zwar für eine gewisse Intensität, schaffen dafür aber auch Distanz vom Geschehen. Der Film gibt sich die größte Mühe, die handelnden Charaktere gleich von Anfang an als Unsympathen darzustellen. Beides ist letztendlich eher als kontraproduktiv zu betrachten, vertrete ich doch die Meinung, dass die erinnerungswürdigsten Bösewichte stets jene sind, die trotz ihrer Taten eine grundlegende Basis zur Idenfikation bieten. Denn nur auf diese Weise findet man den nötigen Zugang, diese Taten aus tiefster Überzeugung verurteilen zu können und nicht nur deswegen, weil es einem vorgeschrieben wird. Das große Problem von Der Hauptmann ist sein chronischer Drang, Gut und Böse kompromisslos voneinander zu trennen und sich dazwischen jeden Raum für Grautöne grundsätzlich zu verbieten. Das macht aus einem eigentlich anspruchsvollen Historienfilm ein sehr klischeehaftes Erlebnis, welches nur noch durch seine teils minutenlangen, drastischen Gewaltexzesse zu schockieren vermag.
Wenn man dann im Abspann Neonazis zu alten Klängen durch die Straßen von Görlitz marschieren sieht, fragt man sich fast peinlich berührt, welche Intention Schwentke damit verfolgt hat. Sollte er damit ausdrücken wollen, dass Kollektiv und Uniformbewusstsein noch heute die gleiche Wirkungen entfalten können wie zu den Zeiten des Willi Herold? Wenn ja, ist er mit diesem Versatz drastisch gescheitert. Der Hauptmann ist dabei grundsätzlich kein schlechter Film, zumal das junge Ensemble durchaus gute Performances abliefert. Die oberflächliche Inszenierung und die mangelnde, kontrastarme Nähe zu deren Figuren sorgt aber letztendlich dafür, dass man den Film mit dem schlimmstmöglichen Gedankengang verlässt, nämlich dem, dass es einem doch irgendwie egal ist, was man gerade gesehen hat. Der echte Willi Herold wurde übrigens unmittelbar nach Kriegsende von den Allierten festgesetzt und zusammen mit dreizehn seiner Untergebenen zum Tode verurteilt. Am 14. November 1946 wurde das Urteil per Fallbeil vollstreckt.
Die Blu-Ray
Technisch liefert der Film ziemlich solide ab. Das Schwarz-Weiß-Bild überzeugt durch kräfte Schwarzwerte und satte Kontraste. Auch die Grauabstufungen können sich sehen lassen und verleihen dem Film einen authentischen Look. Dabei gibt sich das Bild detailliert und präsentiert sich zudem bis auf ganz wenige Ausnahmen stets angenehm scharf. Nur ganz selten ist Bildrauschen zu vernehmen, insgesamt ist das Bild der Blu-Ray aber sauber und ruhig ausgefallen.
Beim Ton gibt es ebenfalls kaum Grund zur Kritik. Der deutsche Ton kommt in Form einer verlustfreien DTS-HD MA 5.1 – Spur daher und ist ebenfalls als Hörfilmfassung verfügbar. Der Film macht dabei guten Gebrauch vom Raumklang und beheizt die hinteren Lautsprecher mit immersiven Kugelhageln, sorgt aber auch abseits davon dank guter Effektverteilung immer für ein gewisses Mittendringefühl. Auch der Subwoofer hat immer mal wieder etwas zu tun, großer Bombast bleibt hier aber aus. Stets präsent ist dafür der Center, der im dialoglastigen Geschehen stets Priorität genießt. Die Stimmen sind dabei jederzeit gut verständlich ausgefallen. Alles in allem liefert die Blu-Ray hier sehr guten, ausgewogenenen und dynamischen Sound, umfangreiche Extras runden die Veröffentlichung dabei optimal ab.
Neben vier Interviews mit einer Gesamtspielzeit von etwas mehr als 25 Minuten darf man sich über ein Making Of, drei kurze Featurettes sowie eine zusätzliche Szene und zwei Trailer freuen. Damit kommt man auf eine knappe Stunde Gesamtlaufzeit, was sich durchaus sehen lassen kann – zumal die jeweiligen Extras durchaus sehenswert ausgefallen sind.
Fazit
„Einer klaren Intention muss nicht immer auch ein klares Ergebnis folgen. Denn obwohl Schwentke´s Der Hauptmann sich bemüht, die wahre Geschichte des Willi Herold authentisch nachzuerzählen, gelingt es dem Film wegen seiner Schwarz-Weiß-Optik und der strikt als böse und unsympathisch dargestellten Figuren kaum, Nähe zum Zuschauer aufzubauen. Stattdessen kann dieser lediglich Distanz und Gleichgültigkeit zum Gezeigten aufbauen, was für einen Historienfilm einem Todesurteil gleichkommt. Schade um die guten und sehr bemüht agierenden Darsteller. Da gibt es einfach weitaus bessere, weitaus packendere Filme. Die Blu-Ray liefert dafür gutes Bild und Ton und bietet zudem auch interessantes, umfangreiches Bonusmaterial. Den drastisch am Ziel vorbeigeschlitterten Film rettet aber auch das nicht. Herr Schwentke, das können Sie viel, viel besser!“