TEIL I
Die folgende Kolumne enthält keine Spoiler zu den Ausgängen von Extreme Rules.
Na, ihr Lümmel?
Der Sinn des M-Factors war (abgesehen von pubertärem Vergnügen an frecher Beleidigung und billig aufbereiteten Bildern) stets der, die Probleme innerhalb der WWE offenzulegen und satirisch darzustellen. Das wurde zum Glück nie als „bewusst verletztend“ kommentiert und zur Anklage gebracht, aber dennoch…heutzutage wäre eine solche Kolumne beinahe überflüssig, gelingt es der WWE doch seit einiger Zeit mit spielerischer Leichtigkeit, die vorhandenen Probleme überdeutlich selbst dem Einäugigen unter den Blinden zu vermitteln. Ich weiß, ich bin ein ewiger Nörgler und manch einer wird sagen, dass es doch alles gar nicht so schlimm ist. Schließlich gibt es viele talentierte neue Wrestler in der WWE und noch weitere Talente stehen in den Startlöchern. Dass man dabei trotzdem nicht von einem Tal voller rosaroter Einhornpimmel mit Zuckerguss und bunten Streuseln oben drauf reden kann, ist Anlass für diese Kolumne.
Es gibt viele Probleme, die gewichtig scheinen. Warum gibt es keine Nacktfotos von Palina Rojinski, warum haben RTL – Nachmittagsformate immer noch derart hohe Einschaltquoten und warum werden wir beim ESC immer wieder letzter, wo wir doch so viel für Europa tun? Auf solche Fragen kann ich keine Antworten liefern. Was ich dagegen versuchen möchte ist, aus meiner Sicht gegenwärtige Probleme der WWE aufzuzeigen und jeweils einen Lösungsvorschlag dafür anzubieten. Selbstverständlich darf über all das wie gewohnt diskutiert werden, während Mathias seiner Freundin SINNLICHE ÖLMASSAGEN™ verpasst. Die von mir aufgeführten Defizite sind dabei willkürlich vermischt und sind nicht als Ranking zu betrachten. Ein Problem ist ein Problem ist ein Problem. Los geht’s!
Problem Nummer 1 ist durchaus von gegenwärtiger Natur und behandelt den teilweise extrem verkehrten und ideenlosen Einsatz talentierter Ringkämpfer.
Die meisten von euch werden es gelesen haben: Cody Rhodes hat um Entlassung gebeten. Diese wurde ihm letztendlich auch gewährt, mit dem üblichen „Wir wünschen ihm alles Gute auf seinen weiteren Wegen und er soll an der Syphillis verrecken und seine Nase nach innen wachsen!“. Auch über die Gründe ist jetzt genaueres bekannt geworden. So hat sich das kreative Team schlichtweg geweigert, das kaum geliebte Stardust – Gimmick fallen zu lassen und auch sonst mangelte es offenbar an Ideen. Stattdessen traf Rhodes das gleiche Schicksal, welches viele andere hoffnungsvolle Talente ereilt: Er wurde nur noch verheizt. Niederlage um Niederlage sind oftmals ein Anzeichen für zwei Probleme. Entweder hat man keine Ideen mehr, oder aber man hat sich beim kreativen Team, noch eher der Chefetage, unbeliebt gemacht. Man muss sich vorstellen, welche Belastung das sein muss, ganz gleich in welchem Gewerbe man tätig ist. Man reißt sich den Arsch auf, macht 10 Jahre lang jeden noch so blöden Scheiß mit und bekommt dafür sicher eine angemessene Bezahlung. Trotzdem benötigt der Mensch auch Anerkennung. Sie ist essentiell für sein Befinden. Wer sich irgendwann nur noch hinlegen muss und dafür nicht mal einen Grund präsentiert bekommt, muss sich doch irgendwann mies fühlen, besonders wenn er seine Arbeit liebt.
Rhodes hat laut eigener Aussage wiederholt versucht, mit dem kreativen Team in Kontakt zu treten, Ideen einzubringen und etwas zu verändern. Nichts davon hat funktioniert und so bat er am Ende um seine Entlassung. Die Reaktionen fielen gemischt aus, manche waren über den Weggang traurig, andere freuen sich über die Tatsache, dass Rhodes nun weltweit in anderen Ligen endlich wieder das tun kann, was er liebt und nicht den Limitierungen der Suffköpfe in der Kreativetage ausgeliefert ist. Eine Meinung möchte ich gerne näher beleuchten:

Große Familien im Wrestling werden in der Tat übermäßig gepusht. Oder aber es ist für den Spross bekannter Legenden wenigstens einfacher, bei der WWE zu landen. Hinter Randy Orton steht beispielsweise sein Vater, „Cowboy“ Bob Orton. Hinter Reigns steht gefühlt ganz Samoa, darunter Dwayne „The Rock“ Johnson und dessen Dynastie, außerdem die Uso’s samt deren Vater Rikishi und auch der bereits verstorbene Umaga. Fast mag man meinen, dass bei Familientreffen jeder nackt auf jedem liegt und solange die Person unter sich rammelt, bis dabei wieder was nützliches rauskommt. Charlotte’s Dad ist selbstredend Ric Flair und Cody Rhodes trauerte zuletzt um das Ableben seines Vaters, dem allseits beliebten Dusty Rhodes. Nun mag das folgende extrem pietätlos und beleidigend klingen, entspricht im Grunde aber einer einfachen Wahrheit: All jene Talente, die momentan aus größeren Familien stammen und gepusht werden (sofern sie sich nicht bereits vollständig und über Jahre etabliert haben), haben noch einen Dad. Als Dusty Rhodes das Zeitlich segnete, gab es natürlich die üblichen Tribute und auch die Rhodes – Brüder rückten dadurch zeitweise wieder in den Mittelpunkt. Das aber eher aus Respekt gegenüber dem großen Dusty und weniger, weil man es von kreativer Seite für die beiden so geplant hatte. Die WWE war seit jeher dafür bekannt, den Tod bekannter Wrestler mal mehr, mal weniger subtil für seine Zwecke zu nutzen. Gäbe es keinen Push für die Hinterbliebenen, würde man schnell „Skandal!“ schreien. Respektlos wäre das und unfassbar. Natürlich muss aber klar sein, dass dieser Push dann auch recht schnell wieder enden muss, sobald man das Gefühl hat, dem Verblichenen gegenüber jedwede Schuldigkeit erfüllt zu haben. Anderenfalls könnte man sich an das hemmungslose Ausschlachten erinnern, welches seinerzeit nach Eddie Guerrero’s Tod stattgefunden hat. Und das will ja niemand. Natürlich profitieren Kinder bekannter Legenden vom möglichen Einfluss ihrer Väter hinter den Kulissen! Aber wenn die kreative Etage dennoch keine Ideen hat und Vince McMahon ohnehin nicht daran interessiert ist, dass Person A Titel B erhält, ist das, als würde man Scheiße gegen Fenster schmeißen: Kurz amüsant, aber dann irgendwie sinnlos.
Das gegenwärtige Roster der WWE umfasst derzeit eine nie gekannte Größe. Als Realist muss man sich eingestehen, dass es unmöglich ist, für jeden beschäftigten Wrestler eine passable Storyline zu finden. Daher kann auch nicht jeder mal eben World Champion etc. werden, so sehr man es sich als Fan vielleicht auch wünschen mag. Jedoch zeigt sich seit längerer Zeit, dass diejenigen, für die man eine Story erdenkt, auch nicht immer gerade gut bedient sind mit dem, was man sich für sich ausdenkt. In einer Zeit, wo die WWE eine kinderfreundliche Ausrichtung verfolgt (aus rein finanziellen Interessen selbstredend), ist vieles abseits von aus Neid und zerbrochenen Freundschaften entstandenen Fehden schlichtweg nicht mehr zu realisieren. Oder natürlich die immer wieder beliebte „Ich bin der Beste!“ – „Nein, bist du nicht!“ – Storyline. Was man nie oft genug betonen darf ist, dass gute Fehden nicht ausschließlich durch Matchqualität zu bewerten sind, sondern auch um die Geschichte, die sich drumherum abspielt. Da mangelt es oft an Glaubwürdigkeit und Intensität, besonders aber an Kreativität. Das nimmt selbst guten Matchpaarungen einen Großteil Salz aus der Suppe. Selbst der aufgeklärte Wrestlingfan ist nicht so abgeklärt, dass er sich der Tatsache verweigert, sich auf Storylines einzulassen und dann entsprechend mit seinem Favoriten mitzufiebern. Aus solchen Gründen schauen wir Serien, verdammt noch eins! Und natürlich Wrestling! Denn wir möchten uns unterhalten lassen.
Ein großer Teil der Unterhaltungsqualität liegt also in den Händen der Schreiberlinge, die wahrscheinlich in einem muffigen Raum hocken, bei wenig Licht und sich solange den Pennerglück hinter die Binde gießen, bis sie Sterne sehen. So kamen sie dann auch zum Stardust – Gimmick. Autoren legen Geschichten fest und schreiben die Matches. Legen Verlauf und Ausgang fest. Dabei scheitern sie augenblicklich grandios an beidem. Die Umsetzung einer augenscheinlich schwachen Fehde obliegt dann den Wrestlern. Denen gelingt es dann, mit viel Glück und gutem Zutun, daraus etwas halbwegs Brauchbares und Glaubwürdiges zu machen, oder eben nicht.

Doch wie sieht letztendlich die Lösung dieses Problems aus?
In erster Linie bedarf es dazu zwei Dinge. Zum einen den Mut, neuen Autoren eine Chance zu geben, die gute und frische Ideen ins Team bringen. Zum anderen ebenso den Mut, auf Vorschläge der Wrestler einzugehen und zu versuchen, diese in vorhandene oder zukünftige Pläne zu integrieren. Denn gerade die Wrestler sind täglich nahe am Publikum, interagieren durch den Charakter mit deren Reaktionen. Sie wissen, was für sie da draußen funktioniert und was eher nicht. Dass man sich mittlerweile jedoch abgewöhnt hat, den Stimmen des Publikums zuzuhören und stattdessen lieber manipulativ die Mikrofone abdreht und Plakate konfisziert, zeigt nur die Ideenlosigkeit, gleichermaßen die Verzweiflung der kreativen Köpfe, die den Grund für die Unzufriedenheit der Fans überall suchen, nur nicht bei sich selbst. Gleichzeitig müssen Storylines wieder intensiver, brutaler und abwechslungsreicher gestaltet werden und auch außerhalb des Rings dargestellt werden. Diese Energie wird dann auch in die Matches einfließen und manch auf dem Papier eher langweilig klingende Paarung womöglich drastisch interessanter gestalten.
General M