Agony – „Zwischen Hölle und Horror-Gameplay“

                                                  Getestet und verfasst von General M 

                                     Ab sofort erhältlich für PC, PlayStation 4 und XBOX One

813iym4PF L. SL1500 Man kann ohne Zweifel sagen, dass das Prinzip Kickstarter mittlerweile für die ein oder andere Größe am Videospielmarkt verantwortlich ist. „Agony“ von den Polnischen Madmind Studios schickt sich an, eine solche Größe zu werden. Hauptsächlich durch Backer finanziert und seit heute nach einigen Verschiebungen im Vertrieb von Publisher Deep Silver auch hierzulande für PC und Current Gen verfügbar, will es eine nie gekannte Survival – Horror – Erfahrung bieten. Die ersten Trailer und Screenshots waren dabei extrem vielversprechend. Im Vorfeld gab es zudem einige Spekulationen über einen PC – exklusiven Uncut – Patch, der einige für die Konsolenfassungen notwendige Zensuren wieder entfernen sollte. Hier herrscht mittlerweile Klarheit: Einen solchen Patch wird es aus zahlreichen Gründen nicht geben, zumal es sich bei den entsprechenden Kürzungen lediglich um wenige Sekunden bei zweien der insgesamt sieben verschiedenen Enden halten soll. Ein Vergleichsvideo soll aber noch nachgereicht werden. Was genau am Ende der Schere zum Opfer gefallen ist, bleibt vorerst also offen. So oder so lässt sich aber sagen, dass man deswegen keineswegs davon ausgehen darf, dass man hier in Sachen Gewalt und Co. nicht auf seine Kosten kommt. Und alles andere werden wir nun im folgenden Review ebenfalls ausführlich beleuchten. Hell yeah.  

Auf der Suche nach der Roten Königin

Als wäre der Tod an sich nicht schon Ärgernis genug, landet man nach dem Ableben auch noch in der Hölle. Zum Glück bietet sich dem Spieler auch ein Ausweg aus der ewigen Verdammnis, ja sogar ein Weg zurück in die Welt der Lebenden. Dazu muss er lediglich die Rote Königin finden, eine Mitschöpferin der Hölle. Über deren und die eigene Bedeutung erfährt man Stück für Stück über zahlreiche, überall in der Welt verteilte Hinweise, meist in Form zurückgelassener Dokumente und anderen Fundstücken, mehr.  

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Der Weg zum Ziel gestaltet sich nicht gerade einfach für eine schutzlose Seele, denn überall lauern gierige Dämonen aller Art darauf, sich am letzten bisschen Lebenskraft zu laben. An Angriff ist in diesem Zustand natürlich ebenso wenig zu denken wie an Verteidigung. Hier kommt eines der zentralen Features von „Agony“ zum Einsatz, welches sich unmittelbar nach dem Verlust der eigenen Hülle offeriert: Die Inbesitznahme von anderen gequälten Seelen. Denn nicht nur, dass die Seele vollkommen schutzlos ist, auch kann sie nicht sonderlich lange außerhalb eines Körpers existieren. Diese eigentlich interessante Mechanik weißt aber einen immensen Nachteil auf, der sich im späteren Verlauf des Spiels immer schwerwiegender offenbart: Da nicht überall genügend Körper verfügbar sind, ist es gelegentlich erforderlich, ein Stück der bereits bewältigten Strecke zurückzulaufen. Wenn man aber gerade in einem eher körperarmen Gebiet ins Gras beißt, bleibt oftmals kaum genügend Zeit, von einem neuen Wirt Besitz zu ergreifen. Die logische Konsequenz: Man muss wieder beim letzten Checkpoint beginnen. Und da diese teilweise völlig abseits des aktuellen Standpunkts gesetzt werden (durch Aktivierung sogenannter Seelenspiegel), sorgt das schon für gewaltigen Frust. Die Tatsache, dass man als Seele im Grunde nicht handlungsfähig ist, sondern ständig unnötig gehetzt wird, nervt einfach und hat nichts mit Herausforderung zu tun, sondern ist angesichts dessen, dass die Körperverteilung oft völlig misslungen ist, einfach nur ein mehr als schlecht balanciertes und durchdachtes Ärgernis. 

Wer sagt, die Hölle sei fair? 

Diese Problematik geht aber auch über die Körpersuche hinaus. Da man wie bereits erwähnt so oder so nicht imstande ist, sich gegen Angriffe zu verteidigen oder gar selbst Feinde zu attackieren, bleibt als Ausweg nur, sich ein Versteck zu suchen und abzuwarten, dass der Gegner sich auf seiner festgelegten Route vom Spieler wegbewegt. Also ganz im Sinne eines „Outlast“. Aber selbst das resultiert oft in ärgerlichen, kaum nachvollziehbaren Toden. So begegnet man beispielsweise früh dem auf dem Titel abgebildeten Dämon mit der Zahnvagina. Dieser ist laut Spiel blind und verlässt sich daher hauptsächlich auf sein Gehör, scheint aber dennoch in der Lage zu sein, den Spieler auch aus größerer Entfernung bei völligem Stillstand aufzuspüren. Eine Flucht ist dann bereits sinnlos, da einen der Dämon dann aus nicht nachvollziehbaren Gründen hinter zig Ecken in jedem noch so guten Versteck zu entdecken vermag. Da man all diese Erfahrungen bereits innerhalb der ersten 30 Minuten macht, in denen man noch immer spürbar Mühe hat, überhaupt ins Spiel zu finden, muss man sich wirklich immens zusammenreißen, nicht sofort auf den Aus – Knopf zu drücken. Zwar lassen sich im späteren Spielverlauf auch Dämonen selbst besetzen und bieten Zugriff auf deren Fertigkeiten, kann diese aber dann kaum zum Einsatz bringen, da man als Dämon permanent andere Körper zerstören muss, um überhaupt in dieser Form verweilen zu können. Und sobald der Nachschub erstmal endet, steht man als Seele wieder vor dem unmittelbaren Ende, da ja überhaupt nichts mehr übrig ist, was man noch besetzen könnte. Immerhin lassen sich auch bereits besetzte Körper kein zweites Mal in Besitz nehmen. Ganz ehrlich, ich habe seit Jahren nicht so derartig unausgegorene, unfaire Spielmechaniken erlebt. 

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Zudem ist „Agony“ oft dermaßen dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sehen kann, selbst mit ausgerüster Fackel nicht. Und die lockt natürlich auch Gegner an. Im extrem korridor-, oftmals sogar labyrinthlastigen Leveldesign ein wahrer Albtraum. Zu all dem gesellen sich auch noch zahlreiche Bugs, Freezes oder Totalabstürze. Das User Interface ist völlig veraltet, die Bewegungen sind wenig präzise und oftmals klobig und es scheint ferner offensichtlich zu sein, dass die Entwickler noch nie vom Wort „Lippensynchronität“ gehört haben. Noch mehr Probleme gibt es beim Lösen der gelegentlich auftauchenden Bilderrätsel. Hier müssen mit dem Finger Symbole vervollständigt werden, damit sich die dahinter liegenden Gebiete und Abkürzungen freilegen lassen. Doch selbst das funktioniert oft nicht korrekt, weil das Spiel selbst korrekte Eingaben meistens erst nach zahlreichen Try and Error – Versuchen akzeptiert. Ganz ehrlich, das alles ist einfach nur ein schlechter Witz, der die dringende Frage aufwirft, ob man hier nicht ein Spiel im frühen Betastadium zum Verkauf freigegeben hat. Denn „Agony“ wirkt in so vielen Belangen unfertig, ja nahezu unspielbar, dass man sich als Käufer im Steam Shop (und nur im Steam Shop) glücklich schätzen kann, das Spiel innerhalb von zwei Stunden Spielzeit gegen volle Kaufpreiserstattung zurückgeben zu können. Es ist unglaublich schade, dass ein so vielversprechendes Spiel, auf welches ich mich wirklich mit gefreut habe, am Ende so unendlich enttäuschend und frustrierend ist. Im gegenwärtigen Zustand kann ich nur dringend von einem Kauf abraten. Das gilt übrigens auch besonders für die Konsolenfassungen, die aufgrund der völligen Abwesenheit vertikaler Synchronisation an furchtbarem Bildstottern leiden und sogar noch freudiger abstürzen als die PC – Version. Dort tritt zudem auch ein grausamer Soundbug auf, der nur noch für Rauschen sorgt. 

Wenigstens sieht´s hübsch aus…oder?

Das einzige, was das Spiel wirklich richtig macht, ist die atmosphärische Inszenierung. Die Hölle sah nie widerwärtiger aus, im positiven Sinne. Ob man zwischen dem organischen, blutroten Leveldesign Zeuge perverser Orgien, Schändungen und allerlei Grausamkeiten wird, durch Flüsse aus Blut und Knochen stapft oder einfach nur den Schreien und Einflüsterungen lauscht, die man von allen Seiten hört – in Sachen Immersion funktioniert „Agony“ bis zu einem gewissen Punkt unglaublich gut, der Unreal Engine 4 sei Dank. Das endet an eben jenem Punkt, an dem sich alles in irgendeiner Form zu wiederholen scheint. Was leider unglaublich schnell der Fall ist. 

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Denn selbst die härtesten Schockmomente, von denen das Spiel einige besitzt, nutzen sich zügig ab. Gleichzeitig schwankt die grafische Qualität auch immer mal wieder zwischen eindrucksvoll und altbacken. Und da man aufgrund der miesen Spielmechaniken meistens mehr Zeit in einem Areal verbringt, als man eigentlich will, geht dem ersten optischen Eindruck wahnsinnig schnell die Luft aus. Selbst die guten Momente vermögen es bei weitem nicht, die zahlreichen negativen Aspekte des Spiels auszugleichen. Dafür sind diese einfach zu omnipräsent. Wer sich wirklich bis zum Ende durchbeißt, hat meinen allergrößten Respekt, wenn er anschließend auch die restlichen sechs möglichen Finalsequenzen erleben will, oder danach noch in Time Trials oder als Sukkubus den ganzen Ärger von vorne beginnen möchte. 

Fazit und Wertung

ava3„Es hätte so toll werden können! Doch kurz vor dem Juni und damit der Jahresmitte ist mit `Agony´ ein heißer Anwärter auf die Enttäuschung des Jahres eingetroffen, der sich ebenso mühelos in den Kategorien Mogelpackung des Jahres, Frustrierendstes Spielerlebnis des Jahres und sicher noch einigen anderen Negativpreisen verdienen könnte. Was ich hier mit Ironie und Sarkasmus beschreibe, ist der verzweifelte Versuch, meine Erlebnisse irgendwie in verständliche Worte zu fassen, ohne dabei massiv ausfallend zu werden. Denn was man hier nach 1.5 Jahren Entwicklungszeit abgeliefert hat, ist einfach nur eine Frechheit, die Mitleid für alle weckt, die dieses Machwerk finanziell unterstützt haben. Die unausgeglichenen Spielmechaniken sorgen für immense Frustmomente, das Gegnerverhalten ist nicht nachvollziehbar und das zentrale Feature der Inbesitznahme von Körpern funktioniert ebenfalls nicht ohne große Ärgernisse und Ungereimtheiten. Selbst das auf den ersten Blick grandiose Setting entpuppt sich schnell als repetiv und im weiteren Verlauf auch qualitativ extrem schwankend. Zahlreiche Bugs und Abstürze setzen allen Versionen, besonders aber den Konsolenfassungen, die schandhafte Krone auf. In seinem jetzigen Zustand ist Agony vieles, nur kein gutes Spiel. Daher verweigere ich dem Spiel eine Wertung. Finger weg!“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Agony enthält weder Mikrotransaktionen noch fragwürdige Pay-2-Win – oder Lootbox – Mechaniken. Eine Abwertung gibt es daher diesbezüglich nicht. 

PRO:

+ Teilweise schaurig schönes Art Design in bester Clive Barker – Manier
+ Vielseitig konfigurierbares Spielerlebnis
+ Kann bei Erwerb auf Steam innerhalb von zwei Stunden Spielzeit zurückgegeben werden
+ Unkomplizierte Deinstallation

CONTRA:

– Grafische Qualität schwankt teilweise stark
– Schockmomente nutzen sich extrem schnell ab

. Massenweise Bugs und Abstürze auf allen Plattformen
– Dialoge sind so gut wie nie lippensynchron
– Willkürlich verteilte Rücksetzpunkte
– Oft viel zu dunkel
– Klobige Steuerung
– Veraltetes Interface
– Nerviges Lösen von Bilderrätseln

– Hintergrundwissen fast ausschließlich durch Sammelgegenstände zu erlangen
– Erzählerisches Potenzial bleibt größenteils ungenutzt
– Unnachvollziehbar übermächtig agierende Gegner
– Frustrierende, umständliche Possession – Mechanik…
– …deren mieses Balancing schnell zum großen Ärgernis verkommt

                                GESAMTWERTUNG:      VERWEIGERT

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