A Way Out – „Prison Break für Zwei“

                                                   Getestet von General M und Dante
                                                            Verfasst von General M

Mit „A Way Out“ schickt sich Independent – Entwickler Hazelight an, das Ko-Op-Genre wiederzubeleben. Während klassische Split Screen – Erfahrungen im Rahmen einer vollwertigen Einzelspielerkampagne wie beispielsweise „Army of Two“ sowie „Kane und Lynch“ bereits seit Äonen Vergangenheit zu sein schienen, soll das Abenteuer um zwei Gefängnisinsassen beweisen, dass das Genre längst nicht tot ist. Als reine Erfahrung für zwei Spieler entwickelt, ist ein Partner zum Spielen zwingend notwendig. Dieser darf sich entweder online aus der Freundesliste dazu gesellen, oder aber auch vor dem selben Bildschirm Platz nehmen – die Erfahrung ist letztendlich identisch. Zur Seite stand mir dieses Mal abermals Kollege Dante, der mich bereits bei den Battlefield 1-  DLC´s tatkräftig unterstützt hat. Der Clou: Lediglich ein Exemplar des Spiels muss erworben werden – der zweite Spieler darf via Freundschaftspass gratis einsteigen und muss lediglich vorher den Spielclient herunterladen, erhält als Nachteil allerdings keine Achievements. Vertrieben wird das Ganze übrigens von Electronic Arts, welche den Titel als Teil der neuen EA Originals ins Portfolio aufgenommen haben. Wie bei „Fe“ gilt auch hier, dass die Entwickler die volle Kontrolle über das Produkt behalten und ebenso auch den ganzen Gewinn einstreichen. Nach wie vor eine wunderbare Sache. 

Ein ungleiches Paar – ein gleiches Ziel 

Wir schreiben die späten Siebziger. Etwas mehr als acht Jahre muss Leo, der Räuber mit der Elvistolle noch absitzen, als eines Tages mit dem ebenfalls erneut straffällig gewordenen Vincent ein Neuzugang mit gemeinsamem Ziel als Frischling in mit harter Hand geleiteten und mit leicht schmierbarem Wachpersonal besetzten Strafanstalt eingeliefert wird. Schließlich wurden sowohl Leo als auch Vincent seinerzeit vom Gauner Harvey beschissen und sinnen seitdem auf Rache, während der Verräter sich in Südamerika ein hübsches Verbrecherkartell errichtet hat und das Leben im Wohlstand genießt. Klar, dass die beiden ungleichen Insassen sich schnell zusammentun, um gemeinsam aus dem Bau zu entwischen und dem ehemaligen Partner ordentlich die Leviten zu lesen. Die Flucht ist jedoch erst der Anfang einer wahren Odyssee, in der es gilt, sämtliche Vorbereitungen für den finalen Showdown mit Harvey und seinen Handlangern zu treffen. Dabei ist den beiden nicht nur die Polizei auf den Fersen, zuhause warten jeweils auch noch Frau und Kind. 

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     Der eher ruhige Vincent, oder der temperamentvolle Leo – jeder Charakter hat eigene Stärken. 

Man merkt der knapp 6-8 Stunden langen Story deutlich an, dass sie sich von vielen Genreklassikern hat inspiereren lassen. So borgt sich das gesamte im Gefängnis spielende erste Kapitel zahlreiche Anleihen aus dem Filmklassiker „The Shawshank Redemption“, alleine der fiese Direktor erinnert nicht nur optisch sehr an den seinerzeit so meisterhaft fies von Bob Gunton verkörperten Boss Norton. Die Mitte ist eine Mischung aus „Grand Theft Auto“ und „Mafia“, während das Finale sehr an „Scarface“ und den Film „Gesprengte Ketten“ mit Steve McQueen erinnert. Dabei setzen die Entwickler aber auch viele eigene Akzente und schaffen es, dank wohldurchdachter Charakterzeichnung beiden handelnden Charakteren eigenständige, stets nachvollziehbare Persönlichkeiten zu verleihen, denen man jederzeit gerne folgt und mit denen man ferner auch stets mitfühlt. Gleichzeitig gelingt es dem Spiel, auch das Geschehen vor dem Bildschirm maßgeblich zu beeinflussen. Immer wieder unterhalten wir uns als Spieler dabei über die laufenden Geschehnisse, koordinieren uns gegenseitig und sprechen uns über die nächsten Schritte ab. Am Ende des Spiels hatten wir dabei beide das Gefühl, als Freunde platonisch näher aneinander gerückt zu sein. Und das, so finden wir beide, verleiht dem Spiel einen unglaublichen Mehrwert. 

Stärken und Schwächen

Koordination ist nämlich das A und O, beide Charaktere müssen stets zusammenarbeiten, um an ihr Ziel zu gelangen. So gilt es beispielsweise, für die Flucht aus dem Gefängnis einige Wäschelaken im Hinterzimmer der Gefängniswäscherei zu platzieren. Das Problem: Der Wachmann vor der Tür lässt uns nicht ohne Wäschewagen passieren, gleichzeitig will der Zuweiser ohne vorherige Erlaubnis keinen entsprechenden Transportwagen ausgeben. Während Dante in Gestalt des Leo sich mit den anderen Insassen unterhält, untersuche ich als Vincent die Umgebung und versuche Mittel und Wege zu finden, vielleicht ein Ablenkungsmanöver zu starten. Nach einem kurzen Austausch vor dem Monitor über das in Erfahrung gebrachte verfrachten wir den lästigen Ausgeber einfach in eine Abstellkammer, anschließend verstecke ich mich im Wäschewagen und öffne anschließend für Leo die Tür. Momente wie diese, wo beide Spieler sich gut abstimmen und zusammenarbeiten müssen, machen die Stärken des Spiels aus. Dann fühlt sich das Geschehen wie ein waschechtes Co-Op – Abenteuer an. 

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         Während Leo sich durch die Zellenwand gräbt, muss Vincent draußen Schmiere stehen. 

Besonders im ersten Kapitel spielt „A Way Out“ diese Stärke hervorragend aus. Die Schwächen offenbaren sich erst danach. So gibt es immer wieder Passagen, die von den jeweiligen Charakteren ganz alleine absolviert werden, während der Mitspieler nur als Zuschauer fungiert, gleichzeitig wirken die immer mal wieder enthaltenen Fahrzeugpassagen gleichermaßen unpassend wie auch uninspiriert. Gleiches gilt für den letzten Teil des Spiels, wo das Geschehen mehr und mehr zum belanglosen Shooter verkommt. Nur ein kleiner Teil des großen Ganzen, aber immerhin. Generell bietet das Spiel auch nie wirklich eine spielerische Herausforderung, da der Weg im Rahmen der extrem linear gestalteten Kampagne stets vorgegeben ist und trotz gelegentlich unterschiedlicher Herangehensweisen doch nahezu immer zum gleichen Ende führt. Da man am Split Screen jederzeit den anderen Charakter im Blick hat, ist ein Wiederspielwert trotz zwei verschiedener Spielenden praktisch nicht vorhaben. Da ein Großteil der Eingaben zudem nur aus Quicktime – Events besteht, gewöhnt man sich gleichermaßen schnell an die immer wieder gleichen Eingaben. 

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              Die Flucht über die Stromschnellen gehört noch zu den besseren Fahrzeugeinlagen. 

Besonders im ersten Kapitel, wo es immer mal wieder gilt, sich am Wachpersonal vorbei zu mogeln, offenbart sich auch die latente K.I. – Schwäche des Spiels, da die Wachen offenbar allesamt nahe der Blindheit sind und wirklich nur dann auf die Flüchtigen reagieren, wenn sie fast unmittelbar hinter ihnen stehen. Bei all diesen offensichtlichen Schwächen im Gameplay ist „A Way Out“ dennoch eine spielenswerte Erfahrung, die von der gelungenen Narration und dem Miteinander der beiden Hauptdarsteller extrem profitiert. Bei der Umsetzung dieser Erfahrung verschenkt der Titel in Sachen Gameplay aber enorm viel Potenzial und ist oft einfach nicht konsequent genug.

Anatomie einer Flucht

Angetrieben wird „A Way Out“ von der Unreal Engine 4, was man dem Spiel allerdings nur selten ansieht. In den besten Momenten, beispielsweise dem Abschnitt, welcher in einem kleinen Waldgebiet spielt, sieht der Titel wirklich gut aus und überzeugt durch dichte sowie lebendige Vegetation, ferner auch durch eine hübsche Beleuchtung. In den allermeisten verbliebenen Momenten stößt man oft auf qualitativ nicht mehr zeitgemäße Texturen, auch die Mimiken der Darsteller können das dazu gesprochene Wort nicht immer passend darstellen, sondern wirken durch die Bank hölzern und steif. Dafür machen die englischen Sprecher einen guten Job, auch die musikalische Untermaltung ist gelungen und passt prima zum Spielgeschehen. Dazu werden sauber lokalisierte Deutsche Untertitel geboten. 

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                 Die Spielmechaniken werden aufgrund immer gleicher Eingaben schnell repetiv.

Während die PC – Version insgesamt die beste Bildqualität bietet und gleichzeitig flüssige 60 Bilder pro Sekunde anpeilt, was dem Timing der Tastenkombinationen sehr zugute kommt, setzen die Konsolenfassungen auf den Standardmodellen der XBOX One sowie der PlayStation 4 die Messlatte wesentlich niedriger an. Hier muss man mit halber Bildrate leben und ferner auch einige Abstriche in Sachen Bildqualität hinnehmen. Auch eine PlayStation 4 Pro profitiert da nicht groß von der Zusatzleistung, lediglich die One X bietet die Wahl zwischen einem Qualitäts- und Performancemodus. Ersterer bietet aber außer einer höheren Auflösung keine nennenswerten Vorteile. Die Präferenz ist hier eindeutig der Performancemodus, welcher besonders die Framerate näher an die PC – Version heranbringt und das Gameplay so deutlich aufwertet. Hinsichtlich der Bedienung können weder Tastatur und Maus, noch Gamepad einzeln restlos überzeugen. Während das Gamepad besonders in den Fahrzeug- und Geschicklichkeitspassagen präziser agiert, sind Maus und Tastatur wesentlich besser zum Zielen im Rahmen der Schusswechsel geeignet. Der Vorteil für PC – Spieler ist, dass man jederzeit ohne Umweg über die Optionen zwischen beiden Eingabegeräten wechseln kann. Ganz optimal ist das aber natürlich nicht.

Fazit und Wertung

ava2 „Für die knapp 30€ kann man eigentlich nicht meckern: ´A Way Out´ sorgt aufgrund der tollen Erzählung und Charakterzeichnung für eine nachvollziehbare Handlung, die einen durchaus in ihren Bann ziehen kann. Das Geschehen vor dem Bildschirm, die Kommunikation und Planung mit dem Partner, all das sorgt für eine tolle Zwei – Spieler – Dynamik. Die Momente, welche einem derartige Ereignisse schenken, werden aber nach dem ersten Kapitel immer weniger, gleichzeitig sorgt der sehr lineare Spielablauf dafür, dass zwar oft das Gefühl aufkommt, eine Situation auf unterschiedliche Weise meistern zu können, der offensichtliche Lösungsweg ist dann aber oft der einzig umsetzbare und stellt die Spieler gleichzeitig nie vor eine Herausforderung. Alleine die Geschichte ist aber wert, erlebt zu werden.“

PRO:

+ Spürbar differenzierte Charaktere mit eigenen Schwächen und Stärken
+ Leo und Vincent agieren als glaubhafte Darsteller mit Identifikationspotenzial
+ Besonders im ersten Kapitel viele starke Co-Op – Momente
+ Insgesamt nachvollziehbare Erzählung, die erst zum Ende etwas an Bodenhaftung verliert
+ Atmosphärisch gelungene Darstellung der späten Siebziger
+ Spielgeschehen hat auch Einfluss auf die Spieler selbst und erfordert Timing und Absprachen
+ Zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielumgebung inkl. vieler optionaler Minispiele
+ Gute englische Sprecher
+ Sauber lokalisierte Untertitel
+ Stabile Server im Online – Modus
+ Lokales Spiel an einem Bildschirm möglich

+ Faire Rücksetzpunkte
+ Übersichtliche Kapitelauswahl ermöglicht schnelles Ausprobieren anderer Entscheidungen
+ Passende musikalische Untermalung
+ Faires Preis-Leistungsverhältnis
+ Pro zwei Spieler jeweils nur ein Spielexemplar erforderlich
+ Zwei verschiedene Enden

CONTRA:

– Technisch trotz Unreal Engine 4 nicht auf der Höhe der Zeit
– Hölzerne Mimiken transportieren selten die Emotionen des gesprochenen Wortes…
– …welches zudem nicht immer lippensynchron dargestellt wird

– Extrem linearer Spielablauf
– Getroffene Entscheidungen haben nahezu keinerlei Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf
– Spielerische Qualität nimmt nach dem ersten Kapitel stark ab
– Schwacher, uninspirierter dritter Abschnitt, der eher an einen schlechten Shooter erinnert
– Quicktime – Events werden schnell repetiv
– Dank forciertem Split Screen nahezu keinerlei Wiederspielwert
– Spielerisch kaum fordernd
– Controller unpräzise beim Schießen, Maus und Tastatur unpräzise bei der Bewegung
– Gelegentliche Clipping – Probleme

                                                        GESAMTWERTUNG:     75%

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