The Last of Us: Part I – „Ansichtssache“

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                                                           Getestet und verfasst von Exe

813OhSUsL. SL1500 In den letzten Zyklen der PlayStation 3 bewies Naughty Dog eindrucksvoll, was das betagte System noch leisten konnte. Ein Jahr später war The Last of Us längst zum Megaseller avanciert, eine für PlayStation 4 remasterte Version setzte die Erfolgsgeschichte rund um Ellie und Joel fort. Bald zehn Jahre nach Erstveröffentlichung schlägt das Abenteuer nun abermals auf, dieses Mal auf PlayStation 5 und in Form eines vollwertigen Remakes – zum vollwertigen Preis. Ein Jahrzehnt, ein Spiel, drei Versionen: Was bei der Ankündigung zahlreiche Unkenrufe nach sich zog, erweist sich im Test einmal mehr als visuelles Showcase der Güteklasse A, bleibt dabei aber spielerisch das altbekannte Erlebnis.

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Aller guten Dinge…

Ausnahmsweise habe ich mich dazu entschieden, nicht erneut groß auf Geschichte und Gameplay von The Last of Us: Part I einzugehen. Das Spiel ist seit gut zehn Jahren auf dem Markt und ich bin mir ziemlich sicher, dass mittlerweile jeder Interessent weiß, worum es im Spiel geht und wie es sich spielt. Einmal mehr begleiten wir Joel und Ellie durch eine von einer geheimisvollen Seuche transformierten Welt, die einen Großteil der Bevölkerung in hirnlose Organismen verwandelt hat. Nahezu alle Städte sind längst verwahrlost, lokale Einsatzkräfte gehen mit harter Hand gegen die Überlebenden vor und rivalisierende Banden kämpfen untereinander um Macht und Güter. Im Mittelpunkt der Erzählung steht das anfangs noch sehr schwere Verhältnis zwischen den beiden Protagonisten, welches sich mit zunehmenden Gefahren langsam bessert und schließlich intensiviert. 

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Die Geschichte ist in den knapp zehn Jahren gealtert wie guter Wein und zählt immer noch mit zum Besten, was die gesamte Branche je hervorgebracht hat. Die glaubhaft dargestellte Beziehung zwischen Joel und Ellie geht zu Herzen und lässt die Geschehnisse des Sequels nur noch schmerzhafter und weniger nachvollziehbar wirken. Aber dieses hochexplosive Fass möchte ich nicht nochmal öffnen. Klar ist aber auch, dass die Geschehnisse innerhalb von The Last of Us: Part I nicht neu sind. Handlung, Dialoge und Co. sind exakt dieselben wie im Original bzw. dessen Remaster. Kenner sollten sich also einmal mehr gut überlegen, ob ihnen das Remake wirklich satte achtzig Euro wert ist. So sehr ich die Faszination hinsichtlich der in jedweder Hinsicht überarbeiteten Visuals verstehe – und mit denen lockt Sony Veteranen ganz bewusst -, so sehr sollte jeder Interessent dabei verinnerlichen, dass sich hinter der neuen Optik kein neues Spiel verbirgt. Für Neueinsteiger gibt es aber garantiert keinen besseren Zeitpunkt, um in die packende Dystopie des Millionensellers einzusteigen.  

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Das eine große Problem des Remakes ist aber nicht etwa der identische Ablauf der Handlung. Ganz gleich ob man nun zum ersten Mal Hand an den Titel legt, oder sich mehrmals durch alle bisher existierden Versionen gedaddelt hat, spielerisch fühlt sich The Last of Us: Part I mittlerweile alles andere als zeitgemäß an, auch in Hinsicht auf den dahingehend deutlich erweiterten Nachfolger. Anders als Ellie ist Joel eher praktisch orientiert und setzt weit weniger groß auf Heimtücke. Ein Großteil des Gameplays besteht gefühlt darin, alles zu plündern, was nicht niet- und nagelfest ist und daraus provisorische Überlebensgüter zusammenzubasteln. Kampf- und Schleichelemente sind allerhöchstens rudimentärer Natur und wirken mittlerweile schnell repetiv. Naughty Dog hat hier in meinen Augen die Chance verschenkt, seinen Megahit mechanisch zu modernisieren, ohne dabei die Kernessenz des Spiels aus den Augen zu verlieren. Ein zusätzlicher Speedrun-Modus sowie eine Option für Permadeath reißen das einfach nicht raus. 

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Gleichzeitig erscheint das Remake ohne die beliebte Mehrspielerkomponente von Original und Remaster, verzichtet also alternativlos auf einen signifikanten Inhalt – obwohl bereits angekündigt wurde, dass der Modus kommendes Jahr als Standalone-Inhalt nachgereicht werden soll. Dafür ist auch hier das ähnlich gut erzählte Prequel-Kapitel „Left Behind“ in grafisch vollständig überarbeiteter Form an Bord. Ich bleibe aber bei meiner Meinung, dass Sony für das Gebotene einfach viel zu viel Geld verlangt. Für mich gilt es als absolut gesichert, dass genau diese Fassung früher oder später zum merklich kleineren Preis auch auf dem PC aufschlagen wird. Wer seine Neugierde bis dahin zügeln kann und über entsprechend leistungsstarke Hardware verfügt, sollte vielleicht noch ein-zwei Jahre Geduld aufbringen. Dazu passt, dass das Sequel dann ausreichend Zeit auf dem Buckel hat, um sich in aufbereiteter Form gleich mit für einen Release zu qualifizieren. Natürlich bleibt es wie immer euch überlassen, wofür ihr euer Geld auf den Tisch legen wollt. Aus fachlicher Sicht, aber auch aus der einen langjährigen Fans des Franchises, hat mir das Remake abseits seiner visueller Faszination einfach nichts offeriert, dass den Preis rechtfertigen würde. 

Definitive Dystopie

Innerhalb einer Dekade nicht nur ein Remaster, sondern gleich ein Remake zu veröffentlichen, ist definitiv eine mutige Aktion. Andererseits ist dieser Umstand auch der Tatsache zu schulden, dass die PlayStation 4 gerade einmal ein Jahr nach Veröffentlichung des Originals erscheinen ist und diese mangels Abwärtskompatibilität zur PlayStation 3 quasi auf eine Neuauflage angewiesen war. Neben einer höheren Auflösung und stabileren Bildraten überzeugte The Last of Us: Remastered bereits durch einige kleinere grafische Verbesserungen, nutzte dabei im Kern aber ausschließlich bereits bestehende Assets. Das Remake lässt dagegen keinen Stein auf dem Alten. Sämtliche Charaktermodelle, Texturen, Objekte sowie Flora, Fauna und Effekte wurden komplett neu erschaffen. Das Ergebnis übertrumpft das immer noch ansehnliche Remaster um Welten und ist ein fantastisches Showcase für die Leistungsfähigkeit der PlayStation 5. 

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Alle bisher vorberechneten Zwischensequenzen werden von der Konsole nun ausnahmslos in Echtzeit gerendert. In Sachen Mimik legen die Charaktere qualitativ massiv zu und erreichen endlich die filmreife Qualität eines Uncharted 4: A Thieves End oder The Last of Us: Part II. An der bereits sehr guten Vertonung des Originals hat sich dagegen nichts geändert. Sehr wohl dagegen an der allgemeinen Beleuchtung, die nun physikbasiert agiert und dem Spiel damit eine wesentlich realistischere Atmosphäre verpasst. Alleine diese Tatsache wertet das Remake unglaublich auf, dabei bleibt es aber glücklicherweise nicht. Statt die Kulissen nur hier und da mit ein paar neuen Sträuchern und anderen Objekten aufzuwerten, wurden auch alle Außen- und Innenareale auf Basis der aktuellen Engine aus dem Hause Naughty Dog neu erschaffen. Das Ergebnis sind vertraute Kulissen, die sich trotzdem frisch anfühlen. Aufmerksame Beobachter werden bemerken, dass selbst die Hintergründe mit ihren eingefallenen Betonbauten nicht einfach nur einen frischen Anstrich bekommen haben, sondern ein vollständiges Rework. 

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Die neue Effektkulisse sieht ebenfalls fantastisch aus. Alleine die Charakterinteraktion mit Wasser ist ein wahrer Augenöffner, selbst an eine korrekte Lichtbrechung im Schein der Taschenlampe wurde gedacht. Und spätestens, wenn sich im verlassenen U-Bahn-Tunnel Millionen von Partikeln in deren Licht schimmern, geht dem Technikenthusiasten auch der letzte Knopf an der Hose auf. Und wer sich beim Remaster noch an den etwas versteiften Schattenwürfen gestört hat, bekommt mit dem Remake endlich eine zeitgemäße, realitätsnahe Darstellung spendiert. Selbst kleine Feuer lodern eindrucksvoller als bisher. Wie gesagt, die Macher haben wirklich keinen Stein auf dem anderen gelassen. The Last of Us: Part I ist ein absolutes Paradebeispiel dafür, wie ein Remake aussehen muss. Im direkten Vergleich dazu sieht das noch primär für die PlayStation 4 produzierte Sequel in vielen Belangen einen ganzen Ticken schlechter aus. Dass Sony aber auch diesbezüglich alsbald mit einer Neuauflage um die Ecke kommt, wage ich zu bezweifeln. Ein visuelles Upgrade zum üblichen Preis wäre allerdings eine anständige Idee, welche technisch absolut umsetzbar wäre. 

Modus Operandi 

Ich begrüße die Entscheidung, dass The Last of Us: Part I ausschließlich auf PlayStation 5 erscheint, denn obwohl das Spiel mit einigen Abstrichen sicherlich auch noch auf dem Vorgängermodell lauffähig gewesen wäre, hätte der Titel dort im Ergebnis sicher bedeutend schlechter ausgesehen und umso mehr die Frage nach einer existenziellen Notwendigkeit hervorgerufen. So konnte das Team sämtliche Ressourcen bündeln und eine kompromisslose Erfahrung schaffen, die den Titel sicher für ein neues Jahrzehnt konserviert. Trotzdem muss man je nach bevorzugter Spielerfahrung mit ein paar Kompromissen leben. Zwei Modi stehen zur Verfügung, nämlich ein Grafikmodus mit Fokus auf nativem 4K bei gleichzeitig stabilen 30 Frames pro Sekunde. Besitzer eines 120-Hertz-Displays mit VRR können die Bildrate komplett unlocken. Letzteres erreicht die Konsole zwar nicht einmal im groben Ansatz, mit dem richtigen Fernseher kann man so jedoch Auflösungen im 4K-Bereich bei gleichzeitig sehr gut spielbaren 40 Frames pro Sekunde erreichen, was sicherlich einen guten Kompromiss zwischen Leistung und Qualität darstellt. 

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Und obwohl The Last of Us seit jeher ein Spiel mit eher gemütlichem Pacing war und dementsprechend nicht zwangsläufig auf 60 Frames pro Sekunde angewiesen ist, um Spaß zu machen, fühlt sich der Leistungsmodus im Jahr 2022 und innerhalb der aktuellen Konsolengeneration für mich als beste Erfahrung an. Der Kompromiss bei der Auflösung ist zu verschmerzen, besonders in ein-zwei Metern Distanz fallen die Auflösungsunterschiede fast gar nicht auf. Erst bei ganz genauem Hinsehen bemerkt man leichte Treppchenbildung an der Kulisse, dafür muss man aber wirklich mit dem Auge auf dem Display kleben. Grundsätzlich agiert der Leistungsmodus eher im Bereich von 2K, weniger in höheren Sphären, sieht aber dennoch fantastisch aus. Für den Preis von etwas Bildschärfe bekommt man geschmeidige 60 Frames, die in jeder noch so grafikintensiven Situation mühelos gehalten werden. Gleiches gilt für den Grafikmodus, der mit überwältigender Stabilität punkten kann. Und mit dem wie immer Fotomodus könnt ihr ganz gleich in welchem Modus jederzeit eure Lieblingsmomente einfangen und umfangreich anpassen.

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Eines meiner persönlichen Highlights innerhalb des Remakes ist die vorbildliche Anpassung des Spiels an die Features des DualSense. Schon die kurze Autofahrt im Prolog liefert ein unfassbar realistisches Feedback. In Schusswechseln produzieren die adaptiven Trigger ein glaubhaftes Abzugsgefühl, welches sich bei jeder Waffe ganz unterschiedlich anfühlt. Selbst der Impact ausgeteilter Schläge wird toll in die Hände übertragen. Die Beleuchtung informiert euch zudem wie schon im Remaster über den aktuellen Gesundheitszustand von Joel. Bei Grün ist alles in Ordnung, bei Rot solltet ihr euch schleunigt um Heilung bemühen. Dazu bietet das Spiel über sechzig Anpassungsoptionen für bestmögliche Zugänglichkeit. Ziel- und Kamerahilfen en masse, ferner sind einige Optionen für Hörbehinderte an Bord. Selbst die eigentliche Spielerfahrung ist abseits der fünf vorgegebenen Schwierigkeitsgrade frei konfigurierbar. So könnt ihr selbst entscheiden, wieviele Ressourcen in der Welt vorhanden sind oder wie gut die Wahrnehmung der Gegner ist. Weil Naughty Dog bei den Trophies sämtliche Anforderungen an den Schwierigkeitsgrad gestrichen haben, sollten selbst Gelegenheitsspieler mit wenig Aufwand schon bald Besitzer einer funkelnden neuen Platinauszeichnung sein. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Anfangs war ich sehr zwiegespalten, was das in meinen Augen viel zu frühe Remake zu The Last of Us angeht. Nachdem ich mich nun ein weiteres Mal mit Joel und Ellie durch die Endzeit gekämpft habe, haben sich fast all meine Bedenken erfolgreich zerstreut. Technisch hat die Neuauflage das Zeug, erneut zum Systemseller zu avancieren. Hier haben die Macher wirklich keinen Stein auf dem anderen gelassen und das Spiel von Grundauf neu rekonstruiert – mit durchgehend eindrucksvollen Ergebnissen über sämtliche Modi. Fakt ist jedoch, dass dadurch noch kein neues Spiel entsteht. Das nicht mehr ganz zeitgemäße Gameplay, die Abwesenheit neuer Inhalte sowie das Wegfallen der Mehrspielerkomponente trüben den sonst so guten Gesamteindruck. Kenner sollten sich überlegen, ob sie wirklich achtzig Euro für ein reines Grafikupgrade hinlegen wollen. Alle anderen kriegen mit The Last of Us: Part I den bestmöglichen Grund geliefert, endlich ins Franchise einzusteigen. Besonders, weil die Serienadaption bereits unmittelbar vor der Tür steht…“ 

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PRO:

+ Stark verbesserte Charakterdarstellung
+ Umgebungen von Grundauf neu gestaltet
+ Stimmige, hochatmosphärische Beleuchtung
+ Überarbeitete Hintergründe werten Kulissen zusätzlich auf
+ Sauber optimierter Leistungs- und Grafikmodus
+ Left Behind ebenfalls in aufbereiteter Form enthalten
+ Permadeath- und Speedrun-Modi
+ Zahlreiche Zugänglichkeitsoptionen
+ Fünf fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
+ Herausforderung auf Wunsch komplett frei anpassbar
+ Ladezeiten praktisch nicht mehr vorhanden
+ Exzellent ausgenutzte DualSense-Features
+ Umfangreicher Fotomodus

CONTRA:

– Angestaubtes Gameplay
– Mehrspielermodus ersatzlos gestrichen
– Gelegentlich etwas fummeliges Deckungssystem
–  Für ein überwiegend reines Grafikupgrade zu teuer

                                            GESAMTWERTUNG:     8.9/10

     MRAPRÄS     MRATMOS     MRSTORY



Ein enstprechendes Rezensionsmuster ist uns freundlicherweise vorab von Sony zur Verfügung gestellt worden. 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.


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