NHL 21 – „Knapp über dem Schmelzpunkt“

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                                                     Getestet und verfasst von General M 

81qtbLfOrpL. SL1500 1Wie ich zum Finale der alljährlichen Ableger bekannter Sportspiele immer erleichtert zu sagen pflege: „Endlich ist es geschafft.“ Es ist nämlich gar nicht so einfach, sich immer wieder neue Worte einfallen zu lassen, die am Ende doch ein zum Vorjahr beinahe identisches Spiel beschreiben. Auch NHL 21 tut sich mit großen Sprüngen nach vorne sehr schwer. Immerhin gibt es einige dringend nötige Erweiterungen im Karrieremodus und auch auf dem Feld hat sich hier und da ein bisschen was getan. Ob das jedoch ausreicht, um Besitzern der Vorjahresversion einen Kauf schmackhaft zu machen? Wir haben uns für euch die Kufen angeschnallt und das virtuelle Eis betreten, um genau das herauszufinden. 

                       Hinweis: Sämtliches Bildmaterial entstammt offiziellen Pressequellen. 

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Evolution statt Revolution

Die größten Veränderungen in diesem Jahr betreffen den Karrieremodus Be-A-Pro. Und das war ehrlich gesagt auch längst überfällig, den gerade in den letzten Jahren wurde dessen allgemeine Betagtheit immer deutlicher. Zwar bleibt es inhaltlich beim gewohnten Aufstieg eines Amateurs zum NHL-Superstar, der fühlt sich nun allerdings eine ganze Ecke frischer an. Dafür sorgen zahlreiche neue Mechaniken, die euch das Geschehen zwischen den Spielen sehr viel näher bringen und euch tiefer denn je in eine möglichst realitätsnahe Spielerentwicklung eintauchen lassen. Den erstellt ihr euch wie immer zunächst im wieder sehr umfangreich geratenen Charaktereditor, ehe ihr im Anschluss entscheidet, ob ihr eure Reise lieber in der europäischen oder kanadischen Liga beginnen wollt. Von dort aus entscheiden jetzt nicht mehr nur eure Leistungen auf dem Eis darüber, wie schnell ihr es in die NHL schafft, sondern auch euer Verhalten. Zwar bietet NHL 21 nicht gerade eine klassische Story mit Charakteren á la Journey, dennoch entwickelt euer Avatar dank saisonaler Geschichten, Echtzeit-Erwartungen und Unterhaltungssystem eine Menge Eigendynamik – all das nur leider ohne Vertonung. Grundsätzlich müsst ihr bei euren Erwartungen stets überlegen, wem ihr euch eher verpflichtet fühlt. Handelt ihr für euch selbst und eurer Marke und damit gelegentlich gegen das Team, oder stellt ihr persönliche Ambitionen für ein möglichst harmonisches Miteinander im Umkleideraum zurück? 

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Während der persönliche Manager stets bemüht ist, euren Avatar zum prestigeträchtigen Star zu formen, liegt dem Coach mehr das Wohl der Mannschaft am Herzen. Lasst ihr euch beispielsweise bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung blicken oder zieht mit den Jungs um die Häuser? Die Balance aufrecht zu erhalten ist gar nicht so einfach. Wer es sich dauerhaft mit dem Trainer verscherzt, findet sich schnell dauerhaft auf der Ersatzbank wieder. Verärgert ihr sogar den General Manager, verramscht der euch schlimmstenfalls auf dem Transfermarkt. Auf der anderen Seite winken dem Egoisten viele lukrative Sponsorenverträge und Luxusgüter. Egal welche Wahl ihr trefft, alles hat Vor- und Nachteile mitsamt wirklich spürbarer Konsequenzen. Das hebt den Wiederspielwert ordentlich an, weil es neugierig macht zu sehen, auf welche mannigfalten Pfade die gewählten Entscheidungen letztendlich führen. Dazu tragen auch die neuen Saisongeschichten ihren Teil bei, denen es aber wie eingängs erwähnt einfach an erinnerungswürdigen Charakteren mangelt. Hier gibt es für das kommende Jahr noch eine Menge Verbesserungspotenzial. Insgesamt hat EA Vancouver mit den überarbeiteten und neuen Features aber einen großen Sprung nach vorne gemacht, welcher die Karriere von NHL 21 zur bisher besten seit Bestehen der Reihe macht. 

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Nicht ganz so viel Neues wird einem dafür im altehrwürdigen Franchisemodus geboten. Neben einigen Anpassungen bei den Spielerwerten gibt es nun wie schon in FIFA 21 die Option, Spieler auf mehreren Positionen zu besetzen, was mehr Freiheiten bei der Teamaufstellung ermöglicht. Gleichzeitig kann man bestimmen, wie hoch die Qualität der generierten Draft-Jahrgänge ausfallen soll, während die neue Trade-Deadline mehr Würze in die bisher eher drögen Blocks bringt. Je nachdem, wie aggressiv ihr auf dem Markt mitmischen wollt, passt sich auch das Angebot an, wobei sich die Preise über den Verlauf der sechstündigen Deadline immer wieder ändern. Auf vielfachen Wunsch der Spieler wartet das Franchise in diesem Jahr zusätzlich mit einer ganzen Reihe von Statistiken auf, damit ihr eure bisherigen Fortschritte und Schlüsselerlebnisse immer bequem nachschlagen könnt. Das alles sind aber eher Kleinigkeiten, welche die weiterhin dröge Präsentation nur marginal bereichern. In diesem Rahmen ist das weiterhin zuwenig. 

Neues auf dem Eis?

Natürlich dürfen auch die obligatorischen Gameplaytweaks nicht fehlen. Besonders Verbesserungen bei K.I. hat der Entwickler für NHL 21 versprochen und obwohl diese teilweise auch durchaus spürbar sind, gibt es beim Verhalten der computergesteuerten Akteure immer noch eine Menge offener Baustellen. Positiv fällt auf, dass die Torhüter im Vergleich zum Vorjahr ein gutes Stück abgeschwächt worden sind und jetzt nicht mehr gefühlt neunzig Prozent aller auf das Tor abgegebenen Schüsse halten. Wieder ein Stück näher an der Realität, so lautet die Devise. In der praktischen Umsetzung resultiert das in nochmals leicht verbesserten Animationsabläufen und Kollisionsabfrage, dazu gibt es eine ganze Handvoll neuer Deke´s, während sich die Spitzenspieler der aktuellen Saison einmal mehr über ihre Signature Moves freuen, bei denen es ebenfalls Neuzugänge zu vermelden gibt. Dadurch eröffnen sich euch viele zusätzliche Optionen, euren Gegnern beizukommen. Hier stimmt dann auch das Balancing, denn nichts davon fühlt sich je übermächtig oder gar unfair an, weshalb auch reguläre Movesets immer Erfolg versprechen. 

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Nur von der kernoptimierten K.I. merke ich persönlich nicht so viel, wie man im Vorfeld versprochen hat. Zwar agieren die Mannschaften insgesamt gestaffelter und reagieren vorausschauender bei Pässen und Co., was das Zusammenspiel deutlich flüssiger und intuitiver gestaltet, dafür kommt es weiterhin immer wieder zu störenden Aussetzern. Nicht immer reagieren Defensive und Offensive nachvollziehbar. So ließ sich öfter mal beobachten, dass in der Verteidigung vermeidbare Lücken entstehen, weil die gesamte Defensive gerade mit irgendwas anderem beschäftigt zu sein scheint, nur nicht mit ihrer eigentlichen Tätigkeit. Auf offensiver Seite schaltet die künstliche Intelligenz ebenfalls gerne mal in den Leerlauf, versemmelt Annahmen oder lässt sich zu leicht austricksen. Insgesamt fühlt sich der Kampf auf dem Eis tatsächlich runder an als im Vorjahr, aber solange es den Machern partout nicht gelingen will, solche Kinderkrankheiten auszumerzen, fällt die Wahrnehmung sämtlicher Verbesserungen hier deutlich geringer aus, als es die Macher proklamieren. 

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Wo NHL 21 dagegen komplett auf der Strecke festhängt, ist die Technik. Im direkten Vergleich zum Vorgänger sieht das Spiel nämlich komplett identisch aus. Lediglich ein paar perspektivische Verbesserungen sorgen dafür, dass sich das virtuelle Erlebnis noch etwas näher an tatsächliche TV-Übertragungen heranbewegt. Spielermodelle, Publikum und Co. präsentieren sich dagegen auf altbekanntem Stand. Während FIFA und Friends längst durch die potente Frostbite Engine angetrieben werden, wandelt NHL leider weiterhin auf den völlig veralteten Pfaden der mit dem Debüt der Current Generation eingeführten und längst nicht mehr zeitgemäßen Ignite Engine. Besonders im nativen 4K der erweiterten Modelle werden die Zeichen der Zeit überdeutlich, alte Probleme wie frappierende Aussetzer bei Animationen und Kollisionen inklusive. EA hat in dem Segment komplett verpennt, mit dem Fortschritt zu gehen, was sich angefangen bei fummeligen Menüs mehr als deutlich an der Tatsache zeigt, dass NHL 21 der einzige Titel aus dem diesjährigen Portfolio des Publishers ist, der weder eine PC-Version, noch ein Upgrade für XBOX Series X/S und PlayStation 5 spendiert bekommt, dafür hoffentlich einen grafischen Neustart mit dem nächsten Ableger. 

Arcadiger wird´s nicht

Im recht beachtlichen Umfang des Spiels darf selbstredend die beliebte World of CHEL – Komponente nicht fehlen, wo unter freiem Himmel sämtliche Simulationsaspekte zugunsten arcadiger Duelle mit maximal 3 vs. 3 Spielern fallengelassen werden. Während sich am Coreplay nichts geändert hat und ihr euch für eure Leistungen weiterhin über tonnenweise ausgefallene Cosmetics freuen dürft (all das wieder komplett ohne Echtgeldinhalte), enthält der Modus nun auch ein Ranglistensystem. Wer sich also immer schon gefragt hat, ob der eigene Club das Zeug dazu hat, an der Spitze aller Spieler zu stehen, hat nun Gelegenheit, das herauszufinden. Der Pokal wird jede Season neu vergeben, jede Partie automatisch gewertet, weshalb man sich dem kompetiven Wettstreit ohnehin nicht entziehen kann. Wen Platzierungen und dergleichen nicht interessieren, macht eben einfach weiterhin sein Ding. Allen anderen sollte die Rangliste aber eine Menge zusätzliche Motivation bescheren. Wäre die Clubverwaltung nur etwas komfortabler, gäbe es kaum noch etwas zu meckern. 

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Ebenfalls neu am Start ist ein Skillsystem, welches verschiedene Perks für euren Spieler bietet. Dafür nötige Punkte gibt es mit jedem Levelaufstieg, maximal drei Boni können gleichzeitig aktiviert werden, um eure persönliche Spielpräferenz weiter zu verbessern. Das alles ist zwar ziemlich übersichtlich in der Anzahl, funktioniert in der Wirkung aber umso besser. Weil es auch hier in Sachen Balancing nichts zu meckern gibt, ist die ganze Sache zudem ein willkommener Support wenn es darum geht, jedes Team auch abseits seiner Outfits möglichst einzigartig zu gestalten. Die World of CHEL verspricht mit all diesen Neuerungen also auch mit NHL 21 wieder eine Menge Spaß und gefällt mir persönlich weiterhin deutlich besser als FIFA´s Volta-Komponente, einfach weil die Langzeitmotivation hier deutlich höher ist, man auf Wunsch auch wieder mit Maskottchen ins Feld ziehen darf und auch als Solist einiges zu tun hat. Arcadig wird´s auch im mikrotransaktionslastigen Hockey Ultimate Team! Mit HUT Rush gibt dort einen angenehm abwechslungsreichen Neuzugang, der euer Team in pfeilschnelle und kurzweilige Partien abseits regulärer, simulationslastiger Abläufe katapultiert. 

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Hier geht es nicht um klassisches Punkten, sondern um Style. Und genau um den haben die Macher zahlreiche neue Challenges gebastelt, deren Abschluss euch regelmäßig mit neuer Währung belohnt, die ihr dann gleich wieder in Kartenpakete investieren könnt. Ob ihr gewinnt oder nicht spielt dabei gar keine große Rolle, denn die Rewards resultieren primär aus einer bestimmten Menge ausgeführter Deke´s und Special Moves. Blutjunge Anfänger sollten davon aber erst einmal die Finger lassen, denn Rush entpuppt sich als überraschend fordernde Ergänzung, in der man ohne Grundkenntnisse in der Execution nichts holen kann. Hinter dem schönen Schein bleibt das Hockey Ultimate Team aber ein elendes Groschengrab, dass immer wieder zu Echtgeldinvestionen lockt und zusätzlich zahlende Spieler nicht nur schneller zum absoluten Traumteam führt, sondern auch gewaltige Vorteile gegenüber regulärn Kontrahenten offeriert, die ohne Booster völlig chancenlos sind. Es bleibt also bei aggressivem Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut, beides „honorieren“ wir einmal mit zehn Punkten Abzug von der Gesamtwertung. 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„NHL 21 lässt mich mit zwiespältigen Gefühlen zurück. Auf der einen Seite überzeugt der massiv erweiterte Karrieremodus mit einer bisher ungekannten Dynamik und lässt Spieler tiefer als je zuvor in die Welt des Profieishockes eintauchen, was den Kauf selbst für Besitzer des Vorgängers rechtfertigt. Andererseits bekommt man neben den obligatorischen Kaderupdates über alle anderen Modi insgesamt nur eine Handvoll Verbesserungen geboten, die in dieser Form auch als einfaches Update nachreichbar gewesen wäre. Dafür entpuppt sich die World of CHEL dank Ranglistenkomponente weiterhin als bestes Arcadeerlebnis im Rahmen sämtlicher gegenwärtiger auf dem Markt befindlicher Sportspiele. Etwas mehr Fokus auf den klassischen Simulationsaspekt hätte dem Spiel allerdings gut getan, denn in regulären Partien gibt es trotz Optimierungen immer noch nervige K.I. – Probleme, auch technisch stagniert der diesjährige Ableger komplett und präsentiert sich längst nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem ist NHL 21 ein zufriedenstellendes Komplettpaket geworden, dass für jeden Geschmack etwas bietet, dafür aber leider auch die obligatorische Abzocke im Hockey Ultimate Team mitbringt.“

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PRO:

+ Sinnvoll erweiterter Karrieremodus…
+ …der dank spürbarer Konsequenzen mit hohem Wiederspielwert aufwartet

+ Realitätsnahe eingefangene Atmosphäre
+ Große Kaderauswahl mit voller NHL-Lizenz
+ Hoher Gesamtumfang
+ Gewohnt gute World of CHEL-Komponente…
+ …mit motiverendem neuen Ranglistensystem
+ HUT Rush als spaßige Ergänzung für erfahrene Spieler
+ Sinnvolle Anpassungen beim Balancing (z.B. Torhüterstärke)
+ Dank verschiedener Schwierigkeitsstufen für Einsteiger und Profis geeignet

+ Passender Soundtrack
+ Angenehm intuitive Bedienung via Gamepad

CONTRA

– Technisch längst nicht mehr zeitgemäß
– Dialoge in der Karriere werden nur in Volltext präsentiert
– Franchise nur mit sehr marginalen Erweiterungen
– Weniger, aber immer noch genügend K.I.-Probleme
– Gelegentliche Komplettaussetzer bei Animationen und Kollisionsabfrage
– HUT mit hohem Fokus auf Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut
– Unausgeglichenes Verhältnis zwischen Arcade- und Simulationsangeboten 
– Teils unübersichtliche Menüführung
– Clubverwaltung im World of CHEL lässt Komfortfunktionen vermissen


                                                   GESAMTWERTUNG:
   
6.3/10
                                                                                (um zehn Punkte abgewertet von 7.3/10)


                                                            MRAUMFANG

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