Marvel´s Avengers – „Helden in der Servicefalle?“

wallpapersden.com marvel s avengers video game 1920x1080

                                                        Getestet und verfasst von General M
 

71pJt20A1CL. SL1000 Iron Man, Captain America und Co. – für lange Zeit waren das Namen, die ausschließlich bei Comicfans für ein Klicken im Hinterstübchen gesorgt haben. Dank des Marvel Cinematic Universe und dessen Vorläufern sind die legendären Helden und Schurken aus der Feder von Stan Lee und zahlreichen anderen kreativen Köpfen längst im Mainstream angekommen. Avengers: Endgame gilt gar als erfolgreichster Film aller Zeiten. Nun versammelt Square Enix die Earth´s Mightiest Heroes erneut, nämlich unter dem Dach eines Spiels mit komplett eigener Story und dem Versprechen über Jahre kostenlos nachgereichter neuer Inhalte. Wir haben die Verkaufsversion über mehrere Tage lang auf Herz und Nieren getestet. Das Urteil fällt zwiespältig aus. 

 
     Hinweis: Sämtliches exklusives Bildmaterial wurde auf der XBOX One X aufgenommen. 

ftfmta

Neue Helden braucht das Land

Wie bereits eingangs erwähnt, haben sich die Macher dazu entschieden, sich inhaltlich komplett von der Filmreihe zu distanzieren und storytechnisch eigene Wege zu gehen. Das ist ausnahmsweise gar nicht so schlecht, denn ein bloßes Nachspielen der umfangreichen Geschichte rund um Thanos und die Infinity Stones, so interessant es vielleicht auch gewesen wäre, hätte letztendlich nichts Neues geboten. Vergesst das alles also ganz schnell, oder legt für eure Spielerfahrungen einfach ein separates Folder in eurem Denkzentrum an. In Marvel´s Avengers sind die ikonischen Helden längst ein gleichermaßen etabliertes wie erfolgreiches Team, dass auf der ganzen Welt wie Superstars gefeiert wird und sich passend dazu sogar entsprechend zu vermarkten weiß. Dabei tut das Spiel gut daran, uns nicht erneut jede einzelne Ursprungsgeschichte aufzutischen. Wer wirklich immer noch nicht weiß, von welchem Planeten Thor stammt oder wie aus dem schüchternen Forscher Bruce Banner ein alles zerstörener Koloss mit grüner Haut geworden ist, sollte sich die jeweiligen Filme zumindest als grobe Vorbereitung zu Gemüte führen. 

aveng7

Unser Abenteuer beginnt aber in der Haut einer auf den ersten Blick sehr viel unscheinbareren Person, nämlich jener der jungen Kamala Khan. Die darf sich dank erfolgreicher Teilnahme an einem Comicwettbewerb gemeinsam mit ihrem Vater als Ehrengast zur Einweihungsfeier des neuen Heldenhauptquartiers samt eigenem Helicarrier Marke S.H.I.E.L.D. an dessen zu einer Art Convention umgebauten Deck im Hafen von San Franciso einfinden. Für das Fangirl natürlich ein wahres Paradies, zumal die fünf gegenwärtigen Mitglieder der Avengers, nämlich Iron Man, der Hulk (aus Sicherheitsgründen in Menschengestalt), Captain America, Black Widow und Thor höchstpersönlich anwesend sind. Die Freude währt allerdings nur kurz, denn der mit der neuartigen Energiequelle Terrigen angetriebene Schlachtkreuzer wird mitten in den Feierlichkeiten vom bösen Taskmaster und seinen Söldnertruppen attackiert. Obwohl die Avengers sich sofort in die Schlacht stürzen, kommt es zur Katastrophe: Ganz San Francisco geht in einer gewaltigen Explosion unter, Steve „Captain America“ Rogers stirbt und die zusätzliche Zerstörung des Terrigenkristalls erzeugt eine Energiewelle, die zahllose Personen in Reichweite mit Superkräften versieht. Weil die Avengers für sämtliche Ereignisse des sogenannten A-Day verantwortlich gemacht werden, löst sich die Heldentruppe schließlich auf und verschwindet komplett von der Bildfläche. 

aveng10

Deren Platz in der Gesellschaft hat fünf Jahre später Wissenschaftler und Terrigenentdecker Dr. George Tarleton übernommen. Zusammen mit seinem omnipräsenten Unternehmen A.I.M. hat es sich der ehemalige Chefforscher der Avengers zum Ziel gesetzt, ein Gegenmittel für die sogenannten Inhumans zu finden, deren bloße Existenz längst weitestgehend als Bedrohung für die Sicherheit der Welt wahrgenommen wird. Hinter der noblen Fassade hat der ebenfalls von der Terrigenstrahlung beeinflusste Tarleton aber deutlich finsterere Pläne mit den unfreiwillig zu Superkräften gelangten Personen, zu denen auch die zum Gummimenschen mutierte Kamala zählt.  Die hat in all den Jahren seit den Ereignissen von San Franchisco anders als die meisten nie aufgehört, an die Unschuld ihrer Helden zu glauben und stellt insgeheim eigene Nachforschungen über den A-Day und den Verbleib der Avengers an. Als eine vielversprechende Spur prompt A.I.M. auf den Plan ruft und Kamala nach einer halbsbrecherischen Flucht vor Tarleton´s Robotereinfängern allein auf sich gestellt in der Pampa strandet, bleibt nur noch eine Option: Die Avengers wieder zu vereinen und den wahren Schuldigen für alle Geschehnisse zu entlarven. Kaum nötig zu erwähnen, dass es sich dabei um ein nahezu unmögliches Unterfangen handelt…

Ein Kessel Buntes

Gute zwölf Stunden Beschäftigung liefert die Hauptgeschichte, ist also ein gutes Stück kürzer ausgefallen als die von Marvel´s Spider-Man auf der PlayStation 4. Auch inhaltlich bewegen sich die Macher nicht ganz auf dessen hohem Niveau. Hinter der erzählerisch sehr ähnlich in Szene gesetzten cineastischen Inszenierung mit ihren vielen aufwendigen Zwischensequenzen stößt man besonders zu Beginn vor allem spielerisch immer mal wieder auf unnötige Längen. Die ersten Stunden erfüllen nämlich nicht nur den Zweck, die bisher noch nicht im Cinematic Universe debütierte Kamala Khan alias Ms. Marvel näher vorzustellen, sondern fungieren überdies auch als (vielleicht etwas zu) umfangreiches, streng linear gestaltetes Tutorial. Während ich über die Beta noch einige Schwierigkeiten hatte, mit der Hauptfigur des Spiels warm zu werden, gelingt das mit der Vollversion glücklicherweise sehr gut. Durch die Einleitung wird klar, dass wir es hier nicht nur mit einem einfachen Fangirl zu tun haben, welches bei jedem noch so kleinen Heldenfund überschwänglich vor sich hinschwärmt, ehe sie schließlich selbst in maßgeschneidertes Latex schlüpft, um den Schurken von A.I.M. mit ihren dehnbaren Gliedmaßen die Hölle heiß zu machen. Kamala´s Entwicklung ist eine von Anfang bis Ende nachvollziehbare, so richtig entfalten kann sich die Figur aber eben erst nach dem langwierigen Einstieg. 

aveng2

Die übrige Riege der Avengers braucht sich dagegen nicht mehr zu etablieren. Nach und nach rekrutieren wir im Verlauf der Geschichte die legendären Recken für unser Team und müssen dabei immer wieder Überzeugungsarbeit leisten. Die bekannten Charakterzüge der Comics und Filme überträgt das Spiel beinahe nahtlos auf seine virtuellen Nachbildungen: Thor beispielsweise ist wie immer grenzenlos von seinen Fähigkeiten überzeugt, Black Widow auch in Notlagen nicht aus der Ruhe zu bringen, Iron Man kloppt am laufenden Band Sprüche und Bruce Banner steht im ewigen Konflikt mit dem Hulk. Das alles sorgt immer wieder für Aha!-Momente, zumal sich auch abseits der Dialoge überall im Spiel zahlreiche Referenzen auf die Vorlage finden lassen. Mit George Tarleton alias M.O.R.D.O.K. hat man zudem einen passenden Kontrahenten gefunden, der zwar nicht ganz mit Thanos mithalten kann, als verrückter Wissenschaftler aber dennoch eine glaubwürdige Bedrohung für das zerrüttete Team darstellt. Dazwischen gibt es Gastauftritte ikonischer Schurken wie dem Taskmaster und Abomination, auch wenn es diesbezüglich leider bei kurzen Auseinandersetzungen bleibt. Tatsächlich hätten eine Handvoll mehr Schurken und damit einhergehende Bosskämpfe dem Spiel ganz gutgetan. Da Marvel´s Avengers als Servicegame konzipiert worden ist und noch über Jahre kostenlosen Storycontent samt neuer Charaktere nachreichen will, wird sich diesbezüglich aber bestimmt bald noch etwas tun. 

aveng6

Die Vertonung ist übrigens ein zweischneidiges Schwert. Ja, es mag gerade für Fans der Filme schwierig sein, dass die geliebten Helden optisch nicht ihren jeweiligen Leinwanddarstellern nachempfunden worden sind und dementsprechend auch nicht so klingen, das hätte andererseits aber auch die Folge, dass die gewollte Eigenständigkeit des Spiels immer wieder negativ beeinflusst werden würde. Außerdem machen zumindest die englischen Sprecher einen exzellenten Job, während die deutsche Synchronfassung für Square Enix´ sonstige Verhältnisse eher gemischte Gefühle hervorruft. Besonders Tony Stark klingt in der hiesigen Vertonunung eher nervig, was durch die permanent einstreuten Oneliner nur noch stärker durchstrahlt. Wesentlich gewichtiger wirkt aber der Umstand, dass sämtliche Sprecher ihre Zeilen separat voneinander aufgenommen haben. Selbst wenn alle Avengers in einem Raum stehen, hat man doch immer das Gefühl, dass sie trotzdem meilenweit voneinander entfernt sind. Dieses Problem hat man bei der Originalsprache nicht. Grundsätzlich schlecht ist die Kampagne bei allem aber keineswegs, erinnerungswürdige Highlights gibt es, davon nur eben weniger und diese zusätzlich auf knapper bemessenem Raum als beim aktuellen Abenteuer des exklusiv auf Sony´s Plattformen auftretetenden Wandkrabblers. Der bleibt zum großen Ärger vieler Spieler übrigens auch in diesem Fall mit seinem Erscheinen ausschließlich auf der PlayStation beheimatet. 

Einsamer Wolf oder Teamplayer?

Mit der offiziellen Freischaltung der Server am heutigen Tag können sich endlich alle Käufer des Spiels zum fröhlichen Miteinander zusammenfinden und sich in den Warzones gemeinsam gegen A.I.M. und seine Roboterhorden stellen. Diese etwas weitläufigeren Gebiete betretet ihr zunächst nach und nach während bestimmter Storymissionen und können bereits dann mit Freunden oder Fremden gemeinsam absolviert werden, dann aber noch mit beschränkter Teilnehmeranzahl. Erst nach Abschluss der eigentlichen Geschichte kehrt ihr mit maximal drei Mitspieler zurück in die eisige Tundra…und das im Idealfall wieder und wieder und wieder. Servicegames bauen darauf, ihre Spieler möglichst lange im Spiel zu halten, ohne dabei Langeweile aufkommen zu lassen. So richtig gelingen will Marvel´s Avengers das ist der Basisversion aber bisher nicht. Die Aktivitäten sind nämlich ebenso wie die Missionsziele immer gleich, außerdem mangelt es an einem narrativen Rahmen. Ferner hat Square Enix wenigstens zu Teilen das Versprechen gebrochen, SÄMTLICHE Inhalte auf Wunsch auf Solo absolvieren zu können. Spätestens wenn ihr euch aber an eine höhere Schwierigkeitsstufe wagt und damit auch gewisse Zielparameter geändert werden, kommt ihr ohne Mitspieler nicht weiter. Dafür verhalten sich die ersatzhalber von der K.I. gesteuerten Kumpanen schlicht zu dämlich. 

aveng1

Gleichzeitig verliert sich das Spiel viel zu sehr in seinem unübersichtlichen Beutesystem. Klar, auch das konsequente Aufleveln und Verbessern der Helden soll für die nötige Langzeitbeschäftigung sorgen. Dessen Umsetzung ist aber im gegenwärtigen Zustand eine der größten Schwächen des Spiels! Nicht nur, dass ihr sage und schreibe neun verschiedene Ressourcen zum manuellen Aufwerten eurer gegenwärtigen Ausrüstung sammeln könnt, auch wird hochwertige Beute gegenwärtig noch etwas zu knausrig für mein Empfinden ausgeschüttet. Der Teufel liegt letztendlich im Detail: Viel zu viele Attribute, viel zu wenig Übersicht und obendrauf Perks, die sich nur dann wirklich gewichtig anfühlen wenn man sie ausreichend spezialisiert in einem darauf abgestimmten Team einsetzen kann. Wer beispielsweise aus Iron Man einen komplett auf den Luftkampf fokussierten Schadensausteiler macht, richtet dafür vielleicht auf dem Boden nur noch wenig aus. Der Hulk gibt einen hervorragenden Tank ab, büßt dafür aber Schaden ein. Zugegeben, die Flexibilität bei der Charakterentwicklung ist generell vorbildlich, auch weil jeder Held drei ganz eigene Talentbäume und mächtige Spezialangriffe besitzt, weshalb sich kein Avenger wie der andere spielt. Das alles funktioniert aber eben einfach nur dann optimal, wenn man ein Team an seiner Seite hat, dass mit den eigenen Präferenzen harmoniert. Bei der zufälligen Spielersuche gestaltet sich das dementsprechend schwer, besonders auf höheren Schwierigkeitsstufen ist der Erfolg maßgeblich von Mikromanagement abhängig. Darunter leidet die allgemeine Zugänglichkeit, Gelegenheitsspieler oder Solisten werden von schwierigeren Herausforderungen quasi ausgeschlossen. 

aveng3

Immerhin kommt das Spiel komplett ohne Pay-2-Win aus. Die nötige Währung für Cosmetics lässt sich über Herausforderungen grinden, auf das Gameplay haben die Unmengen verschiedener Outfits aus dem Store aber keinerlei Einfluss. Ärgerlich ist aber, dass sich besonders hochwertige Kostüme alternativlos hinter hohen Paywalls verbergen. Und die können dann schonmal mit satten fünfzehn Euro zu Buche schlagen, allgemeine Creditpakete gehen sogar bis achtzig Euro, wenn man nicht warten will. Die Macher haben hier wirklich jedes nur erdenkliche Register der zusätzlichen Monetarisierung gezogen. Vieles lässt sich überdies nur über erfüllte Herausforderungen durch die jeweiligen Heldenkarten freischalten (man kann es auch einfach Battlepass nennen), vierzig verschiedene Belohnungen warten pro Avenger darauf, eingesackt zu werden – mit oft unnötig langen Grindprozessen. Neue Helden wie der bereits angekündigte Hawkeye werden zwar kostenlos nachgereicht, deren Heldenkarten müssen aber mit knapp zehn Euro ebenfalls extra bezahlt werden. Wer sich um Outfits nicht schert, kann das alles komplett ignorieren. Weil aber reguläre Ausrüstung nicht sichtbar angelegt werden kann und man sich mit der Zeit doch ein bisschen kosmetische Abwechslung wünscht, werden wohl nur die Wenigsten auf Dauer glücklich mit der Grundoptik der einzelnen Helden sein. Abwerten werden wir deswegen aber trotzdem nicht, obwohl hier am Rande wie in kaum einem anderen gegenwärtigen Spiel abgezwackt wird, was das Konto des Spielers herzugeben bereit ist. 

Kampf mit Schwächen

In Sachen Kämpfe orientiert sich Marvel´s Avengers vergleichbar am Freeflow eines Batman: Arkham Knight und dessen Vorgängern. Und obwohl sich wie bereits erwähnt jeder Held angenehm verschieden anfühlt und über komplett eigenes Animations- und Movesets verfügt, erreicht keines davon die Perfektion des Dunklen Ritters. Zwar ist jeder Charakter dazu in der Lage, sich im Nah- und Fernkampf dem Roboterarsenal von A.I.M. zu erwehren, das nahtlose Verketten von Angriffen funktioniert hier aber bei weitem nicht so gut. Dafür verliert sich das Spiel in großen Gefechten zu sehr in seiner beschränkten Übersicht. Wenn man beispielsweise gerade mit Black Widow gegen einen Satz Bodendrohnen kämpft und die Kamera voll auf diese Auseinandersetzung fokussiert ist, bekommt man die eintreffenden Angriffe weiter entfernter Lufteinheiten nur durch einen viel zu kleinen, viel zu schlecht im Effektgewitter hervorstechenden Indikator angezeigt. Denen dann auszuweichen ist nahezu unmöglich. Was wie eine bloße Kleinigkeit klingt, trägt aber viel dazu bei, dass man sich immer wieder die Frage stellt: „Warum eigentlich bemühen?“

aveng8

Dementsprechend steckt man bei aller Sorgfalt auf Ausweichen und Blocken trotzdem immer wieder Treffer ein, die den Charakter ins Straucheln bringen, unsere aktuelle Kombo unterbrechen und den Spieler selbst laufend an den Rand der Frustration führen. Natürlich bringt einen das nicht gleich um, aber es reißt einen trotzdem aus dem Flow. Was das angeht, ist die Fledermaus aus Gotham City einfach einige Nasenlängen voraus. Dessen intuitives Kampfsystem weicht hier einfachem Tastenhämmern, wenn´s nicht gerade gegen Feinde mit Schilden geht. Und das führt so oft zum Ziel, dass man sich taktisch nur wenige Gedanken machen muss, weil das Spiel diese weder voraussetzt, noch angesichts der aus der chronischen Unübersichtlichkeit entstehenden Schwierigkeiten überhaupt erlaubt. Kluges ausweichen und kontern in kurzer Zeitlupe…genau das sind die Momente, in denen sich die Kämpfe wirklich episch anfühlen (man erinnere sich an die geniale Filmsequenz aus Age of Ultron!). Davon gibt´s dank der unflexiblen Kamera nur leider viel zu wenige. Spielerisch bleibt deswegen auch kaum mehr als ein solider Klopper, der deutlich unter seinen Möglichkeiten agiert. 

STARKe Technik

Grafisch braucht sich Marvel´s Avengers nicht vor den Toptiteln der aktuellen Hardwaregeneration verstecken. Obwohl PlayStation 4 und XBOX One dem Ruhestand unmittelbar entgegenblicken, holt Crystal Dynamics noch einmal alles aus den betagten Konsolen raus. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Vor allem die Mimik der Charaktere und die vielen Details bei deren Rüstungen wissen zu gefallen. Zwar erreichen selbst XBOX One X und PlayStation 4 PRO im jeweiligen Grafikmodus nicht die Schönheit eines High End-Rechenknechts mit zusätzlich installiertem HD-Texturpaket, verstecken müssen sie sich aber andererseits auch nicht. Der PC bietet von allem einfach etwas mehr, darunter bei Beleuchtung und Schattendarstellung, etwas prachtvollere Partikeleffekte und natürlich den Vorteil unbegrenzter Bildraten bei nativem 4K. Denn selbst im Leistungsmodus schaffen die erweiterten Konsolen keine durchgehenden 60 Frames pro Sekunde. Stattdessen erhält man dort eher einen guten Kompromiss aus Auflösung und Bildrate. Die schwerwiegenderen Probleme der Beta haben die Entwickler nachträglich gut in den Griff bekommen. Auf der XBOX One X, die sich bei aktiviertem Grafikmodus im Konsolensegment noch am ehesten an die magischen 4K annähert, hält das Spiel die 30 Frames fast durchgehend stabil, lediglich wenn es in der Warzone mit drei Mitspielern mal etwas tumultartiger zugeht, kann die Bildrate ein wenig einbrechen. 

aveng11

Ähnlich sieht es auf der PlayStation 4 PRO aus, die aber deutlich seltener an die durchschnittliche Auflösung der XBOX One X herangelangt und diese andererseits auch nur via Checkerboardrendering erreicht, also nicht nativ ist, was in minimal schlechteren Gesamtergebnissen bei der allgemeinen Bildqualität resultiert. Bei einem Spiel wie diesem ist die Bildrate aber nicht so entscheidend wie beispielsweise bei Rennspielen. 30 Frames reichen vollkommen aus, um dennoch für ein sich jederzeit flüssig anfühlendes Spielerlebnis zu sorgen. Den Standardmodellen fällt dieser Umstand dann schon etwas schwieriger. In effektlastigen Situationen brechen die dynamisch zwischen 720 und 1080p auflösenden XBOX One und PlayStation 4 unterhalb des mittleren Zwanzigerbereichs ein, was zu spürbaren Slowdowns führt, die aber zum Glück nie lange andauern. Trotzdem geht der Siegerplatz im regulären Segment an Sony, denn dort erreicht Marvel´s Avengers im Durchnitt wesentlich häufiger die 1080p. Bei den erweiterten Modellen sehe ich die XBOX One X klar vor der PlayStation 4 PRO. Aber das alles muss man schon bald komplett neu bewerten, immerhin stehen die Nachfolger bereits in den Startlöchern. Käufer können sich jetzt schon auf ein kostenloses Upgrade einstellen, was natürlich vorbildlich ist. 4K bei 60 Frames sollen dann mindestens möglich sein. Wir werden natürlich berichten, wie sich die Avengers auf den neuen Konsolen tatsächlich schlagen. Versprochen! 

aveng12

Ein letztes Wort wie immer zu Soundtrack und Bedienung. Der Score passt super zum Spiel und steht in bester Tradition zu den Filmen, auch wenn das Leitmotiv nicht ganz so prägnant ausgefallen ist. Bei der Bedienung gibt´s dagegen gar nichts zu kritisieren. Von der Menüführung über die Bewegung der Helden und dem Ausführer der Moves begegnet man einer ganz klassisch gehaltenen, intuitiven Bedienung. Zumindest auf den Konsolen, denn wer sich mit Maus und Tastatur über den PC an das Spiel wagt, bekommt es mit einer spürbar unpräziseren Steuerung zu tun. Auch dort ist ein gutes Gamepad also Pflicht! 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Es ist wahnsinnig schwer, bei Marvel´s Avengers zu einer abschließenden Wertung zu gelangen, alleine weil sich durch das Servicemodell über die kommenden Jahre noch eine Menge am Spiel verändern wird. Und dann gibt es da natürlich noch die neuen Konsolen, die technisch nochmal eine ganze Schippe drauflegen werden. Was ich bewerte, ist das, was wir gegenwärtig haben. Das ist eine etwa acht bis zwölf Stunden lange Story mit guten Ansätzen und einer wunderbaren Titelheldin, die aber inhaltlich weniger Highlights aufzufahren weiß als das mehr als doppelt so umfangreiche Spider-Man. Ein Kampfsystem mit Schwächen, dass Button Smashing angesichts anhaltender Übersichtsprobleme jeder Motivation zu Comboplay vorzieht. Ein unnötig komplexes Beute-, Ressourcen- und Spezialisierungssystem. Abwechslungsarmut in der Warzone und mangelnde Möglichkeiten, diese auf höheren Schwierigkeitsgraden ohne menschliche Mitspieler und optimaler Teamabstimmung zu bewälten. Alles umhüllt von einem bisher kaum gekannten Monetarisierungssystem, dass von überteuerten Outfits hinter Paywalls bis zu kostenpflichtigen Battlepasses für kommende Helden wirklich alles abdeckt, um grind- oder zahlungsunwillige Spieler so gut es geht zu melken, all das aber wenigstens ohne dabei das Gameplay irgendwie negativ zu beeinflussen. Es liegt jetzt an den Entwicklern und den Plänen für die kommenden Jahre um zu zeigen, ob Marvel´s Avengers ein Spiel mit Zukunft ist, oder ob man es wie im gegenwärtigen Zustand als kurzweilige Heldenaction abtun kann und es nach der Kampagne im Regal verstauben lässt.“ 

mrramta

PRO:

+ Detailverliebt animierte Helden…
+ …die auch ohne Bezüge zu den Filmen und deren Darsteller funktionieren
+ Kamala Khan als sympathische, neue Figur
+ Episch in Szene gesetzte, über weite Strecken stimmig erzählte Geschichte…
+ …mit tonnenweise Referenzen auf die Comicvorbilder
+ Viele Nebenmissionen mit besonderem Fokus auf einzelne Helden
+ Eindrucksvolle Effekte
+ Cineastische Zwischensequenzen in Echtzeitgrafik
+ Gute Performance, besonders auf leistungsstarken PC´s und erweiterten Konsolen
+ Intuitives, schnell erlernbares Kampfsystem…
+ …bei angenehm unterschiedlichen Gegnertypen
+ Jeder Charakter verfügt über eigene Talentbäume, Angriffe und Spezialfertigkeiten
+ Grundlegend hohe spielerische Freiheit bei der Heldenspezialisierung
+ Warzones lassen sich wahlweise alleine oder mit bis zu drei Mitspielern absolvieren
+ Vier gut ausbalancierte Grundschwierigkeitsgrade…
+ …und optionale, extra knackige Herausforderungsstufen in der Warzone
+ Umfangreiche Tutorials und H.E.R.M.-Übungsareal
+ Hervorragende englische Sprecher
+ Passender Soundtrack
+ Problemlose Bedienung und Menüführung via Gamepad

CONTRA:

– Storytechnisch insgesamt nur wenige neue Ideen und Highlights
– Haupt- und Nebenmissionen sehr linear
– Relativ einfallsloses Leveldesign
– Erste Spielstunden mit zu langwierigem Tutorialcharakter

– Gegenwärtig sehr überschaubarer Heldenkader…
– …Spider-Man nur auf PlayStation verfügbar
– Übersichtsprobleme im Kampf, besonders bei abseits des Sichtbaren agierenden Fernkämpfern…
– …welche jedweden Versuch von nahtlosen Combos immer wieder ruinieren

– Warzones gegenwärtig sehr abwechslungsarm und repetiv…
– …generell gibt es gemessen am Veröffentlichungsstand nach der Kampagne nur wenig zu tun
– Zu viele verschiedenene Ressourcen und übermäßig kompliziertes Wertesystem
– Heldenspezialisierung macht nur im Miteinander mit passend ergänzenden Spielern wirklich Sinn
– Computergesteuerte Helden bei höheren Herausforderungsstufen quasi nutzlos…
– …und dementsprechend so gut wie unmöglich alleine zu bewältigen
– Omnipräsente, stellenweise hart an der Grenze agierende Monetasierungskomponenten 
– Mittelmäßige deutsche Synchronfassung…
– …und generell ein etwas zu nerviger Iron Man
– Unpräzise Maus- und Tastatursteuerung

                                                 GESAMTWERTUNG:     7.2/10

                                 
                                MRAPRÄS

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
   

                                                 ©2020 Wrestling-Point.de/M-Reviews