Hellblade: Senua´s Sacrifice – „Der Teufel im Inneren“

                                          Getestet und verfasst von General M

Stellt euch eine lauschige Kneipe vor, in der sich God of War, Fahrenheit, Horizon: Zero Dawn und Tomb Raider begegnen. Man kommt ins Gespräch, trinkt ordentlich einen über den Durst und haut sich noch eine gute Ladung bewusstseinserweiternder Substanzen in´s Hirn. Am nächsten Morgen wachen alle nackt nebeneinander auf und 9 Monate später entsteht auf wundersame Weise ein Kind. Und sie nannten es „Hellblade: Senua`s Sacrifice“ und veröffentlichten es für PC und PlayStation 4. 

Stimmig

Tatsächlich wirkt Hellblade wie ein Hybrid aus allen oben genannten Titeln. Die Atmosphäre von Tomb Raider, die nordische Mythologie des neuen (noch nicht veröffentlichten) God of War, dazu die Psyche als zentrales Spielelement wie man es aus Fahrenheit kennt und zu guter letzt ein Hauch Horizon als Finish, nur ohne Cyber – Saurier oder dergleichen. In all das fließen aber auch viele frische Elemente ein, welche Hellblade doch zu einer ganz eigenen, ganz besonderen Erfahrung machen. Mit vielen Vor-, aber ebenso auch mit manchem Nachteil. 

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                                      Protagonistin Senua macht sich auf nach Helheim.

Der Spieler schlüpft in die Haut von Senua, die zur Zeit nordischer Sagen ganz alleine aufbricht, um die Tore ins mythische Helheim aufzustoßen und die Seele ihres verstorbenen Gefährten Dillion von den Göttern zurückzufordern. Diese Aufgabe an sich ist schon schwer genug, aber gleichzeitig leidet die Protagonistin auch noch an Psychosen, Wahnvorstellungen und Co. Die Menschen haben seit jeher Kriege gefochten und ganz gleich, ob 50, 500 oder 5000 Jahre her, die Auswirkungen sind immer gleich. Senua musste bereits einiges mitansehen und die Tatsache, dass sie nun permanent Stimmen hört, die ihr wild durcheinander Dinge zuflüstern, machen die bevorstehende Aufgabe nicht wirklich einfacher. Und dennoch stößt sie die Tore nach Helheim auf. Entwickler Ninja Theory, die zuvor unter anderem für das Reboot von Devil May Cry verantwortlich gewesen sind, haben großen Aufwand investiert, um die psychologien Probleme des Charakters wirklichkeitsgetreu zu implementieren und so für den Spieler und allgemein für alle Nichtbetroffenen greifbar zu machen. So führte man Gespräche mit Psychologen und Betroffenen, all diese Ergebnisse flossen in das fertige Spiel ein. Damit ist am Ende gelungen, was dem kürzlich von uns getesteten „Perception“ nicht wirklich gelingen wollte: Das menschliche Handicap, egal ob in körperlicher oder geistiger Form, realistisch und spürbar in ein Videospiel zu implementieren. Auch das grandiose Sounddesign trägt seinen Teil dazu bei, dass vorallem bei der Nutzung guter Kopfhörer eben jene Stimmen von allen Seiten in die Ohren des Spielers eindringen und so eine beklemmende Immersion erschaffen. 

Minimalismus und Finsternis

Natürlich kann man nicht einfach an Helheims Tore klopfen und erwarten, ohne weitere Prüfungen einzutreten. Ein paar alte Götter wollen vorher im Kampf besiegt werden, Senua soll sich als würdig erweisen. Aber das ist noch nicht alles: Gleich zu Beginn wird die Heldin auch noch von der sogenannten Finsternis heimgesucht, die sich in ihrem rechten Arm festsetzt und sich mit jedem Ableben weiter im Körper verbreitet. Sollte die Finsternis den Kopf, das Zentrum der Seele erreichen, ist das Spiel nicht nur endgültig vorbei, auch sämtliche Fortschritte werden gelöscht, was einen unausweichlichen Neustart des gesamten Spiels bedeutet. Was für Dark Souls – Fans erstmal nach einem leckeren Schmankerl klingt, stellte sich aber im Verlauf des Tests als recht einfach zu bewältigende Hürde heraus, da Hellblade im Grunde nicht wirklich ein schwerer Spiel ist und schon einiges an Blödheit erforderlich ist, um so oft den Löffel abzugeben, dass die Finsternis einem wirklich gefährlich werden kann. 

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                              Zu häufiges Ableben resultiert im Permadeath des Charakters.

Im Verlauf des mit circa 8 Stunden Umfang anständig ausgefallenen Spiels erkunden wir diverse Gebiete und das ganz ohne Karten, Wegweiser, Tutorials und Co. Ninja Theory legt besonderen Fokus darauf, dass der Spieler die Mechaniken selbst entdeckt, was angesichts der Tatsache, dass es gar nicht so viele besondere Dinge gibt, die es zu beachten gilt, auch kein großes Problem darstellt. Lobenswert ist außerdem, dass dieser spielerische Ansatz von Anfang bis Ende konsequent durchgezogen wird. Keine Quicktime – Events, keine Hinweise. Was zu Beginn interessant ist, wird im weiteren Spielverlauf aber spätestens dann nervig, wenn man beginnt, sich immer mal wieder in den generischen Gebieten zu verlaufen. Nicht selten lief ich minutenlang in die falsche Richtung, nur um dann irgendwann festzustellen, dass der von mir eingeschlagene Weg unmöglich der Richtige sein kann. Also wieder zurück zum Ausgangspunkt, eine Tatsache, die übrigens durch allgemein viel Backtracking immer mal wieder zum Ärgernis verkommt. Und doch konnte ich mich motivieren, mich bis zum Ende durchzurätseln und durchzukämpfen. Das Ende war dann auch in Ordnung (nicht mehr, nicht weniger), Wiederspielwert ist jedoch kaum vorhanden. Dafür ist das Spiel zu linear aufgebaut. Auch die Rahmenhandlung kann nicht immer voll überzeugen, da die grundlegend nachvollziehbare und unverbrauchte Handlung im nordischen Setting bisweilen oft fragwürdige Twists und Abwege einschlägt, die mehr ver- als entwirren. 

Kopf oder Kampf

Das Gameplay selbst geht dafür sowohl mit Controller als auch mit Maus und Tastatur gut von der Hand. Mit Controller aber dann doch etwas besser. Ein wichtiges Feature ist der Einsatz von Senua´s Sinnen, mit dessen Hilfe sie Collectibles in Form von Schreinen offenbaren kann, die mehr über die Hintergrundgeschichte verraten, ebenso aber auch wichtiges Hilfsmittel bei der Bewältigung zahlreicher Rätsel sind. Da diese allerdings nur wenig Abwechlungs bieten oder aber allgemein zur Wiederholung in anderem Gewand neigen, kommt spätestens nach dem ersten Drittel des Spiels eine gewisse Angst vor neuerlichen „Analysiere Symbol X und übertrage es dann auf Wand Y“ – Rätseln auf. Auch hinsichtlich der Kämpfe gibt es wenig Herausforderung, wenigstens nicht, was ein Spieler mit grundlegender Hack ´n´ Slay – Erfahrung nicht bewältigen könnte. Schade ist hierbei besonders, dass Kämpfe und Rätsel streng separiert voneinander ablaufen, d. h. alles in streng vordefinierten Arealen. Zwischen alledem gibt es keinerlei Begegnungen mit wilden Tieren oder sonstigen feindlichen Elementen, weshalb dir von Wind und Regen geplagte Welt doch irgendwie gewisse Leere innehält. 

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                         Trotz vieler stimmiger Momente wirkt die Welt von Hellblade leer.

Macht was her!

Technisch kann sich Hellblade sowohl auf PC als auch auf der PlayStation 4 sehen lassen. Die Unreal Engine 4 macht einen hervorragenden Job und verleiht besonders Senua einen unglaublichen Detailreichtum, der zum Staunen einlädt. Auch sonst lässt die Engine ihre Muskeln spielen und präsentiert auf allen Systemen eine tolle Atmosphäre, hübsche Licht- und Wettereffekte und insgesamt weitläufige Areale. Klar unterscheiden sich die Plattformen voneinander, aber man benötigt schon ein waches Auge, um Feinheiten wie besser aufgelöste Schatten und die etwas feinere Ausleuchtung der PC – Version neben dem nativen 4K – Support deutlich zu bemerken. Dafür läuft die Konsolenfassung aber auch nur mit halber Bildrate, das aber stabil. 

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        Mit dem beigefügten Fotomodus lassen sich tolle und stimmungsvolle Bilder machen.

Zusätzlich kann man mit dem Fotomodus, der sich jederzeit bequem über das Hauptmenü aktivieren lässt, tolle Momentanaufnahmen unter Zuhilfenahme zahlreicher Filter und Feineinstellungen machen und diese dann mit Freunden oder der Community teilen. Horizon lässt grüßen. Man muss hierbei anmerken, dass hinter Hellblade kein Tripe A – Budget steht, sondern eher mit kleinem Budget realisiert wurde. Was man am Ende damit erreicht hat, ist beeindruckend und stellt manch anderen Titel locker in den Schatten. Tatsächlich machen auch die englischen Sprecher ihre Sache sehr gut, die entsprechenden deutschen Untertitel sind sauber übersetzt. Die musikalische Untermalung ist passend, die Geräuschkulisse zusätzlich zur grandiosen Stimmenuntermalung hervorragend umgesetzt. 

Fazit und Wertung

ava2 „Hellblade ist einer der Titel, die ich schon lange Zeit gespannt im Auge behalten habe. Das fertige Ergebnis hat mich dann in Sachen Technik durchaus begeistern können und bietet spielerisch viele gute Ansätze, kommt aber insgesamt nicht ohne Schwächen daher, die ihm eine Wertung im Bereich der 90% und mehr nicht gestatten. Rätsel und Kämpfe wirken vom restlichen Spiel abgeschottet, der Spielverlauf selbst ist streng linear und bietet nach einmaligem Durchspielen keinerlei zusätzlichen Herausforderungen und auch die Story verheddert sich stellenweise im Überschuss eigener Ambitionen. Auch könnte das Permadeath – System fordernder und konsequenter sein. Alleine jedoch der grandiose Umgang mit psychischen Problemen, die exzellente Umsetzung der Psychosen und das tolle Sounddesign in Sachen Stimmwahrnehmung verdienen es, dass jeder einen Blick auf Hellblade wirft, der ihn erübrigen kann. Zum fairen Preis von knapp 30€ ist es das allemal wert.“

PRO:

+ Hervorragende Animationen 
+ Hübsche Effekte
+ Unverbrauchtes Setting
+ Bisher beispiellose Implementierung psychicher Krankheiten als Spielelement
+ Senua als neuer Typ Protagonistin
+ Angemessener Umfang
+ Fairer Preis
+ Foto – Modus
+ Gute englische Sprecher
+ Eingängige Bedienung
+ Sammelobjekte geben Auskunft über Mythologie
+ Exzellentes, packendes Sounddesign
+ Technisch saubere Umsetzung
+ Kommt ganz ohne Interface aus

CONTRA:

– Wenig Wiederspielwert
– Backtracking
– Mitunter verirrt man sich und geht minuntenlang in die falsche Richtung
– Einige verwirrende Handlungselemente
– Permadeath kaum bedrohlich
– Rätsel und Kämpfe wirken völlig ausgegliedert
– Leblose Flora und Fauna
– Stellenweise generische Areale

GESAMTWERTUNG:     81%

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.

 

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