Heavy Rain – „…aber die Kinder waren verschwunden.“

                                                 Getestet und verfasst von General M 

Heavy Rain Cover ArtDie Nachricht grenzte schon an ein kleines Wunder: Da verlor Sony, das im Konsolenkrieg wohl protektionistischste Unternehmen überhaupt, mal eben die exklusiven Vertriebsrechte für drei seiner wichtigsten Titel der letzten und gegenwärtigen Hardwaregeneration. Entwickler Quantic Dream bringt damit erstmals drei seiner vormals ausschließlich für die PlayStation erhältlichen und vielfach preisgekrönten Titel auf den PC. Den Anfang macht Heavy Rain, dass seinerzeit durch seine neuartige cineastische Inszenierung und seine ungewöhnlichen Bedienmechaniken für eine kleine Revolution im Genre sorgte. Wie gut der Epic Store-Exklusivtitel sein PC-Debüt gemeistert hat, klärt unser Test. Spannt lieber schon mal den Regenschirm auf, denn es wird nass. 

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Wer ist der Origami-Killer?

Wir schreiben das Jahr 2011. In einer nicht näher benannten amerikanischen Großstadt treibt bereits seit geraumer Zeit ein Serienmörder sein grausames Unwesen, der gezielt zur herbstlichen Regenzeit zuschlägt und bereits für den Tod einiger Kinder verantwortlich ist, deren Leichen stets ertrunken und mit einer Origamifigur aufgefunden wurden. Polizei und FBI stehen unter großem Druck, den sogenannten Origami-Killer endlich dingfest zu machen, können aber bisher keinerlei Erfolge vorweisen. All das sind Probleme, mit denen sich Ethan Mars nicht herumschlagen muss. Der erfolgreiche Architekt bewohnt mit seiner Frau und seinen zwei jungen Kindern Jason und Shaun ein geräumig-komfortables Anwesen in einem lauschigen Vorort und genießt das Dasein als Ehemann und Vater in vollen Zügen. Als Jason jedoch eines Tages bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, bricht die heile Welt von Ethan inmitten eines Sekundenbruchteils völlig zusammen. 

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Unfähig, über den Tod seines Sohnes hinwegzukommen, lebt der mittlerweile von seiner Frau getrennt Ethan zwei Jahre später in völliger Einsamkeit und Verwahrlosung in den Tag hinein. Der Kontakt zu seinem verbliebenen Sohn Shaun ist distanziert und kühl, zu schwer lasten Trauer und Schuldgefühle auf dem Mann, der seit dem Unglück nur noch ein Schatten seiner Selbst ist. Da passiert das Unvorstellbare: Ausgerechnet Shaun wird vom Origami-Killer als nächstes Opfer auserkoren und vor Ethan´s Augen entführt. Um seinen Sohn jemals wieder lebendig wiedersehen zu können, muss Ethan eine Handvoll Prüfungen bestehen, um seine Liebe zu Shaun zu beweisen. Die Aufgaben stellen sich als brutale Leidensakte heraus, an denen alle Probanden zuvor gescheitert sind. Doch Ethan ist fest entschlossen, seinen verbliebenen Sohn zu retten. Auf seiner Odyssee des Grauens begegnet er der unter Schlaflosigkeit leidenden Journalistin Madison Page, die eine sensationelle Story wittert, mit der Zeit aber auch ihr Herz für den geheimnisvollen Fremden aus dem Zimmer nebenan entdeckt, der mit immer schlimmeren Wunden von seinen Ausflügen zurückkehrt.  

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Gleichzeitig stellt der Privatdetektiv Scott Shelby in den dunklen Ecken der Stadt im Auftrag der hinterbliebenen Eltern vergangener Opfer eigene Ermittlungen an. Die Prostituierte Lauren, die ebenfalls bereits ihren Sohn an den Killer verloren hat, schließt sich ihm alsbald bei der Suche an. Aber auch das FBI und die lokalen Einsatzkräfte arbeiten fieberhaft und unter den Augen der Öffentlichkeit daran, den Jungen zu retten und den Verantwortlichen endlich dingfest zu machen. Doch die Zusammenarbeit zwischen dem drogensüchtigen Agenten Norman Jaden und seinem gewalttätigen Partner Carter Blake verläuft zunächst alles andere als gut. Da kommt ein ungeheurer Verdacht auf: Ist Ethan Mars der Origami-Killer? Und hat er wirklich seinen eigenen Sohn entführt? Doch die Zeit für die Wahrheitsfindung läuft gnadenlos ab, denn während sämtliche Beteiligten auf ganz eigene Weise dem Killer immer näher kommen, füllt sich der Wassertank, in dem Shaun Mars gefangen ist, immer weiter mit dreckigem Regenwasser…

Ein Ziel, viele Möglichkeiten

Kaum ein Spiel setzt sich auf so packende und eindringliche Weise mit dem Verlust geliebter Menschen auseinander wie Heavy Rain. Dank filmreifer Inszenierung und dem Einsatz damals neuester Motion Capturing-Technologien erschuf David Cage ein hochspannendes, düsteres und kompromissloses Meisterwerk, welches in vielerlei Hinsicht bis heute als unerreicht gilt und den Spieler jeden noch so grausamen und emotionalen Aspekt seines Drehbuchs hautnah miterleben lässt. Was Heavy Rain so einzigartig macht, ist aber nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Art und Weise, wie der Spieler sie erleben kann. Das Spiel ist anders als viele andere Genrevertreter nämlich nicht linear aufgebaut, sondern passt sich stets den getroffenen Entscheidungen des Spielers an. Es liegt somit ganz bei einem selbst, ob man als Ethan die Prüfungen des Killers erfüllt oder nicht, ob man Jaden´s Drogengelüsten nachgibt oder den Entzug durchhält oder ob man als Shelby bereit ist, Zeugen mit Gewalt einzuschüchtern, um Antworten zu erhalten. Welchen Weg man am Ende auch immer gegangen ist, es warten zahlreiche verschiedene Enden auf den Spieler. Manche davon sind gut, manche verlustreich und andere enden für alle früher oder später im tödlichen Desaster. 

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Das erzählerische Konzept funktioniert bis heute und wurde vom Franzosen Cage und seiner Spieleschmide Quantic Dream auch in den folgenden Spielen beibehalten. Selbst wenn man an einer Ecke scheitert, muss das noch nicht das Aus bedeuten, da man abwechselnd in insgesamt drei unabhängig voneinander agierende Charaktere schlüpft, die allesamt nicht unterschiedlicher sein können. Gelegentlich kreuzen sich die Wege, alles in allem agieren sämtliche Figuren aber autonom, was die Variablen für das Finale nochmal deutlich erhöht. Der Clou bei Heavy Rain liegt in seiner Schonungslosigkeit und der Art und Weise, wie diese an den Spieler getragen wird. Hätten wir es hier mit blasseren Charakteren zu tun, wären auch die folgenreichsten Entscheidungen leicht zu treffen. Da das Spiel aber extrem viel wert auf Charakterzeichnung legt, leidet man vor dem Bildschirm auch automatisch mit. Die getroffenen Entscheidungen werden zu einem Abbild der Moral des Spielers, die Rettung von Shaun zur Rettung der eigenen Seele. Wie weit würdest du gehen, um jemanden zu retten, den du liebst? Um diese Frage drehen sich nahezu sämtliche Ereignisse in Heavy Rain

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Wer sämtliche Enden sehen will, darunter auch ein gut verstecktes, muss aber zum Glück nicht jedes Mal einen erneuten Durchgang starten, zumal gerade der Einstieg doch ein kleines bisschen zäh geraten ist. Via Kapitelauswahl lässt sich der Progress zu einem früheren Zeitpunkt zurücksetzen und von dort aus in eine beliebige neue Richtung weiterführen. Nicht in dem detaillierten Ausmaß eines Detroit: Become Human, aber mit genug Randinformationen um zu wissen, welche zentralen Entscheidungen das Spiel zu diesem Punkt bereits prägen. Heavy Rain war damals für mich einer der Gründe, mir eine PlayStation 3 zuzulegen und hat mich am Ende tief bewegt zurückgelassen. Es ist eine ganz und gar einzigartige Spielerfahrung, eine der besten des gesamten Genres und nocht zuletzt eine der erinnerungswürdigsten aller Zeiten. Wer spannende Geschichten mit hoher Entscheidungsfreiheit, komplexen Figuren und düsterer Atmosphäre liebt, kommt um Heavy Rain auch über 9 Jahre nach Erstveröffentlichung nicht herum. 

Der Zahn der Zeit

Während Heavy Rain auf der PlayStation 3 noch in 720p lief, dabei aber für seine Zeit grandios aussah, spendierte man der Jahre später nachgereichten PlayStation 4-Version zumindest eine höhere Auflösung und eine deutlich stabilere Bildrate. Für das Debüt auf dem PC griffen die Entwickler nochmal tief in die Trickkiste, Heavy Rain unterstützt nun erstmals natives 4K und saubere 60 Frames für butterweiches Gameplay. Zahlreiche Regler, darunter für Schatten- sowie Texturqualität sorgen dafür, dass sich das Spiel auch bestens auf Mittelklassehardware anpassen lässt. Dank hervorragender Optimierung zeigt sich das Spiel aber selbst auf maximalen Settings relativ genügsam, lediglich für 4K-Auflösungen wird eine leistungsstarke Grafikkarte verlangt, empfohlen wird gar eine Nvidia Geforce GTX 1080 oder ein gleichwertiges Äquivalent von AMD. Für Full HD und maximale Details reicht aber schon ein GTX 970, bereits dann wird auch die angepeilte Bildrate durchgehend erreicht. Und selbst dann sieht das Spiel dank aufgehübschter Texturen und Effekte sowie verbesserter Kantenglättung schon deutlich besser aus als auf der PlayStation 4. 

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Der Support für natives 4K sorgt dafür, dass Heavy Rain einerseits nie besser ausgesehen hat, andererseits aber auch nicht mehr verstecken kann, dass das Spiel bereits bald 10 Jahre auf dem Buckel hat. Viele schwache Texturen sind geblieben, vor allem an den vielen Spielumgebungen hat der Zahn der Zeit deutlich genagt. Am ehesten profitieren noch die Charaktermodelle von den Verbesserungen (wobei auch die nicht mehr wirklich mit gegenwärtiger Technik mithalten können), alles andere wirkt aber abseits des noch immer toll ausschauenden Regens altbacken und teils überraschend steril. Wer sich die PlayStation 3-Erstveröffentlichung als letzte Erinnerung an das Spiel behalten hat und nun auf dem PC noch einmal ein Stück Kindheit erleben will, könnte angesichts der Optik doch ein wenig erschrecken. Die grandiose Atmosphäre ist immer noch da. Aber der Rest wirkt trotz Verbesserungen dann doch eher nostalgisch und vermag es nicht, seine technischen Ursprünge zu verbergen. Dem Spielspaß tut das aber kaum Abbruch, denn dank der fantastisch erzählten Geschichte ist die legendäre Immersion von Heavy Rain auch hier gegeben. Dafür wird die PC-Version gegenwärtig immer mal wieder von Abstürzen bei Szenenübergängen geplagt. Hier muss Quantic Dream dringend nachbessern. 

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Zu der Immersion trägt auch die damals wie heute gewöhnungsbedürftige Steuerung bei. Selbst kleinste Interaktionen sind an passende Eingaben gekoppelt und erinnern in ihrer Natur stets an ein Geschicklichkeitsspiel á la Heißer Draht. Die Unmengen an Quicktime-Events mögen heute veraltet und ungeliebt sein, fügen sich aber mechanisch gut ins Spielgeschehen ein. Für den PC hat Quantic Dream abseits von regulärer Bewegung und Dialogen sämtliche dieser Eingaben auf die Maus übertragen. Das Ergebnis ist weniger gelungen, denn die Maus entpuppt sich leider nicht als idealer Ersatz für den DualShock-Controller, der in seiner dritten Revision auch über Bewegungssensoren verfügte und daher immer mal wieder geschüttelt oder hin und her bewegt werden musste. Nun gilt es, die Maus zu schütteln. Und das wartet auf dem Pad nicht selten in einer seltsam anzusehenden Hektik aus, bei der das Eingäbegerät mangels dreidimensionaler Bewegungsfreiheit immer wieder zickt. Spielbar ist Heavy Rain mit Maus und Tastatur, aber ein wirklicher Genuss ist es nicht. Das Gamepad bleibt das Maß aller Dinge und wird DRINGEND angeraten.

Jason! 

Einer der eigentlich tragischsten Momente des Spiels, nämlich die Suche nach Jason im Einkaufszentrum zu Beginn des Spiels, geriet über die Jahre unfreiwillig sogar zum Meme im Netz. Kein Wunder, denn die Synchronisation des Spiels war nie auf Spitzenniveau. Während es die englische Fassung aber bei dem kleinen Schnitzer beließ und sonst mit guter Vertonung glänzen konnte (alleine schon aufgrund des fantastischen Scores von Normand Corbeil), sackte die deutsche Synchronfassung aufgrund mit weniger Ausnahmen (Scott Shelby und Madison Page) durchwachsener Sprecher im Vergleich dazu hemmungslos ab.

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Die immerwährenden Rufe nach Sohn Jason geraten hier endgültig zur Lachnummer. Zum Glück bot schon die Urversion zahlreiche Sprachen und passende Untertitel, auf dem PC ist das nicht anders. Mein persönlicher Tipp: Mindestens englische Sprache mit deutschen Untertiteln kombinieren. Die Immersion wird dadurch gewaltig angehoben. Die durchgehend hohe Sprecherqualität eines Detroit: Become Human oder dessen Vorgänger Beyond: Two Souls erreicht Heavy Rain aber nie, ganz gleich in welcher Sprache man auch spielt.  

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Wie auf der PlayStation 4 muss man übrigens auch auf dem PC auf die weiterhin exklusiv für die PlayStation 3 verfügbare Bonusepisode verzichten, die eigentlich nur den Auftakt zu weiteren Nebengeschichten darstellen sollte und Reporterin Madison in einen extrem spannenden Kampf auf Leben und Tod versetzte. Leider wurde aus weiteren Episoden nichts, weshalb auch hier konsequent auf die Beigabe verzichtet wurde. Für die Story selbst sind die Ereignisse zwar nicht wirklich wichtig, als Vertiefung für die Probleme und Motivationen Madisons sind sie allerdings eine hervorragend gemachte Ergänzung. Schade.

Fazit und Wertung

ava7„Auch knapp zehn Jahre später hat Heavy Rain nichts von seiner sogartigen Wirkung verloren. Das nicht lineare Storytelling, die erwachsene Geschichte und die tolle Charakterzeichnung sorgen dafür, dass das Spiel selbst im Jahr 2019 noch deutlich demonstriert, warum es seit seiner Erstveröffenlichungen zu den absoluten Pflichttiteln seines Genres zählt. PC-Spieler freuen sich über flüssige Bildraten und 4K-Grafik zum fairen Preis, müssen dafür aber mit einer mittelprächtigen Maus- und Tastatursteuerung Vorlieb nehmen. Auch technisch hat der Zahn der Zeit trotz zahlreicher Verbesserungen stellenweise heftig am Gesamteindruck genagt. Dem Spielspaß tut das allerdings keinen Abbruch. Zum Gamepad wird aber dringend geraten. Dann erwartet euch auch am PC eine Reise, die noch lange nachhallen wird.“ 

Pay-2-Win/Miktrotransaktionen: Heavy Rain bietet keinerlei kostenpflichtige Zusatzinhalte oder Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile verschaffen zu können. Eine Abwertung nehmen wir daher nicht vor. 

PRO:

+ Unerreicht spannendes und ergreifendes Storytelling
+ Vielseitige, glaubhafte Charaktere
+ Hoher Wiederspielwert dank zahlreicher verschiedener Enden
+ Saubere PC – Portierung mit vielen sinnvollen Verbesserungen
+ Fairer Preis
+ Zugängliche Bedienung via Gamepad…
+ …mit drei verschiedenen Anspruchsstufen
+ Zeitlos fantastischer Soundtrack

CONTRA:

– Optisch trotz Optimierungen insgesamt nicht mehr zeitgemäß
– Durchwachsene Synchronisation
– Fummelige Maussteuerung
– Bonusepisode nicht enthalten

– Gelegentliche Abstürze bei Szenenübergängen
                                                                  
                                                 GESAMTWERTUNG:     8.0/10

                                                             MRSTORY

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