DIRT 5 – „Chrom, Qualm und Dreck“

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                                                       Getestet und verfasst von General M 

91Gjw9d9d0L. SL1500 Kaum ein anderer Entwickler kann auf eine so lange Tradition bei der Erschaffung hochwertiger Rennspiele zurückblicken wie Codemasters. Alleine mit dem alljährlichen Update zur Formel 1 beweisen die Briten, dass sie sich ihren guten Ruf zurecht verdient haben. Die Wurzeln des Unternehmens findet man jedoch nicht auf schnödem Asphalt, sondern auf Schotterpisten. Nach dem simulationslastigen Dirt Rally 2.0 treten die Tourenwagen jetzt pünktlich zum Launch der neuen Konsolengeneration wieder auf arcadigeren Gefilden gegeneinander an. Das Ergebnis kann sich nicht nur optisch sehen lassen, sondern verspricht auch spielerisch viel kurzweilige Unterhaltung. Wie gut sich DIRT 5 fährt und welche Verbesserungen auf XBOX Series X|S warten, klärt unser Test.

                   Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der XBOX Series X erstellt. 

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Schmutzige Angelegenheiten

DIRT 5 katapultiert euch ohne große Umwege direkt in die Action. Egal ob ihr euch als Solist direkt in die Karriere werft und über verschiedene Eventkategorien auf exotischen Schauplätzen in der ganzen Welt nach virtuellem Gold jagt, oder im Multiplayer mit anderen Spielern um einen Platz auf dem Treppchen streitet, alles geht so intuitiv und zugänglich von der Hand, dass man selbst als Anfänger nie das Gefühl hat, unbedingt ein Tutorial zu benötigen. Dem Charakter als Arcaderacer wird das Spiel aber nicht nur dahingehend gerecht. Traktion, Reifendruck und Co. spielen hier keine Rolle. Einfach das Gaspedal durchdrücken, im richtigen Moment kurz auf die Bremse drücken oder alternativ mit eleganten Drifts in die Kurven gehen und sich bei alldem nicht dumm anstellen, dann kann gar nicht mehr viel schiefgehen. Wer mag, kann sich seinen Weg an die Spitze aber auch durch absichtliches Rammen oder Abdrängen gegnerischer Fahrer erkämpfen. Kurzum, den Voraussetzungen seines Genres wird DIRT 5 absolut gerecht. 

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Was jetzt nach einem Spaziergang im Park klingt, bietet glücklicherweise immer noch genügend Anspruch, um nicht das Gefühl zu vermitteln, dass man Siege einfach so geschenkt bekommt. Die Gegner verteidigen ihre Positionen konsequent, reagieren aber angenehm fair auf unser Fahrverhalten. Frustrierende Auseinandersetzungen mit der K.I. habe ich nicht erlebt. Wenn es dann doch einmal nicht zum ersten Platz reicht, klappt es damit spätestens beim zweiten oder dritten Versuch. Nerviges Rubberbanding bleiben einem ebenso erspart. So fährt man stets mit dem befriedigen Gefühl, dass die hart erkämpfen Sekunden Vorsprung auch etwas bedeuten. Eine wertvolle Kleinigkeit, die zuletzt immer weniger Genrevertreter richtig hinbekommen haben. Wem die ganze Sache trotzdem zu schwer ist, schaltet einfach eine Schwierigkeitsstufe runter, während chronisch unterforderte Rennfahrer einfach die Gegenrichtung einschlagen. Unabhängig davon lassen sich zahlreiche optionale Hilfe nach ganz persönlichen Anforderungen zuschalten. Spätestens dann sollte dem ein oder anderen Goldpokal nichts mehr im Wege stehen. 

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Von der entwicklerseitig groß im Vorfeld versprochenen Story spürt man im fertigen Spiel dagegen wenig bis gar nichts. Zwei Kommentatoren stimmen vor jedem Event auf das kommende Rennen ein. Hipp und humorvoll will man rüberkommen, im Ergebnis wirkt das ständige Gelaber aber nur aufgesetzt und extrem lästig. Gut, ich will nach einem knappen halben Dutzend Sportspielen jetzt nicht erneut eine repetive Geschichte vom aufstrebenden Talent vorgesetzt bekommen, aber selbst das hätte immer noch mehr Substanz gehabt als dieser nicht abstellbare Podcast mit dem stetigen Einschlag einer waschechten Midlife-Crisis, dessen Sätze sich in regelmäßigen Abständen wiederholen. Selbst die Einzelrennen, die man als Showdown gelegentlich gegen bestimmte Fahrer austrägt, verfügen über keinen nachvollziehbaren Handlungskern. Aus den Augen, aus dem Sinn. Daraus lernen wir: Besser nicht mit etwas werben, was man am Ende gar nicht liefert. Vorbesteller einer PlayStation 5 kennen dieses Problem. 

Bob, der (Strecken-)Baumeister

Abseits der Karriere steht uns mit Gymkhana ein Modus zur Verfügung, der ganz auf Style und Geschicklichkeit setzt. Hier gilt es, einen bestimmten Parcours in möglichst kurzer Zeit zu absolvieren. Dabei sorgt die Community tatkräftig dafür, dass es euch nie an Strecken mangelt. Der umfangreiche Editor ist nach kurzer Eingewöhnung gut zu händeln und ermöglicht es euch, einen Parcours ganz nach euren persönlichen Vorlieben zu gestalten. Ob es sich dabei um chillige Strecken für Zwischendurch oder komplexe Konstruke mit Profianspruch handelt, liegt ganz bei euch. Eure Ergebnisse dürft ihr dann anschließend nach Wunsch mit dem Rest der Welt teilen, gleichzeitig stehen euch natürlich auch die Kreationen anderer Spieler zum Ausprobieren zur Verfügung. Die dabei erreichten Zeiten lassen sich im Anschluss im Rahmen einer Rangliste mit denen anderer Spieler vergleichen. Alternativ gibt´s auch noch eine ganz gewöhnliche Einzelspielerergänzung in Form schneller Rennen und Zeitfahren. Da weiß der Multiplayer deutlich mehr zu bieten. Zwar gibt es auch hier ganz konventionelle Events á la Karrieremodus wie zum Beispiel das Abfahren von Kontrollpunkten, noch mehr Spaß machen aber die ungewöhnlicheren Subkategorien.

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Im „Vampir-Modus“ hat ein zufällig ausgewählter Spieler die Aufgabe, als Vampir vor Ablauf der Zeit alle anderen Fahrzeuge in der Arena in seinesgleichen zu verwandeln. Die einzige Option: Das Gaspedal durchdrücken und möglichst viel Abstand zwischen sich und die zunehmende Schar von Infizierten zu bringen. In „König“ werden dagegen maximal zwei Kronen in der Arena platziert, die eingesammelt und so lange wie es geht gehalten werden müssen. Je länger man im Besitz der Krone ist, desto mehr Punkte sammelt man auf seinem Konto an. Wird man von einem Gegner gerammt, geht das begehrte Objekt auf ihn über und der Jäger wird der neue Gejagte. Wer auch immer im Besitz der Krone ist, verliert konstant Münzen, mit denen die Verfolger ihren Punktestand wenigstens teilweise ausgleichen können. Last but not least gibt es noch „Transporter“, der im Kern sehr an Capture the Flag erinnert…nur eben ohne Flagge. Sammelt das Objekt auf und bringt es sicher zum Ziel um zu punkten, während eure Kontrahenten auch hier alles daran setzen werden, um sich die Transportgüter unter den Nagel zu reißen und dieses selbst abzuliefern. Das alles klingt nach einer Menge Spaß? Yep, macht es auch. Und wem das noch nicht genügt, für den bietet DIRT 5 sogar einen lokalen Split Screen-Modus für maximal drei Mitspieler. 

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Im Lackierungseditor könnt ihr eure Fahrzeuge übrigens mit neuen Anstrichen und Decals verzieren, die ihr über bewältigte Herausforderungen während der Karriereevents freischalten könnt. Tiefgehende Veränderungen sollte man sich aber nicht erhoffen, die Möglichkeit zur Personalisierung des Lieblingsflitzers sind sehr rudimentär und bewegen sich damit auf gleicher Ebene wie das Schadensmodell der zahlreichen mit viel Liebe zum Detail umgesetzten Lizenzfahrzeuge vieler namhafter Hersteller. Über ein paar Kratzer im Lack und zerbeulte Karosserien bewegt sich DIRT 5 nie hinaus. 

Mit der Lizenz zum Autowaschen

Dirt ist nicht nur der Titel, sondern auch allgegenwärtiges Programm des Spiels. Sandpisten wirbeln meterhoch Staub durch die Luft, der sich mit der Zeit auch sichtbar auf eurer Karosserie festsetzt. Setzt dann auch noch Regen ein, verwandelt sich die Strecke in Windeseile in eine Matschpiste. Dadurch ändert sich nicht nur das Handling eurer Fahrzeuge spürbar (wenngleich immer noch in sehr arcadigem Rahmen), auch würde der Autowäscher eures Vertrauens bei deren Anblick wahrscheinlich einen Herzinfarkt samt Nervenzusammenbruch erleiden. Zahlreiche verschiedene Kameraperspektiven ermöglichen es euch, das effektreiche Wirken von Wetter und Untergrund aus allen erdenklichen Blickwinkeln zu verfolgen. Besonders immersiv ist das Spektakel direkt aus der Cockpit heraus. Wenn Staub und Matsch ebenso wie der dynamisch einsetzende Niederschlag auf eure Windschutzscheibe prasseln, sind die Scheibenwischer im Dauereinsatz. Schade nur, dass die Seitenspiegel dabei komplett tot bleiben, während der Rückspiegel lediglich den Horizon abbildet, davon abgesehen aber keinerlei brauchbaren Informationen über eventuell aufrückende Konkurrenten preisgibt. 

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Was die hauseigene Engine hier leistet, kann sich insgesamt aber dennoch sehen lassen. Auf allen Plattformen, selbst den Standardmodellen der Last Generation, kann sich der Schlammringkampf auf vier Rädern sehen lassen. Hier aber nur mit maximal 30 Frames pro Sekunde bei höchstens 1080p und reduzierter Bildqualität. Darunter leidet primär das Geschwindigkeitsgefühl, welches man bei so einem Spiel einfach über sämtliche qualitativen Belange stellen muss. Besser sieht es auf PlayStation 4 PRO und XBOX One X aus, wo ihr bereits zwischen einem Performance- und einem Qualitätsmodus entscheiden könnt. Letzterer reduziert grafische Details zugunsten möglichst geschmeidiger 60 Frames pro Sekunde, bezahlt das aber mit auffälligen Pop-up´s und besonders auf der PlayStation 4 PRO stellenweise heftigem Tearing. Ganz ähnlich sieht das auf der XBOX One X aus, die aber immerhin ohne Bildzerreißen auskommt und in dem Segment alleine deswegen eindeutig vorzuziehen ist. Im Grafikmodus wird dann ohne Rücksicht auf Performance an den Detailreglern geschraubt, dann halbiert sich aber wieder die Bildrate, zusätzliche Einbrüche plagen in besonders effektlastigen Situationen ebenso immer dann, wenn viele Fahrzeuge dicht beieinander sind. Alleine der Start gerät dadurch zur unschönen Ruckelpartie, die sich erst nach und nach wieder entspannt. 

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Deutlich besser lieferen leistungsstarke PC´s ab, welche dank eines kürzlich erfolgten Updates die dringend nötige Option für vertikale Synchronisierung die Deaktivierung dynamischer Auflösungsskalierung erhalten hat. Trotzdem besteht hier weiterhin Optimierungsbedarf, denn selbst gegenwärtige High End-Systeme werden bei maximalen Details und nativem 4K samt aktiviertem Ray Tracing zur Darstellung besonders schöner Wolken (und überraschenderweise wirklich nur dafür) hemmungslos in die Knie gezwungen. Selbst wenn man dieses Feature deaktiviert, erreicht das Spiel hier keine durchgehend flüssigen Bildraten. Auf der XBOX Series S muss man auf Ray Tracing verzichten, freut sich aber immerhin über meistens stabile 60 Frames bei dynamischem 1440p im Performancemodus kombiniert mit einer etwas höheren Darstellungsqualität als der Grafikmodus von XBOX One X und PlayStation 4 PRO. Die kleinen Einbrüche bei Start und Fahrzeugstau treten hier ebenfalls auf, allerdings in sehr viel weniger störendem Maße. Im Grafikmodus nehmen diese Probleme wieder zu, mehr Umgebungsdetails, höhere Partikeldichte, dichtere Zuschauermassen und bessere Schattenqualität entschädigen dafür aber weit über dem Niveau der Last Generation. Dafür wird die Auflösung bei Bedarf runterskaliert. Schön anzusehen bleibt DIRT 5 aber trotzdem. Und lädt dabei dank der verbauten SSD auch noch extrem schnell.

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Auf der XBOX Series X kommt man ebenfalls nicht ohne kleine Kompromisse aus. Der Grafikmodus hievt das Spiel dort auf eine ähnliche hohe Qualität wie die maximierte PC-Version, liefert sogar insgesamt stabilere Ergebnisse (bei weiterhin anhaltenden dezenten Einbrüchen bei Vielverkehrsituationen) inklusive Ray Tracing, bewegt sich dabei aber fast immer auf nativem 4K, mindestens aber 1800p und bleibt durchgehend toll spielbar. Im Performancemodus werden alle angesprochenen Probleme endgültig beseitigt, dieses Mal durchgehend in 4K/60, das aber wieder mit Abzügen in der Overall Quality. Wer über ein entsprechendes Fernsehgerät verfügt, darf sogar eine dritte Option für atemberaubend flüssige 120 Frames aktivieren, muss sich aber mit dynamischer Auflösungsskalierung bei maximal 1440p und ja…ihr ahnt es sicher bereits, einmal mehr reduzierter Bildqualität arrangieren. Trotzdem, drei Optionen für drei Geschmäcker, jede mit eigenen Vor- und Nachteilen und allesamt dennoch so funktional in ihrem jeweiligen Ergebnis wie gegenwärtig auf keiner anderen Plattform. Respekt! Da fragt man sich doch gespannt, wie die ganze Sache nächste Woche auf der PlayStation 5 aussehen wird. 

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Nun sollte man meinen, dass sich ein Rennspiel am besten mit Lenkrad spielen lässt. Pustekuchen, denn den schnellen Richtungswechseln ist nur ein Gamepad gegenwärtig richtig gewachsen. So ärgerlich das für Genreenthusiasten sein mag, die teure Peripherie und damit maximalen Realismus außen vor zu lassen, so sehr steigert es den Spielspaß, wenn man sich trotzdem überwindet. Hier dürfte die PlayStation 5 bei guter Einbindung der adaptiven Vibration des DualSense sogar die Nase vor allen anderen Eingabegeräten haben. Kaum zu erwähnen, dass man mit Maus und Tastatur am PC erst Recht den Kürzeren zieht. Abschließend noch ein dickes Lob für den Soundtrack. Der hat mich von Anfang an optimal abgeholt, so sehr sogar, dass ich mir wünschen würde, auch außerhalb der Menüs in dessen Genuss zu kommen. Aber das ist ja letztendlich Geschmackssache. Notfalls wirft man nebenbei einfach Spotify an und hört, was einem eher entspricht. 

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Dirt 5 ist seit langer Zeit der erste Arcaderacer, der mich spielerisch wieder voll und ganz überzeugen konnte. Ein so gelungener Mix aus unkompliziertem Rennspaß bei gleichzeitig dank fair agierender K.I. gut ausbalanciertem Anspruch und gutem Umfang ist mir viel zu lange nicht untergekommen. Wären da nicht die eklatanten Schwächen bei der Karrierepräsentation samt elendig nerviger Zwischenkommentare, hätte ich wahrscheinlich mit gutem Gewissen die 9.0 gezückt. Die gegenwärtig beste Kombination aus Performance und Qualität erhält man auf der XBOX Series X sogar noch vor dem PC, wobei allerdings keine Plattform komplett ohne Abstriche aufschlägt. Ein guter Gesamtumfang, spaßige Mehrspielermodi und ein hohes Maß an Kreativität bei der Erschaffung eigener Gymkhana-Strecken runden das vor allem optisch überzeugende Showcase angenehm ab.“ 

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PRO: 

+ Abwechslungsreich gestaltete Strecken mit hohem Wiedererkennungswert
+ Umfangreicher, mit viel Liebe zum Detail umgesetzter Fuhrpark
+ Wunderschön umgesetzte Partikeleffekte bei Regen, Matsch und Staub…

+ …die sich eindrucksvoll auf der Karosserie festsetzen
+ Angemessen hohe Eventauswahl im Karrieremodus
+ Abseits regulärer Modi herrlich arcadige Mehrspielervarianten…
+ …und funktionelleSplit Screen-Komponente für maximal vier Spieler
+ Umfangreicher, aber zugänglicher Gymkhana-Editor…
+ …dessen Schöpfungen unkompliziert mit der Community geteilt werden können
+ K.I. agiert anspruchsvoll, aber nie unfair
+ Verschiedene Schwierigkeitsgrade und zahlreiche optional zuschaltbare Fahrhilfen

+ Fotomodus
+ Satte, individuelle Motorensounds
+ Exzellenter Soundtrack
+ Gute Bedienung über Gamepad

CONTRA:

– Von der groß im Vorfeld versprochenen Story in der Karriere ist nichts zu sehen
– Extrem nervige Zwischenkommentare…
– …die sich je nach Event rasch wiederholen
– Extrem blasse Showdowns 
– Nur rudimentäre Gestaltungsoptionen
– Seitenspiegel zeigen kein Bild
– Mit Lenkrädern kaum vernünftig spielbar


                                               GESAMTWERTUNG:     8.2/10

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