Detroit: Become Human™ – „Asimov lässt grüßen“

                                                   Getestet und verfasst von General M 

                                                      Ab sofort erhältlich für PlayStation 4 

81u4TtVCzeL. SL1500 Blickt man über die letzten drei Generationen der PlayStation, während man sich auf der Suche nach einem anspruchsvollen, storylastigen Action – Adventure befindet, stößt man dabei mit großer Sicherheit auch auf den Namen David Cage. Mit „The Indigo Prophecies“, hier besser bekannt als „Fahrenheit“, legte das seinerzeit noch junge Entwicklerstudio quanticdream unter der Leitung des Franzosen seinerzeit einen beeindruckenden Start auf PlayStation 2, XBOX und PC hin, ehe das gesamte Studio von SONY aufgekauft wurde und seitdem mit dem gefeierten „Heavy Rain“ und dem weniger geliebten „Beyond: Two Souls“ exklusiv auf der PlayStation ablieferte. Mit „Detroit: Become Human“ steht seit Anfang letzter Woche nun der neueste Titel des ambitionierten Studios in den Läden. Und wir haben nun endlich auch den Test dazu.  

Träumen Androide von elektrischen Schafen?

So viel ich auch gerne über die Handlung preisgeben möchte, um dem Leser ein besseres Verständnis der Handlung zu ermöglichen, so sehr wäre jedes Detail abseits der grundlegenden Rahmenhandlung als Spoiler zu begreifen, weshalb ich mir größte Mühe geben werde, mich so kurz und oberflächlich wie möglich zu fassen. Das Spiel führt uns in ein futuristisches Detroit des Jahres 2038, in welchem dank der Firma CyberLife lebensechte Androiden zur tragenden Säule des Alltags geworden sind. Diese übernehmen all jene Arbeiten, die für Menschen oft nur wenig attraktiv sind, räumen Müll weg, arbeiten auf dem Bau, der Pflege oder als Wachleute. Was zu Beginn als praktische Idee gefeiert wurde, kostet mit zunehmenden Erfolg aber auch immer mehr Menschen ihre Jobs. Immer größere Demonstrationen sind die Folge, immer schwerer wiegen die Anfeindungen gegenüber des synthetischen Lebens, welches von vielen als zunehmende Bedrohung wahrgenommen wird. Und das nicht nur, weil die Androiden so omnipräsent sind, sondern weil sie längst eigene Emotionen entwickelt haben und nun beginnen, mehr und mehr Rechte für sich einzufordern.

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In eben jenem Szenario folgt das Spiel den Schicksalen dreier grundverschiener Androiden. Da wäre zum einen Connor, der als Ermittler bei der Polizei dafür verantwortlich ist, Androiden aufzuspüren, die von der Norm abweichen. Kara, die als Haushälterin für die junge Alice sorgt, welche zunehmend unter ihrem gewalttätigen Vater leidet und Markus, der als Pfleger für den behinderten Maler Carl tätig ist. Jeder der drei Charaktere gerät auf ganz eigene Weisen zwischen die Fronten von Menschen und Maschine. Die folgenden Geschehnisse werfen dabei auch für den Spieler zunehmend die Frage auf, welches Recht auf Gleichbehandlung Androiden verdienen.

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Und das geschieht auf eine so nachvollziehbare Weise, dass man trotz der zahlreichen Entscheidungsfreiheiten, die allesamt auch gravierende Auswirkungen auf den Spielausgang haben können immer auch das Gefühl hat, dass man gar keine andere Wahl hat, als den Androiden positiv gegenüber zu stehen. Obwohl die drei Protagonisten extrem vielseitige und spannende Charaktere darstellen, sorgt die Omnipräsenz von stereotypen, eindimensionalen Nebencharakteren nur selten dafür, dass man als Spieler wirklich den Mut aufbringt, von einer Handlungslinie abzuweichen, die von der mit aller Gewalt vermittelten Ideallösung abweicht. „Detroit: Become Human“ gibt sich wenig Mühe, sein Dasein als Kritik an der gegenwärtigen Gesellschaft zu verstecken, was aber neben einer unglaublich guten Immersion im Rahmen des fantastischen Settings auch stets bedeutet, dass es einem nur noch wenig Luft lässt, das Geschehen am Bildschirm selbst für sich zu interpretieren und darauf basierend zu handeln. Spielerische Freiheit und erzählerische Linearität geraten hier auf einer Metaebene immer wieder derart aneinander, dass man sich gelegentlich die Frage stellt, warum man denn überhaupt so viele Entscheidungen treffen muss, wenn einem die einzig richtige Wahl erzählerisch meist sowieso aufgezwungen wird. Zwar lassen sich durch die zahlreichen Handlungsmöglichkeiten dennoch eine Vielzahl unterschiedlicher, teilweise wirklich extrem konträrer Ausgänge herbeiführen, der bewusste Weg dahin fordert aber stets auch einigen Widerstand gegen das Offensichtliche ein.

Jede Geschichte hat mehrere Seiten

Glücklicherweise darf aber immer wieder zu zentralen Punkten des Spiels zurückzuspulen, um das Geschehen von dort an durch andere Verhaltensweise neu zu erleben. Erstmals in einem Cage – Spiel gibt es sogar ein Flipchart, welches einem alternative Wege aufzeigt, so geht man bei all den Möglichkeiten nie verloren und kann einer intendierten Linie weitaus besser folgen. Dank Statistiken darf man seine eigenen getroffenen Entscheidungen sogar mit denen von Spielern aus aller Welt vergleichen, was sehr interessant ist. All das sollte man aber wirklich erst nach dem ersten Spieldurchgang in Angriff nehmen, denn gerade die persönliche Intuition ist es, die das Ende erst spannend macht. Da darf man sich einfach nicht anderweitig beeinflussen lassen. Wer danach trotzdem unzufrieden mit seinen Entscheidungen ist, sollte unbedingt einen zweiten Durchlauf probieren. Der besondere Reiz beginnt ohnehin erst hier, denn je mehr Wege man beschreitet, desto mehr bekommt man auch ein Verständnis für die handelnden Charaktere und ihr Dasein als kleine Zahnräder in einer großen Maschine. Die futuristische Welt erschließt sich einem mit zunehmenden Durchgängen mehr und mehr und hat so auch maßgeblichen Einfluss darauf, ob man sich an bestimmten Punkten nicht doch für eine weniger offensichtliche Lösung entscheiden will. Dadurch bekommt das Spiel einen immensen Wiederspielwert, ja nahezu eine Wiederspielpflicht. Wer nur einmal flink durch das Geschehen rennt, hat am Ende eigentlich gar nichts erlebt. Und ist auch völlig am Kern des Spiels vorbeigerauscht.

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Abseits der stets vorgehaltenen moralischen Keule kränkelt das Spiel aber auch wenig überraschend am Gameplay. Ähnlich den Abenteuern von Telltale Games legt auch „Detroit: Become Human“ mehr Wert auf Story als auf Interaktion oder spielerischem Anspruch. Neben den zu treffenden Antworten im Rahmen der Dialogen und den daraus resultierenden Entscheidungen legt das Spiel extremen Fokus auf Quicktime – Events und belanglose Suchspielchen. Damit bleibt man der Formel bisheriger Veröffentlichungen treu. So etwas wie Bewegungsfreiheit gibt es eigentlich nie, ein Steckenbleiben ist nahezu unmöglich. Schade eigentlich, ist die Welt doch so spannend und glaubhaft gestaltet, dass man sich zu jeder Zeit wünscht, einfach mal aus den vorgegebenen Arealen auszubrechen und mehr vom Detroit der Zukunft zu entdecken. Die forcierten Minispielchen dienen in diesem besonderen Fall zwar auch ein wenig der Immersion, schließlich sind Androiden im Grunde ja nur Sklaven, die Befehle befolgen. Sie helfen somit, sich gelegentlich selbst wie ein Android zu fühlen. Nur macht das nicht wirklich glücklich. Aber vielleicht ist gerade das ja auch wieder so ein Kernelement beim Verständnis? Etwas mehr spielerische Abwechslung wäre dennoch wünschenswert gewesen. Bei all dem bleibt das Spiel dennoch eine faszinierende narrative Erfahrung, die man erlebt und gefühlt haben sollte. Nach dem eher misslungenen „Beyond: Two Souls“ hat Regisseur Cage hier wieder mehr in die Richtung eines Heavy Rain eingeschlagen. Zum Glück, muss man sagen. Denn bei aller Kreativität war Cage´s Schwäche seit jeher immer schon der mangelnde Fokus auf Bodenständigkeit, was besonders dann kritisch wird, wenn er anfängt, sich zu sehr in übernatürliche Elemente zu verbeißen. Das hat er sich hier erfreulicherweise verkniffen. 

Zum Leben erweckt

Aber auch für einen anderen Aspekt ist David Cage und sein Studio seit jeher bekannt, nämlich technische Grenzen zu überschreiten und diese auch neu zu definieren. Dank exzessiven Motion Capturing, für das sich auch dieses Mal wieder bekannte Hollywood – Schauspieler (darunter beispielsweise Clancy Brown und Lance Henriksen) verpflichten ließen, bekommt das Spiel zusammen mit dem hervorragenden, detailverliebten Art Design (welches nur selten etwas schwächelt) einen grandiosen filmischen Look verpasst, der die technischen Vorzüge der PlayStation 4 voll ausnutzt. Zwar bietet die PlayStation 4 PRO gelegentlich ein etwas detailreicheres, schärferes Bild, alles in allem sind die Unterschiede aber so minimal, dass man auch als Besitzer einer der gewöhnlichen Version mit Standardfernseher beherzt zugreifen kann. Die fotorealistischen Mimiken und Gesichtsanimationen gehören definitiv zur gegenwärtigeren Referenz, und zwar auf ALLEN Systemen. Und das bei stabilen Bildraten von 30 Frames pro Sekunde. Respekt! Ferner funktioniert auch die Kameraführung grandios und sorgt so nicht wie bei vielen anderen Spielen dafür, dass man blöd in irgendeiner Ecke festhängt, weil die Kamera einen dort hinmanövriert. Viel mehr sitzt jede Aufnahme so gut, dass man hier wirklich auch von einer tollen cinematischen Choreographie sprechen darf. 

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Aber auch der Soundtrack ist absolut filmreif und untermalt das Geschehen jederzeit passend und sehr einprägsam. Ferner leisten die professionellen Deutschen Sprecher einen fantastischen Job, wahlweise darf man die Sprachausgabe aber jederzeit bequem ändern. So schön und lebendig hat seit Jahren kein Zukunftsszenario in einem Spiel ausgesehen. Und das wird wahrscheinlich auch so bleiben, bis Cyberpunk 2077 erscheinen wird, aber bis dahin wird wohl noch einige Zeit vergehen. Zur Bedienung bleibt abschließend nur wenig zu sagen, da man hier kaum viel zu tun hat, ist die minimalistische Steuerung extrem zugänglich und einfach zu meistern. 

Fazit und Wertung

ava3„Als großer Fan der Arbeit von David Cage, besonders dessen Meisterwerk ´Heavy Rain´ hegte ich seit der Ankündigung von ´Detroit: Become Human´ die innige Hoffnung, dass er sich hier endlich wieder auf seine Stärken besinnt, nämlich starke Charaktere, eine packende Handlung und spürbare Konsequenzen getroffener Entscheidungen. Die große Erleichterung: All das ist ihm gelungen. Zwar wird auch hier erwartungsgemäß nur extrem wenig spielerische Interaktion geboten, was den Anspruch an den Spieler quasi ad absurdum führt, aber diesen Preis bezahlt man gerne, wenn man dafür eine so interessante Geschichte geboten bekommt, die einen dank des toll designten Settings absolut in ihren Bann zu ziehen vermag. Dank der zahlreichen Lösungswege lohnt sich ein mehrfaches Durchspielen definitiv. Technisch ist das Spiel absolut hervorragend und erschafft dank Motion Capturing und lebendiger Spielumgebungen ein eindrucksvolles visuelles Erlebnis. Und doch will ich einer virtuellen Novelle nicht einfach eine Höchstwertung nachwerfen, zumal Cage hier viel zu oft die moralische Keule schwingt und es dem Spieler somit extrem erschwert, das Geschehen selbst angemessen interpretieren zu können. Wer darüber hinwegsehen kann und den Willen aufbringt, sich der Ideallösung bewusst entgegenzusetzen, sollte hier aber definitiv einen Kauf wagen.“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Detroit: Become Human enthält weder Mikrotransaktionen noch fragwürdige Pay-2-Win – oder Lootbox – Mechaniken. Eine Abwertung gibt es daher diesbezüglich nicht. 

PRO:

+ Referenzverdächtige Mimiken und Gesichtsanimationen
+ Lebendiges, glaubhaftes Szenario
+ Hervorragende Besetzung
+ Nachvollziehbare, sympathische Hauptcharaktere
+ Drei unterschiedliche Handlungsstränge, die aber dennoch ein gemeinsamer Kern vereint
+ Enormer Wiederspielwert dank zahlreicher verschiedener Entscheidungswege…
+ …und den damit verbundenen, teils völlig unterschiedlichen Enden
+ Insgesamt sehr umfangreich
+ Einfache Rücksetzpunkte
+ Gewichtige Konsequenzen, die auch auf folgende Kapitel Auswirkungen haben
+ Filmreifer, jederzeit passsender Soundtrack
+ Hervorragende Sprecher 
+ Exzellente Kameraführung
+ Viele Collectibles, welche weitere Infos über die Geschichte geben
+ Nützlicher Flowchart inkl. interessanter Statistiken
+ Zugängliche Bedienung

CONTRA:

– Sehr gemütlicher, beinahe kaugummiartiger Einstieg
– Teilweise sehr anspruchslose Kapitel
– Ab und an etwas sterile Umgebungen
– Stellenweise wirkt das Geschehen künstlich in die Länge gezogen…
– …und zwingt den Spieler zu vielen belanglosen Tätigkeiten
– Teilweise extrem stereotypische Nebencharaktere
– Aufgesetzte, oft zu forcierte Moralpredigten
– Spielerischer Anspruch quasi nicht vorhanden

 
                                                  GESAMTWERTUNG:     82%

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