Blackout
Klingt simpel? Ist es auch. Viel mehr Story hat Crackdown 3 nämlich nicht zu bieten. Stattdessen fungiert die dünne Handlung hauptsächlich dazu, die folgenden zehn bis vierzehn Stunden Spielzeit und die darin enthaltenden Zerstörungsorgien am laufenden Band irgendwie zu rechtfertigen. Damit schlägt die Reihe deutlich in die Kerbe eines Saints Row, verzichtet dabei aber im direkten Vergleich auf den ausufernden Humor und das völlig überzogene Gameplay. Stärken, die man hier wirklich vermisst, denn der dünne rote Faden des Spiels ist derart spannungs- und überraschungsarm gestrickt, dass die Frage nach dem Warum? schneller untergeht als seinerzeit die Titanic. Auch erinnerungswürdige Charaktere sucht man abseits der herrlich überzogen agierenden Terry Crews in der Rolle des Commander Jaxon vergeblich.
Aber die Handlung war nie das ausschlaggebende Spielelement der Reihe, weswegen man hier sicher noch ein wenig Nachsicht haben könnte. Bedenkt man aber, welchen Sprung das Genre der Open World in den letzten Jahren alleine erzählerisch gemacht hat, allem voran natürlich dank Red Dead Redemption II, wirkt Crackdown 3 auf eine Weise altbacken, die keineswegs charmant ist oder gar nostalgischen Charme entfaltet, sondern einfach nur überholt und uninspiriert wirkt. Kann wenigstens das Gameplay überzeugen?
Von unten nach oben
Um New Providence aus dem Würgegriff der Diktatur zu befreien, gilt es zunächst, sich Einlass in die gut gesicherte Stadt zu verschaffen. Darauf warten auch Unmengen von Flüchtlingen, die aber allesamt vor den Toren festhängen. Dazu gehört auch unser Agent, der nach seinem unsanften Erwachen vor den Stadtmauern nur noch ein Schatten seiner Selbst ist und ganz ohne seine üblichen Spezialkräfte auskommen muss. Immerhin findet sich mit der undurchsichtigen Yuno schnell eine willige Helferin, die uns fortan als Stimme im Ohr durch die Spielwelt führt. Um New Providence überhaupt betreten zu können, muss zunächst der für dessen Abriegelung verantwortliche Terra Nova – Scherge ausgeschaltet werden. Gesagt, getan: Kaum haben wir die ersten Türme erklommen und die Generatoren der Sicherheitsanlagen abgeschaltet, zeigt sich der Bösewicht und stellt sich uns zum Kampf.
Dieses Prinzip setzt sich im weiteren Spielverlauf nahtlos fort. Denn um der Schlange Niemand den Kopf abschlagen zu können, müssen die diversen Stadtteile erst vom Einfluss ihrer Untergebenen befreit werden. Die werden aber erst angreifbar, wenn man in ihren Herrschaftsgebieten genügend Probleme verursacht hat. Um beispielsweise K.I. Roxy den Garaus zu machen, müssen erst fünf Bahnhöfe befreit werden. Die entsprechenden Missionsziele orientieren sich dabei generell an den jeweiligen Fachbereichen der Kommandeure und bringen immerhin etwas Abwechslung in das sonst recht monotone Gameplay, retten das Gesamtwerk aber nicht aus seinem eher repetiv gehaltenen Sumpf, da sich die Missionen in ihrer Grundstruktur allesamt gleich anfühlen. Immerhin wirkt New Providence als Spielwelt gut strukturiert und stellt seine in Stadtteile aufgeteilten Gebiete immerhin überraschend vielseitig dar. Dort gibt es nicht nur versteckte Objekte zu entdecken, sondern auch immer mal wieder Nebenmissionen zu absolvieren, wie zum Beispiel Gefangenenbefreiung.
Zwischen den Bosskämpfen zeigen sich die regulären Fußsoldaten, Drohnen und andere Standardgegner leider eher als Kanonenfutter, die nicht selten wie versteinert in der Gegend herumstehen und darauf warten, von unserem immer weiter wachsenden Waffenarsenal über den Haufen gemäht zu werden. Lediglich in der Masse werden sie zur Bedrohung. Etwas mehr Klasse hätte hier aber definitiv geholfen. Auf der höchsten Schwierigkeit ändert sich das nicht, da die Feinde aber hier deutlich mehr Schaden austeilen, muss man zumindest gelegentlich über die richtige Vorgehensweise nachdenken. Zur Auswahl stehen neben einfachen Krachmachern wie Pistolen und Maschinenpistolen nämlich auch gewaltige, teils sehr experimentelle Waffen, die für fette Zerstörung sorgen. Seit Turok 2 habe ich mir gewünscht, endlich wieder schwarze Löcher erzeugen zu können, Crackdown 3 hat mir diesen Wunsch erfüllt und weiß zudem, die verursachten Explosionen effektvoll in Szene zu setzen, dafür machen die vielen Waffen viel zu wenig Krach und auch das Trefferfeedback lässt einen eher enttäuscht zurück.
Praktisch: Erstmals aufgenommene Waffen werden automatisch dem charaktereigenen Arsenal hinzugefügt und können auf den überall in der Welt freischaltbaren Versorgungspunkten jederzeit neu ausgerüstet werden. Drei Waffen dürfen gleichzeitig getragen werden, welche bestimmt ihr frei nach euren Bedürfnissen. Hier kann man auch zwischen den verschiedenen Agenten hin- und herwechseln, weitere Charaktere schalten sich im späteren Spielverlauf frei. Die verfügen ebenso wie die bereits von Anfang an verfügbaren Agenten über einzigartige Perks und sacken zum Beispiel mehr XP bei bestimmten Aktionen ein.
Skills for Kills
Saints Row 4 bot seinerzeit die Möglichkeit, mit gewaltigen Superkräften ausgestattet fast sämtliche Regeln der Physik außer Kraft zu setzen. Über ähnliche, wenngleich nicht ganz so drastische Kräfte verfügt auch der Held in Crackdown 3, muss diese aber erst nach und nach zurückerlangen. Kräfte teilen sich in fünf Kategorien ein, die alle separat verbessert werden können. Welcher Skill eine Aufwertung erfährt, liegt abermals ganz bei euch, denn Crackdown 3 belohnt die vom Spieler präferierte Spielweise. Wer lieber als Pseudo – Spider – Man über die Dächer hüpft und dabei die Wendigkeitsphären einsammelt, darf sich über Boni wie Gleitfähigkeiten und Doppelsprung freuen, die das Manövrieren über und um die teils gewaltigen Bauten deutlich vereinfachen.
Schusswaffen werden nach häufigem Gebrauch präziser und richten mehr Schaden an, gleiches gilt für Nahkämpfer und Sprengstoffexperten. Wer aber lieber auf vier Rädern durch die Straße heizt und die Gegner dabei unter die Räder bringt, kann sich auch hier über Perks und Boni freuen. Allerdings ist das Fahren noch die am wenigsten unterhaltsame Komponente des Spiels, da sich die Boliden allesamt eher schwammig bedienen lassen. Zu Fuß macht die Erkundigung deutlich mehr Spaß, da die Bedienung der Spielfigur viel flüssiger von der Hand geht und bis auf kleinere Kameramacken wirklich sauber funktioniert.
Der Mehrspielermodus: Eine einzige Enttäuschung
Was wurde bei der Ankündigung von Crackdown 3, die immerhin bereits kurz vor dem Start der XBOX One erfolgt ist und entsprechend bereits einige Jahre zurückliegt, nicht alles versprochen. Cloudbasierte Technologien sollten eine nie gekannte Art der Umgebungszerstörung bringen, bei der sich selbst ein Battlefield beschämt verkriechen würde. Nach zig Entwicklerwechseln ist davon am Ende kaum etwas geblieben. Zerstörung in Echtzeit, wenn überhaupt, gibt es nur noch im Komplett von der Kampagne separierten Mehrspielermodus, genannt Abrisszone. Zwar bietet auch die Kampagne eine Mehrspielerkomponente, nämlich in Form eines kooperativen Zweispielermodus und diesen auch nicht lokal, sondern nur online, einen wirklichen Mehrwert bietet aber auch das nicht – zumal die PC-Version hier auf festgelegte 30 Frames pro Sekunde beschränkt wird, während alle anderen Aspekte des Spiels unbegrenzte Bildraten ermöglichen. Dazu aber später mehr.
In der Abrisszone begegnen sich zwei Teams á fünf Spieler, die sich in einer deutlich kleineren Version von New Providence gegenseitig die Mütze vollhauen können und dabei tatsächlich zahlreiche Elemente der Spielumgebung in Schutt und Asche legen können. Das groß angekündigte Spektakel bleibt hier aber ebenso komplett aus wie der Spielspaß. Dadurch, dass Gegner stets hervorragend sichtbar sind und man dank überkonsequenten Zielhilfen nie das Fadenkreuz vom Gegner bekommt, entpuppt sich die Abrisszone als eine DER Mehrspielerenttäuschungen der letzten Jahre, auch weil frische Impulse komplett durch Abwesenheit glänzen. Generischer und einfallsloser geht es kaum. Da hätte man sich die Komponente auch gleich komplett sparen können die dadurch frei werdenen Ressourcen in ein abwechslungsreicheres Einzelspielererlebnis zu stecken. Mit dem hier gebotenen bricht Crackdown 3 eines seiner einst so groß angepriesenen Versprechen. Schade.
Anatomie der Technik
Crackdown 3 nutzt die aktuellste Version der Unreal Engine 4, um die Welt von New Providence zu buntem Leben mit leichtem Cell Shading – Einschlag zu erwecken. Das Ergebnis sieht in vielerlei Hinsicht auch sehr eindrucksvoll aus, besonders für einen primär für die XBOX One entwickelten Titel, schließlich gab es bisher noch kein Spiel, welches mithilfe der potenten Engine eine größere Open World dargestellt hat. Das hat aber auch einen Preis, denn sämtliche Konsolenmodelle, auch die XBOX One X, sind auf festgelegte 30 Frames pro Sekunde beschränkt. Nur die als Teil des Play Anywhere – Programms von Microsoft auch exklusiv über den Windows 10 – Store angebotene PC – Version wartet mit unbegrenzter Bildrate auf. Interessant ist aber vor allem erst einmal der Blick auf die jeweiligen Auflösungen. Denn egal ob One S, One X oder gar das Urmodell, alle Konsolenfassungen von Crackdown 3 nutzen dynamische Auflösungsskalierung, die Bildrate stabil zu halten. Die Standardmodelle lösen hier bevorzugt in Full HD auf, können aber je nach Situation bis zu 60% herunterskalieren, um Einbrüche zu vermeiden, was aber leider dennoch nicht immer gelingt. Die One X dagegen peilt natives 4K an, nutzt aber abseits davon die exakt gleiche Technik. Hier aber verhindern die Leistungskapazitäten der Konsole drastische Auflösungseinbußen, das Geschehen bleibt nahezu stets im ultrahoch aufgelösten Bereich.
Auffällig ist vor allem die schwankende Grafikqualität zwischen den jeweiligen Modellen. Auf der One S und darunter gibt es nicht nur eine niedrigere Grundauflösung, auch die allgemeine Grafikqualität wurde im Vergleich zur One X und dem PC deutlich nach unten geschraubt. Viele Schatten wurden ersatzlos aus dem Spiel gestrichen, die verbliebenen qualitativ deutlich runterreguliert. Das raubt Atmosphäre. Und auch die Sichtweite ist hier deutlich geringer. Wer das Abenteuer zusammen mit einem Freund über zwei verschiedene Modelle spielt, bekommt automatisch die Grafikqualität des schwächsten Gliedes in der Kette aufgezwungen. Spielt also jemand auf der One X mit jemandem, der lediglich auf eine One S zurückgreifen kann, bekommt der One X – Nutzer also ebenfalls das deutlich reduzierte Grafikerlebnis auf den Schirm – ob er nun will oder nicht.
Probleme, die der PC nicht hat. Die Portierung ist vorbildlich gelungen und bietet massiv Feineinstellungen, um auch auf Mittelklassehardware solide Performance zu liefern. Ein Ingame – Benchmark gibt es zwar nicht, dafür eine fantastische Einbindung von Leistungsanzeigen, die sogar Auskunft darüber geben, wann dynamisch aufgelöst wird und in welcher Auflösung augenblicklich gerendert wird. Wer genug Power unter der Haube hat, kann das Dynamic Scaling aber auch einfach komplett deaktivieren. Auf extremen Settings und in nativem 4K zeigt sich Crackdown 3 zwar nicht so hardwarehungrig wie ein Metro: Exodus und lieferte entsprechend auf unserem mit i9-9900K und RTX 2080ti ausgestatteten Testrechner flüssige 60 Frames in jeder nur erdenklichen Situation, neigt dafür aber auch zu recht langen Ladezeiten, wenn man das Spiel nicht auf einer SSD installiert. Aber selbst höchste Einstellungen trösten nicht darüber hinweg, dass die Texturen allgemein nicht so detailliert erscheinen, wie es sicher möglich gewesen wären – und zwar auf allen Plattformen. Klar, der Comiclook trägt dazu sicher seinen Teil bei, aber selbst Jump Force hat da zuletzt bei gleicher Technik bewiesen, dass deutlich mehr möglich ist. Alles in allem bleibt Crackdown 3 aber ein bunter und ansehnlicher Spaß, der noch am ehesten an ein Far Cry 3: Blood Dragon erinnert und so gut es eben geht für jedes System optimiert wurde.
Das letzte Wort gilt wie immer Ton und Bedienung. Alleine schon ohne Terry Crews markante Stimme entgeht einem abseits des Originaltons einiges. Zwar machen auch die deutschen Sprecher einen soliden Job, aber hier bekommt der Originalton dank Crews einfach einfach noch mal einen Mehrwert obendrauf. Leider (!) müssen auch deutschsprachige Spieler nicht komplett auf die englische Sprache verzichten, denn während alle wichtigen Charaktere komplett vertont worden sind, begegnet man abseits davon immer noch vielen englischen Passagen. Ob Fehler oder Faulheit, das lässt sich leider nicht klären. Möglich, dass hier noch nachgepatcht wird. Zumindest die Releaseversion litt unter diesem immersionsraubenden Problem. Die Bedienung kommt dafür kritiklos durch den Prüfstand, besonders mit Gamepad geht das Geschehen prima von der Hand und präsentiert sich intuitiv und sauber. Auch mit Maus und Tastatur funktioniert die Steuerung gut, da man aber selbst auf dem PC keine Chance bekommt, die starke Zielhilfe abzuschalten, wird der Präzisionsvorteil konventioneller Eingabegeräte hier stark beschränkt – das gibt Abzug!
Fazit und Wertung
„Crackdown 3 hätte sicher eine bessere Wertung verdient. Die Bedingung dafür wäre aber, dass es nicht erst Anfang 2019, sondern bereits Anfang 2015 hätte erscheinen müssen. Seitdem hab sich das Genre nämlich derart weiterentwickelt, dass der quälend nostalgische Ansatz des Spiels im Vergleich zur Konkurrenz drastisch abschmiert. Die Präsentation geht zwar in Ordnung, aber die lasche Story und die repetiven Spielmechaniken gewinnen heute absolut keinen Blumentopf mehr. Die Mehrspielerkomponente ist eine herbe Enttäuschung auf allen Ebenen und erinnert hauptsächlich an gebrochene Entwicklerversprechen. So ist Crackdown 3 trotz aller Rettungsversuche am Ende das Duke Nukem Forever des Jahres 2019, dass sich genau wie dieses einfach mit der Zeit selbst überlebt hat.“
Pay-2-Win/Miktrotransaktionen: Crackdown 3 enthält keinerlei Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile zu verschaffen und auch abseits davon gibt es keinerlei Mikrotransaktionen. Eine Abwertung findet daher diesbezüglich nicht statt.
PRO:
+ Hübsch inszeniertes Zukunftssetting
+ Nette Effekte
+ Abwechslungsreich gestaltete, relativ umfangreiche Spielumgebung
+ Motivierendes Progress – System…
+ …welches die bevorzugte Spielweise individuell belohnt
+ Viele Nebenmissionen und versteckte Objekte
+ Vier fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
+ Solider Umfang
+ Funktionelle KoOp – Komponente
+ Praktische Supply Points
+ Gute deutsche Sprecher…
– …und ein klasse aufgelegter Terry Crews im Originalton
+ Zugängliche Bedienung
+ Technisch vorbildliche PC – Portierung
CONTRA:
– Belanglose Handlung ohne Twists
– Repetive Missionsabläufe
– Bösewichte erhalten zu wenig Spielraum
– Viele schwache Texturen
– Kanonenfutter – K.I.
– Maues Trefferfeedback
– Schlappe Waffensounds
– Nicht alle Sprachfetzen wurden deutsch lokalisiert
– Schwammige Fahrzeugbedienung
– Zielhilfe nicht abschaltbar (PC)
– Innovationsloser, extrem enttäuschender Multiplayermodus
GESAMTWERTUNG: 6.1/10
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