Blu-Ray: „Lindenberg! – Mach dein Ding“

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                                                  Ab sofort erhältlich als Blu-Ray und DVD

71iWrf9iAPL. SL1500 Ob Elton John oder Freddie Mercury: Filmbiographien über berühmte Sänger haben sich längst einen Platz unter den gegenwärtigen Kinodauerbrennern verdient. Zugegeben, am internationalen Erfolg gemessen kann Udo Lindenberg da nicht ganz mithalten, zumindest im deutschsprachigen Raum gilt der gebürtige Westfale mit seiner knapp fünfzig Jahre andauernden Bühnenkarriere aber als Legende. Grund genug also, Jugendjahre samt früher Karriere einmal filmisch zu beleuchten. Lindenberg! – Mach dein Ding wartet mit großen Namen auf, traut sich am Ende aber viel zu wenig. Ob das Werk trotzdem einen Blick wert ist, klären wir anhand der frisch erschienenden Heimkinoversion. 

Der Film

„Wir Lindenberg´s werden Klempner!“ Diesen Satz bläut Papa Gustav seinem jüngsten Sohn Udo schon früh ein. Doch der denkt gar nicht daran, dem gestrauchelten Familenvater nachzufolgen. Musiker werden, erfolgreich sein und die Welt sehen, das ist schon viel eher was. Als Jugendlicher verlässt Udo (Jan Bülow, Dogs of Berlin) das heimische Gronau in Westfalen und versucht, sich in Hamburg auf St. Pauli neben einer Ausbildung als Kellner seine Träume zu erfüllen. Der große Durchbruch lässt aber auf sich warten, stattdessen vergnügt sich der Gelegenheitsschlagzeuger hauptsächlich mit Kumpel Steffi (Max von der Groeben, Fack Ju Goehte) im Nachtleben und sammelt erste Erfahrungen mit Sex, Drogen und Alkohol. Als die Lust am Kellnern vergeht und die Kohle knapp wird, landet Udo notgedrungenals Truppenunterhalter der lokalen U.S. Streitkräfte in Lybien. Dort verfällt der „Nazi Boy“ schließlich endgültig dem Suff. 

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Wieder daheim gelingt es Udo dank anhaltender Beharrlichkeit, den schmierigen Talentsucher Mattheisen (Detlev Buck, NVA) auf sich aufmerksam zu machen. Der ist allerdings der Meinung, dass man nur mit englischsprachigen Songs erfolgreich sein kann. Als die erste Platte floppt und Steffi nach einem Streit die Band verlässt, steht die vielversprechende Karriere bereits kurz vor dem Aus. Um nicht alles zu verlieren, muss Udo sich komplett neu erfinden und beschließt, eigene Erfahrungen und Erlebnisse – darunter auch die zunehmende Abgrenzung der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber dem Westen – in deutschsprachigen Songs zu verarbeiten. Cello und Alles klar auf der Andrea Doria werden wider Erwarten zu großen Hits. Doch ausgerechnet kurz vor dem ersten wichtigen Konzert in Hamburg geht dem aufstrebenden Star die Muffe. Zeit, sich darauf zu besinnen, wer man ist und woher man kommt…

Die Rezension

Rein visuell hat Regisseurin Hermine Huntgeburth bei Lindenberg! – Mach dein Ding alles richtig gemacht. Das mit 134 Minuten Laufzeit relativ lang geratene Werk fängt Look und Lebensgefühl der frühen Siebziger Jahre gekonnt ein. Bis in die Nebenrollen mit namhaften Darstellern, darunter Charly Hüber, Julia Jentsch und Ruby O. Fee besetzt, kann sich auch der Cast absolut sehen lassen. Jan Bülow, der sich Stimme und Gestik des Vorbildes überzeugend aneignet, mimt den großen Star mit einer guten Mischung aus Verletzlichkeit, Chuzpe sowie klassisch westfalischer Derbheit. Trotzdem wagt sich der Film viel zu wenig in die Tiefen dieser illustren Karriere vor, sondern schneidet die zahlreichen Exzesse und Abstürze nur an der Oberfläche an. So fällt es einem als Zuschauer relativ schwer, die dargestellte Figur komplett greifen, bzw. nachvollziehen zu können. Zwar sieht man den jungen Udo ab einem gewissen Zeitpunkt fast nur noch mit der Flasche in der Hand durch die Gegend taumeln, das zu hinterfragen oder Konsequenzen aufzuzeigen traut sich der Film aber nie. 

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Durchdachter geraten sind dagegen die vielen Rückblicke auf Udo´s Kindheit. Das schwierige Verhältnis zum Vater, die bedingungslose Liebe zur Mutter…hier entfaltet das Drehbuch von Alexander Rümelin, Christian Lyra und Sebastian Wehlings seine Stärken. Wer genau hinschaut, entdeckt dort sogar Der Junge muss an die frische Luft-Star Julius Weckauf in einem kurzem Kurzauftritt als junger Clemi. Der echte Lindenberg ist lediglich im Abspann zu sehen, seine Lieder begleiten einen aber durch den gesamten Film. Vier davon werden sogar von Bülow selbst gelungen und finden sich auch auf dem offiziellen Soundtrack zum Film wieder. Trotz vieler guter Momente ist Lindenberg! – Mach dein Ding aber für meinen Geschmack etwas arg an Fanservice bemüht, der die Fehlentscheidungen und Probleme seiner Hauptfigur für meinen Geschmack zu sehr idealisiert, frei nach dem Motto: „Sauf und fick dich von mir aus zu Tode, solange du dir dabei deinen Traum erfüllst.“ Geschichten wie diese haben ein Rocket Man oder Bohemian Rhapsody einfach differenzierter und mit besserem Timing betrachtet. 

Die Blu-Ray

Erdige Paletten dominieren den zentral in den Siebzigern spielenden Film, was für einen glaubhaften Look sorgt. Zwischen Gelb- und Brauntönen bleibt aber immer noch genügend Raum für gelegentlich aufploppende Highlights. Die Schärfe agiert insgesamt auf durchgehend hohem Niveau, weder Nahaufnahmen noch Totalen mangelt es über die Blu-Ray zu irgendeinem Zeitpunkt an Details. Filmkorn ist stets präsent und untermalt den gewählten Stil gelungen, ohne dabei je unschön über die Grenze des Erträglichen zu treten. Dank ebenfalls stimmiger Kontraste, deren satte Schwarzanteile sich nie negativ auf die Durchzeichung auswirken, bekommt man hier eine Blu-Ray in die Hand, die in Sachen Bildqualität durchaus zu überzeugen weiß. 

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Für den nötigen Ton sorgt eine verlustfreie Masterspur im Format DTS-HD MA 5.1, die immer dann aktiv durch den Raum geht, wenn es im Film musikalisch zugeht. Bis allerdings zum ersten Mal ein echter Song vom Altmeister zu hören ist, vergehen im Film sage und schreibe neunzig Minuten. Wenn Udo und Steffi dafür über den Kiez wandern, werden über die Rücklautsprecher immerhin schon einige gut platzierte Hintergrundgeräusche in den Raum getragen. Ein Großteil der Laufzeit entfällt allerdings auf die Dialoge, die dann auch perfekt verständlich und mit optimaler Grundlautstärke aus dem Center erklingen. Richtigen Raumklang gibt es immer nur bei musiklastigen Szenen, dazwischen bleibt der Film eher zurückhaltend und wie bereits erwähnt primär auf das gesprochene Wort fokussiert. 

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Im Bonusmaterial lässt sich zunächst ein Audiokommentar von Regisseurin Hermine Huntgeburth und Produzenz Michael Lehmann finden, der mit einigen interessanten Geschichten zur Herstellung des Films aufwartet. Dazu gesellen sich knapp neun Minuten Interviews mit Cast und Crew, ein etwas unter fünf Minuten andauernder Premierenclip sowie ein Musikvideo zum Film. Ein zusätzliches, ebenfalls sehr knapp bemessenes Featurette und eine Handvoll Trailer runden das typische Standardmaterial einer deutschsprachigen Filmproduktion im Heimkino ab. Hier wäre gerade in Hinsicht auf den echten Udo Lindenberg und sein umfangreiches Schaffen einiges mehr machbar gewesen. 

Fazit

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Der Versuch, Jugendjahre und musikalische Anfänge des Panikrockers filmisch aufzuarbeiten, ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits stimmen Look, Ausstattung und Darstellerleistungen, andererseits verliert sich der Film immer wieder in unnötigen Längen und traut sich nie so Recht, die zahlreichen Abstürze wie Lindenbergs jahrelange Alkoholsucht mit dem nötigen Tiefgang zu behandeln. So fällt es einem einfach sehr schwer, den facettenreichen Sänger mit der komatösen Reibeisenstimme voll und ganz erfassen zu können. Für Fans definitiv Pflichtprogramm, für alle anderen ein möglicherweise etwas zu wohlwollend erzähltes Portrait einer deutschen Legende. Die Blu-Ray überzeugt in Bild und Ton, bewegt sich aber nie in Referenzbereiche vor. Dafür sind die Extras angesichts einer fünfzigjährigen Bühnenkarriere, die man hier durchaus noch näher hätte beleuchten können, eher mau ausgefallen.“ 

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