BD: „Gut gegen Nordwind“

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                                                   Getestet und verfasst von General M 
  

                                       Quelle Bildmaterial: „©2019 Sony Pictures Entertainment. All rights reserved“

                                                Ab sofort erhältlich als Blu-Ray und DVD

81jaASGGmJL. SL1500 Sich über das Internet zu verlieben ist in unserer modernen Gesellschaft längst kein Kuriosum mehr. Was aber geschieht, wenn eine Romanze lediglich durch einen einfachen Tippfehler im Adressat einer E-Mail entsteht? Genau dieser Frage ging der österreichische Schriftsteller Daniel Glattauer bereits 2006 in seinem bis heute unglaublich erfolgreichen Buch Gut gegen Nordwind nach, drei Jahre später folgte mit Alle Sieben Wellen sogar eine Fortsetzung. Seitdem haben die beiden Romanfiguren Leo Leike und Emmi Rothner nicht nur zahlreiche Theaterbühnen erobert, sondern noch viel mehr Leserherzen. Eine Verfilmung galt lange Zeit als schwierig umzusetzen. Regisseurin Vanessa Jopp hat es trotzdem gewagt. Das gleichnamige Ergebnis ist nun im Heimkino erschienen. 


Der Film

Ein Buchstabe zuviel, schon landet die wiederholte E-Mail mit der Bitte um Abbestellung eines Zeitschriftenabonnements nicht beim betreffenden Verlag, sondern in der Mailbox von Leo Leike (Alexander Fehling, Das Ende der Wahrheit). Der sieht den Fehler zunächst gelassen, schließlich passiert diese Verwechslung nicht zum ersten Mal. Ohnehin beschäftigen Leo momentan ganz andere Sorgen: Die On-/Off-Beziehung zu seiner Freundin Marlene ist gerade scheinbar endgültig in die Brüche gegangen, dahinter bahnt sich ein tiefes Gefühl von Leere und Ziellosigkeit an. Als zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt durch Zufall eine weitere fehlgeleitete Mail im Postfach landet, entschließt sich der Sprachwissenschaftler im Affekt zur Antwort. Der Beginn eines schicksalhaften Kennenlernens. 

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Am anderen Ende der Leitung wartet die Webdesignerin Emmi Rothner (Nora Tschirner, Tatort) zunehmend gespannter auf die Nachrichten dieses geheimnisvollen Herrn Leike, dessen Art zu schreiben eine willkommene Ablenkung vom anstregenden Alltag darstellt. Obwohl sich beide nur über das geschriebene Wort begegnen und weder Stimme noch Aussehen ihres Gegenübers kennen, entwickelt sich mit der Zeit eine innige Beziehung zwischen den Düsseldorfern, die bald sogar romantische Züge annimmt. Das große Problem: Emmi ist mit dem deutlich älteren Witwer Bernhard (Ulrich Thomsen, Banshee) verheiratet und fungiert gleichzeitig als Ersatzmutter für dessen Kinder, beide im besten Teeniealter und dementsprechend gerade besonders schwierig im Umgang. Und auch Leo fällt es immer noch schwer, Marlene völlig zu entsagen. Dass beide trotzdem weit mehr füreinander empfinden als sie sich selbst oder gar einander eingestehen wollen, lässt sich aber weder nach außen noch innen kaum noch verbergen. 

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Ein Treffen scheint trotz aller möglicher und unmöglicher Konsequenzen unausweichlich zu sein, auch wenn die Angst vor dem damit verbundenen Zusammenbruch eines möglicherweise bloßen Gedankenkonstruktes zugunsten realer Tatsachen allgegenwärtig ist. Als dann auch noch Leo´s Mutter überraschend stirbt, entschließt dieser sich in all seiner Trauer, alle Zelte abzubrechen und in die Vereinigten Staaten überzusiedeln. Eine erste und letzte Begegnung soll offene Fragen klären und verbliebene Illusionen auflösen. Doch Bernhard hat längst gemerkt, dass ihm seine Frau zu entgleiten droht und kommt schließlich dahinter, warum Emmi nur noch Augen für das Display ihres Smartphones hat…

Die Rezension

Meistens gilt ja, dass ein Film zum Buch seine Vorlage nie übertreffen kann. Gut gegen Nordwind ist aber genau dieses Kunststück gelungen. Die bittersüße Liebesgeschichte zwischen Emmi Rothner und Leo Leike gelangte vor mehreren Jahren zufällig in meine Hände und zählt zu den ganz wenigen Büchern, welche ich von Anfang bis Ende ohne Pause gelesen habe – und das, obwohl das Werk von Daniel Glattauer sich bis zum Finale oftmals zieht wie Kaugummi, inklusive einem so unbefriedigenden Ende, dass der Autor quasi gezwungen war, sich mit einer eigentlich nicht geplanten Fortsetzung nochmal zu korrigieren. Denn trotz immer mal wieder arg oberflächlich geschriebener Momente und künstlicher Längen kann man sich in beiden Hauptfiguren wunderbar wiederfinden und wünscht sich einfach so sehr, dass die Geschichte für beide einen schönen Ausgang findet, dass es einen beim Lesen nervöser und nervöser macht, je weniger Seiten noch vor einem liegen. 

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Dank der wirklich beispielhaften Drehbuchadaption von Jane Ainscough gelingt es dem dazugehörigen Film glücklicherweise, durch das richtige Maß an Ergänzung und Entschlackung nahezu sämtliche Schwächen der Vorlage zu beseiten. Die Figuren wirken frischer, greifbarer und weniger verstockt als noch im Buch. Das Geschehen findet nun nicht mehr ausschließlich in den jeweiligen Wohnräumen statt, sondern wird aktiv in den Alltag der Figuren eingebunden, was für eben jene Tiefe sorgt, die Glattauer´s Werk einfach über weite Strecken fehlt. Dabei hilft es auch immens, dass mit Nora Tschirner und Alexander Fehling ein fantastisch miteinander harmonierendes Duo in die Rollen von Leo und Emmi schlüpft, die obleich über die meiste Zeit voneinander entfernt agirend doch schaffen, dem Zuschauer ein glaubhaftes Gefühl von Nähe zu vermitteln. Die versierte Regie von Vanessa Jopp sorgt gleichzeitig dafür, dass abseits kleinerer Restlängen alle bedeutsamen Handlungselemente der Vorlage mühelos Platz in dem etwas über zwei Stunden langen Film finden, der alleine schon aufgrund seines um Welten runderen Endes jederzeit der Vorlage vorzuziehen ist. 

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Worauf man sich bei Gut gegen Nordwind einstellen sollte, ist ein ungewohnt ruhiger Ton. Beide Figuren und deren Alltag werden von einer gewissen Monotonie begleitet, die über das gemütliche Erzähltempo auch stark auf den Zuschauer übertragen wird, zumal Kameramann Sten Mende ganz bewusst auf bunte Bilder verzichtet, sondern stattdessen auf natürliche Lichtstimmungen inmitten der urbanen Tristesse einer Großstadt oder der abgeschiedenen Stille eines norddeutschen Strandes setzt. Das unterstreicht aber nur die Sehnsüchte und Einsamkeit der beiden Hauptfiguren, passt also richtig gut in die Geschichte. Entstanden ist letztendlich eine ungewöhnlich schwermütig bebildeter Romanze, die gerade deswegen so gut funktioniert, weil sie vieles anders und moderner macht als beispielsweise klassische Rosamunde Pilcher – Schmonzetten. Gut gegen Nordwind erinnert einsame Herzen daran, die Hoffnung nicht aufzugeben. Manchmal findet man das Glück eben genau dann, wenn man nicht mehr damit rechnet. Und dann geht alles ganz schnell. Vertraut mir, ich weiß wovon ich rede. 

Die Blu-Ray

Vollständig digital mithilfe von ARRI Alexa Mini – Kamerasystemen gedreht, dürfen sich Käufer der Blu-Ray als einzige HD-Veröffentlichung über ein rundherum gelungenes Release freuen, dass den intendierten Look des Films problemlos ins heimische Wohnzimmer überträgt. Fantastisch aufgelöste Details setzen besonders in Nahaufnahmen auch kleinste Haarsträhnen, Fältchen und Hautporen bestmöglich in Szene, während Schriftzüge im Hintergrund mühelos lesbar erscheinen. Dazu besticht das Bild mit einer eindrucksvollen Laufruhe, die keinerlei Raum für Instabilitäten aller Art zulässt. Dass es dieses Mal keine zusätzliche Auswertung in Form einer UHD gibt, ist angesichts dieser vorbildlichen Ergebnisse rasch vergessen. 

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Farblich passend zum allgemeinen Erzählstil des Films präsentiert sich die gewählte Palette gerade zu Beginn eher kühl mit Fokus auf Silber- und Blautöne, wagt sich dann aber Richtung Klimax allmählich in Richtung etwas wärmerer Einschläge, die das zunehmend mehr Laufzeit einnehmende Geschehen um Emmi samt Alltag primär mit Grün- und Gelbanteilen anheben, was die differenzierten Existenzen zwischen den Figuren stilistisch absolut passend untermalt. Hauttöne leiden darunter nicht, sondern erhalten durchgehend einen angenehm natürlichen Look. Gute Schwarzwerte sorgen in dunklen Momenten für beste Durchzeichnung, auch sonst gibt es im Kontrastbereich keinen Grund zu meckern. 

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Der ausschließlich deutschsprachige Ton präsentiert sich im verlustfreien DTS-HD MA 5.1 – Format und ist so ein typischer „Tut, was er soll“ – Kandidat. Schließlich haben wir es hier nicht mit einem effektreichen Actioner zu tun, sondern mit einer ruhig erzählten, hauptsächlich dialoglastigen Romanze. Die Stimmverständlichkeit im Center ist dann auch durchgehend exzellent, gesprochene Worte kommen kristallklar rüber. Umgebungsgeräusche gibt es nur selten mal, wenn Leo beispielsweise in der Bahn unterwegs ist. Stattdessen werden die übrigen Lautsprecher hauptsächlich dazu genutzt, den Soundtrack in den Raum zu tragen, was in dem Fall mit einem anständigen Maß an Dynamik geschieht. Der Subwoofer hat bei alldem natürlich nicht viel zu tun, sondern verweilt nahezu durchgehend im Tiefschlaf. 

Die Extras

Leider kommt der Film komplett ohne Bonusmaterial daher, was dann doch sehr sauer aufstößt. Gerade einmal der Trailer hat es noch auf die Blu-Ray geschafft, aufklärende Hintergründe zur Buchvorlage, der obligatorische Blick hinter die Kulissen samt Interviews oder gar ein Audiokommentar sucht man vergebens. Da muss man Publisher Sony angesichts der so vorbildlich ausgestatteten Katalogtitel der letzten Tage dann doch mal beschämt auf die Finger hauen. 

Fazit

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Wer das Buch mochte, wird den Film lieben. Dank wesentlich runderem und an den richtigen Stellen sinnvoll ergänzten wie entschlackten Drehbuch übertrifft Gut gegen Nordwind als abendfüllende Romanze seine Vorlage an allen Ecken. Die Geschichte um ein zunächst zufälliges Kennenlernen zweier Menschen über das Internet und die dadurch ausgelöste Kette folgender Ereignisse schafft es trotz bewusst leiser Töne und konsequenter Erzählruhe, einen bis zum Ende hoffnungsvoll mitfiebern zu lassen – selbst, wenn man das Buch bereits kennt. Tolle Darsteller, die herrlich geheimnisvoll wirkende Großstadtstimmung und ein stimmigeres Ende als im Buch zeichnen einen Film aus, den man sich immer wieder guten Gewissens ansehen kann. Dafür sorgt nicht zuletzt auch die technisch absolut gelungene Blu-Ray, die lediglich dank mangelnder Extras mit Punktabzug leben muss.“ 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
   

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