BD: „100 Dinge“

                                                     Getestet und verfasst von General M 

                Quelle Bildmaterial: „100 Dinge, ©Warner Bros. Pictures Inc. All rights reserved.“ 

                                                  Ab sofort erhältlich als Blu-Ray und DVD

81eyJZCDKeL. SL1500 Vor Matthias Schweighöfer mussten sich über die letzten Jahre mehr und mehr männliche Beziehungspartner teuflisch in Acht nehmen. Denn kaum taucht dessen Name auf irgendeinem Kinoplakat auf, strömen die Damen meist in Massen und stellen nach der Filmschau die Frage: „Warum könntest du nicht mehr sein wie der?“ Gleiches gilt auch für Florian David Fitz, der sich seinen Buddy sicher auch deswegen kurzerhand für dessen neuestes Projekt 100 Dinge ins Boot geholt hat. Warum nackte Haut allerdings bei weitem nicht ausreicht, um aus einer auf dem Papier guten Idee auch einen guten Film zu machen, klären wir ebenso für euch wie Stärken und Schwächen der dazugehörigen Heimkinoversion. 


Der Film

Paul (Florian David Fitz, Der Vorname) und Toni (Matthias Schweighöfer, Vielmachglas) sind seit frühester Kindheit gleichermaßen beste Freunde wie Konkurrenten, die zwar über die Jahre immer wieder aneinandergeraten sind, dafür aber zumindest eine gemeinsame Leidenschaft teilen: Den Konsum. Während Hipster Paul aus bloßer Langeweile teuren Kram im Netz ordert, den er am Ende sowieso nicht braucht, definiert sich der eher unsichere Toni ausschließlich durch seinen Besitz und kaschiert stetig lichteres Haar und seine Sehstörung mit teuren Outfits und Kosmetikartikeln. Ein Leben ohne technischen und modischen Schnickschnack scheint für die ungleichen Freunde kaum vorstellbar zu sein. 

100d7

Als Gründer eines vielversprechenden Start Up´s stehen beide nun endlich vor dem großen Durchbruch. Paul hat mit seiner Software „Nana“ die Spracherkennung von Smartphones revolutioniert, U.S. Social Media – Gigant David Zuckerman will mit 4 Millionen Dollar investieren. Das sorgt nicht nur bei den Konsumjunkies, sondern auch bei der Belegschaft für großen Jubel und muss natürlich anständig gefeiert werden. Im Suff lassen sich die beiden Freunde zu einer verhängnisvollen Wette hinreißen: 100 Tage sollen beide auf jede Form von Konsumgüter verzichten. Kreditkarten, Geld und Handy´s werden ebenso eingeschlossen wie Möbel, Kleidung und Hygieneartikel. Jeden Tag dürfen sie sich je einen Gegenstand zurückholen. Wer zuerst schwach wird, muss seine Firmenanteile an die Belegschaft abtreten. 

100d6

Dass beide am nächsten Morgen verkatert und splitternackt in leeren Wohnungen aufwachen, ist im winterlichen Berlin noch das kleinste Problem. Während Paul und Toni erstmals wieder den Wert einer einfachen Hose und einem Paar Kontaktlinsen schätzen lernen und ohne ihre Luxusgüter von einer peinlichen Situation in die nächste geraten, findet langsam auch ein Umdenken über ihr eigenes Wesen und die Welt im Allgemeinen statt. Kritisch wird die Wette, als Paul, der das neue Leben sichtbar zu genießen beginnt, mehr und mehr am Deal mit der Datenkrake aus Übersee zu zweifeln. Währendessen verliert Toni sein Herz an die geheimnisvolle Lucy, die es sich in ihren Lagereinheiten wohnlich gemacht hat. Doch wie erobert man das Herz einer Frau, wenn man bis auf die Kleidung am Leib nichts mehr besitzt?

Die Rezension

Inspiriert von dem finnischen Dokumentarfilm My Stuff wollte Regisseur Fitz, der nicht nur als Hauptdarsteller fungiert, sondern auch das Drehbuch selbst verfasst hat, einen Film erschaffen, der allem voran als Gesellschaftskritik verstanden werden soll. Das Thema passt grundsätzlich auch perfekt in unsere Zeit, in der Menschen jeden Mist im Netz kaufen können, egal ob sie ihn letzendlich brauchen oder nicht. Konsum und Besitz dienen nicht nur als Statussymbol, sondern definieren mehr und mehr den Konsumenten selbst. Das Haben prägt den Menschen, nicht mehr zwangsläufig dessen Taten. Eine spannende Geschichte für einen spannenden Film. Theoretisch. Denn leider scheitert Florian David Fitz komplett an deren adäquater Umsetzung.

100d3

Eigentlich ist 100 Dinge ein handwerklich mehr als nur solide inszenierter Film, alleine schon deswegen, weil Kameramann Bernhard Jasper unter anderem einige wirklich tolle Bilder unserer Landeshauptstadt eingefangen hat und dank klasse in Szene gesetzter Lichtstimmungen für absolut malerische Kulissen sorgt. Gedreht wurde neben Berlin übrigens auch in Polen. Es ist also keineswegs die optische Qualität, an welcher der Film so furchtbar scheitert, sondern schlicht die inhaltliche Umsetzung des eigentlich so spannenden Themas. Dieses verliert nach einem vielversprechenden Beginn rasch an Bedeutung und dient in der ersten Hälfte hauptsächlich als Basis für gewohnt derb-peinliche Humoreinlagen, die nur allesamt nie richtig zünden wollen, ehe der Film dann in der zweiten Hälfte dramatischere Pfade einschlägt. Selbst dann tun sich dem Zuschauer aber keine neuen Ideen auf, der restliche Handlungsverlauf bleibt vorhersehbar und zu sehr darum bemüht, auf die Tränendrüse zu drücken, ehe am Ende natürlich alles irgendwie in einem Happy End mündet.  

100d5

Aus der Vorlage hätte man deutlich mehr machen können. So aber quält man sich als Zuschauer mit 100 Dinge über 111 teils quälend lange Minuten. Mich zumindest hat der Film enttäuscht zurückgelassen. Das Thema Konsum und deren Kritik wird hemmungslos für eine typisch deutsche Buddykomödie geopfert, der es bis zum Schluss an Überraschungen und Mut fehlt und die auch in Sachen Witz keine neuen Einfälle zu bieten hat. Kurzum, was sich interessant liest, erinnert im Endergebnis eher an eine typische Schweiger – Produktion. Nur dass sich die Enttäuschung hier eher überraschend einstellt. Immerhin, für die weiblichen Zuschauer gibt es angefangen beim werbewirksamen Filmplakat genug nackte Haut zu bestaunen. Wen das nicht interessiert, darf sich zumindest auf tolle Nebendarsteller freuen, ganz besonders eine fantastische Katharina Thalbach und nicht zuletzt auch Hannelore Elsner, die überraschend im April 2019 verstorben ist und die hier in eine ihrer letzten Rollen zu sehen ist. 

Die Blu-Ray

100 Dinge ist ein brauner Film. Nicht politisch, sondern optisch. Ich weiß nicht, woran es liegt, dass deutsches Kino in den letzten Jahren vor allem im Komödienbereich so übermäßig auf einen erdigen Look setzt, wirklich natürlich wirkt das Bild dadurch natürlich nur noch selten. Auch eine durchgängig gute Schärfe lässt die Blu-Ray vermissen, stattdessen sind die Unschärfen wesentlich präsenter wahrnehmbar als deren Gegenteil. Wirklich knackig sehen nur die Nahaufnahmen wirklich aus, abseits davon präsentiert sich das Bild aber überraschend weich. Ob das Intention ist oder nicht, kann man natürlich schwer sagen, so oder so: Schön ist anders, Referenzmaterial erst recht. Auch die Kontraste können nicht wirklich überzeugen. In dunklen Momenten mangelt es an vor allem den Schwarzwerten an Kraft, durch den übermäßgen Einsatz von Farbfiltern entsteht ein unschöner Grünstich und auch vor sehr präsenter Körnung wird man dann nicht verschont. Die Durchzeichnung geht aber immer noch in Ordnung. Alles in allem wäre man hier ohne die heftigen Sepiaeeinfärbungen aber deutlich besser gefahren. 

100d4

Immerhin: Den Ton hat Warner im verlustfreien DTS-HD MA 5.1 – Format auf die Scheibe gepresst. Der punktet vor allem mit einer kraftvollen (und nicht selten auch basslastigen) Einbindung des Soundtracks sowie einer in entsprechenden Situationen auch passenden Raumkulisse mit überraschend guter Dynamik und Effektverteilung. Überraschend schlapp fährt dafür der Center vor, was bei einem hauptsächlich dialoglastigen Film natürlich keine gute Sache ist. Wirklich kristallklar ist das gesprochene Wort nicht, stattdessen pendelt die Dialogwiedergabe zwischen etwas zu leisen oder generell etwas nuschelig wirkenden Momenten munter hin und her. Es mangelt schlicht an Kraft bei der Klangdurchzeichnung. Ebenso dünn präsentieren sich dann letztendlich auch die Extras. Die laufen kombiniert keine zehn Minuten und erzählen in drei kurzen Featurettes jeweils kurze Einblicke in den Nacktdreh, den Kunstschnee und die Zusammenarbeit zwischen Schweighöfer und Fitz. Braucht man alles nicht. 

Fazit

ava7„Schon irgendwie ironisch: Ein Film, der den Kommerz anprangert, opfert jedwedes kritische Potenzial, um kommerziell erfolgreicher zu sein. Klar, dass das so am Ende nicht aufgehen würde, dazu mangelt es dem Drehbuch von Florian David Fitz einfach an Chuzpe und Wagnisbereitschaft. In Kombination mit Matthias Schweighöfer entstand dann letztendlich nur eine weitere deutsche Kumpelcomedy nach Schema F. Vorhersehbar, enttäuschend, aber abseits davon zumindest in den Nebenrollen perfekt besetzt und toll gefilmt. Wäre da nicht der unsägliche Hang zur Sepiaoptik, die den Film auch im Heimkino fast komplett seines natürlichen Looks beraubt. Angesichts der papierdünnen Extras gerät die Heimkinoveröffentlichung insgesamt wie der Film selbst zu einer Enttäuschung. Nicht auf ganzer Linie, aber in weiten Teilen.“ 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.

                                              ©2019 Wrestling-Point.de/M-Reviews